Der Weg nach vorn profitiert oft davon, wenn man zuerst noch einen Blick zurück wirft – und so besann sich Marantz für die neue Linie »Range« explizit auf die besonderen Werte und Charakteristika, die Produkte dieses Herstellers von Beginn an ausgezeichnet haben: Harmonie, Symmetrie, Musikalität. Eines dieser herausstechenden Vorbilder der reich bestückten Marantz-Historie war der Vollverstärker Model 30, der jetzt anlässlich seines 50. Geburtstages einen direkten Nachfolger erhalten hat. Natürlich ist der neue Dreißiger keine exakte 1:1-Kopie, sondern eine moderne Interpretation, die aber im Geiste des Urvaters agiert. Das bedeutet: Der Verstärker ist komplett analog aufgebaut, digitale Aspekte finden keine Berücksichtigung. Hierfür zeichnet sein zeitgleich erschienener Kompagnon SACD 30n verantwortlich, der weit mehr ist als »nur« ein SACD-Player.

Auffällig bei beiden neuen Vertretern der »Range«-Linie ist der radikale Bruch mit dem etablierten Marantz-Look der letzten Jahrzehnte. Eine gewagte, aber auch notwendige Entscheidung. Denn diese kaum variierte Formensprache schien in meinen Augen etwas ermüdet zu sein und spiegelte die innewohnenden technischen Weiterentwicklungen der Geräte im Außen nicht mehr entsprechend wider. Davon kann bei dem mutigen Auftritt von Model 30 und SACD 30n keine Rede sein. Gerade im Falle des Verstärkers wird offensichtlich, wie inspiriert man die klassische Marantz-Frontpartie in den Fokus gestellt, aber doch modernisiert hat: indem sie als abgesetztes Element inszeniert wird, unter dem eine mit Facetten ausgestattete, leicht geschwungene Basis die Gesamtfront bildet. Marantz zählt zwar nicht zu den ersten Audio-Herstellern, die ihren Geräten eine Form von Facettenoberfläche verabreicht haben, aber in der lebendigen Kombination unterschiedlicher Aspekte ist das Ergebnis sehr attraktiv. Zumal viele Softline-Elemente wieder beruhigend wirken und den Bezug zum etablierten Look herstellen. Selbst das typische Bullauge als Informationsträger kommt noch zu seinem Recht. Kurzum: Das Designer-Team hat prächtige Arbeit geleistet. Wie von Marantz nicht anders gewohnt, gibt der Materialeinsatz keinen Anlass zur Klage. Die Gehäuse sind mitsamt Abdeckung aus robustem Stahl gefertigt, mit Seitenteilen aus gewichtigem, nicht magnetischen Aluminium. Beides dient der Vermeidung von Interferenzen.

Das neue Model 30 ist als Stereo-Vollverstärker konzipiert, der die grundsätzlichen Vorzüge einer integrierten Lösung betont: kurze Signalwege, optimales Zusammenspiel der Einzelsektionen. Typische Nachteile gegenüber einer räumlich getrennten Vor-/End-Kombination wiegt der Amplifier durch verschiedene Kunstgriffe auf. So erhalten beide Arbeitsfelder »Pre« und »Power« jeweils eine individuelle Stromversorgung: die Vorstufe über einen gekapselten Ringkerntransformator, die Class-D-Endstufen durch ein lastresistentes SMPS-Netzteil. Dabei wurde darauf geachtet, dass beide Regionen strikt voneinander getrennt aufgebaut sind. Doppelwandige Abschirmbleche unterbinden negative Auswirkungen auf angrenzende Bereiche. Die in der Endverstärker-Sektion verwendeten Class-D-Module des niederländischen Spezialisten Hypex nutzt Marantz nicht zum ersten Mal; sie hatten sich bereits in anderen Spitzenverstärkern wie PM-10, PM-12 und KI-Ruby bewährt und sorgen pro Kanal für 352 Watt Ausgangsleistung (4 Ohm). Die vermeintliche typische Class-D-Schwäche einer Impedanzabhängigkeit des Frequenzgangs haben die Entwickler durch modifizierende Maßnahmen kompensiert. So soll gewährleistet sein, dass das Marantz Model 30 durchweg linear und breitbandig agiert.