Ende der 90er-Jahre arbeitete ich als freier Mitarbeiter bei einem HiFi-Magazin und erinnere mich noch gut an einen Besuch des damaligen Audionet-Chefs Thomas Gessler, der mitteilte, dass sein Unternehmen auf den kommenden Messen nur noch mit Lautsprechern von Wilson Benesch vorführen werde. Diese Aussage hat sogar heute wieder Bestand, denn auch auf der High End 2022 in München wird das wieder der Fall sein. In der Redaktion wurde damals kurz über die englischen Lautsprecher diskutiert und dann ein Paar Wilson Benesch zum Test geordert. Damals hätte ich mir nicht träumen lassen, dass bis zu meinem nächsten direkten Kontakt mit diesen Schallwandlern gut zwei Jahrzehnte ins Land gehen sollten. Umso schöner, dass nun mit der P3.0 das größte und mit 59 Kilogramm schwerste Modell der insgesamt drei Lautsprecher umfassenden Precision-Serie den Weg in den i-fidelity.net-Hörraum gefunden hat.
Auf den ersten Blick wirkt die P3.0 in ihrer schwarzen Ausführung geradezu unscheinbar. Vier Chassis sind auf der mit einer Metall-Legierung versehenen Schallwand montiert, die Gehäusekanten sind abgerundet, und oben wie unten schließt ein Rahmen das Ganze ab. Doch je länger man hinschaut, desto mehr Kleinigkeiten offenbaren sich. So ruht das schwere Gehäuse des nur 27 Zentimeter breiten und knapp 126 Zentimeter hohen Standlautsprechers auf vier soliden Spikes, die in kreisrunden Auslegern montiert sind. Die Nivellierung kann zwar nicht von oben erfolgen, aber aufgrund der feinmechanischen Präzision lässt sich dieser Schritt dennoch halbwegs komfortabel erledigen. Sind die 22er-Kontermuttern angezogen – der passende Schlüssel liegt bei –, wird kein Erdbeben reichen, um sie zu lockern. Auf der Rückseite findet sich das Single-Wiring-Anschlussterminal, welches sich zwar für Bananenstecker eignet, primär aber für die Verwendung von Kabelschuhen gedacht ist, da sich über das Anziehen der Mutter höchster Anpressdruck realisieren lässt. Nennen wir diese Möglichkeit einfach mal »die audiophile Lösung«.
Technisch profitieren die Precision-Lautsprecher von der größeren »Geometry«-Serie, deren Chassis sowie die Frequenzweichen-Auslegung individuell an die neuen Modelle angepasst wurden (der Mitteltöner der P3.0 ist direkt gekoppelt und läuft gänzlich ohne Weiche). Hier zeigen sich die über drei Jahrzehnte Erfahrung in der Entwicklung von High-End-Lautsprechern, auf die Craig Milnes, Mitinhaber und technischer Leiter des Unternehmens mit Sitz in Sheffield, zurückblicken kann. Dabei scheint sein Motto zu sein, in jeder Hinsicht an die Grenzen zu gehen, um das Optimum zu erreichen. Das gilt übrigens nicht nur für die aufwendigen Gehäuse, sondern auch für die Chassis aus eigener Fertigung. Zu Hilfe sind den Briten dabei immer wieder in Teilen erhebliche Forschungsgelder gekommen, die Materialforschung mit deutlich höherem Aufwand erlaubten, als es einem High-End-Hersteller eigentlich möglich ist.