Eine Kollegin bat mich kürzlich um einen Tipp für einen guten Lautsprecher. Sehr gut klingen sollte er natürlich, fein auflösen, damit sie die Geige auf ihren CDs gut wiedererkennen könne, genügend Statur bieten, um auch große Orchester glaubhaft abzubilden. Alles klar, dachte ich, kein Problem. Ach ja, kam der Nachsatz, die Boxen könnten auch gerne etwas mehr kosten – immerhin 900 Euro seien für das Paar schon drin. 

Es gibt Momente in jeder Erlebenswelt, in denen die Zeit still steht. Ehrlich gesagt: Das war einer davon für mich. Über Jahre als Autor mit feinen und feinsten Komponenten beschäftigt, standen in der letzten Zeit eher Lautsprecher mit vierstelligem Preisschild im Zentrum meiner Wahrnehmung. Die Finanzregion darunter hatte ich für mich mit dem Etikett »Selbstbau« versehen. Und nun das: Ein Lautsprecher soll her, der gerade auch Klassik gut »können« soll, der dazu noch Fundament bietet, und das für diesen Preis? Ich machte mich also auf die Suche – und wurde nicht nur fündig, sondern auch an Erkenntnissen reicher: Zum einen stellte ich fest, dass im Marktsegment unter 1.000 Euro wirklich ernsthafte Lautsprecher produziert werden, und zum anderen wurde mir bewusst, wie gut hin und wieder eine solche Erdung der eigenen Wahrnehmung tut. 

Ja, man kann in dieser Preisklasse schon richtig gut Musik hören, und nein, man muss dafür nicht zwingend selbst zur Säge greifen. Außerdem ist dieser finanzielle Rahmen ja auch genau der, in dem die meisten Boxen über den Ladentisch gehen. In diesem Preissegment entstehen die meisten »Studenten- oder Einsteigeranlagen«, mit denen eine oft lebenslange Liebe zum qualitätsvollen Musikhören begründet und die anspruchsvolle Klientel von morgen bedient und im besten Falle gebunden wird.

Just während meiner Suche wurde mir ein Paar Dali Lektor 6 angekündigt, das von der Papierform her bestens in das aktuelle Beuteschema zu passen schien. Ich sagte also freudig zu, und schon bald wurden die Lautsprecher geliefert. Hat man sie erst einmal von ihrer Verpackung befreit, geben sie ein schmuckes Bild ab. Das Furnier (in unserem Fall Esche schwarz) ist tadellos ausgeführt. Die Bespannungen wirken ausreichend stabil, positiv fallen hier die massiven Metallstifte zur Befestigung an der Front auf. Ein kurzer Check bestätigt aber auch im Falle der Dalis die alte Erfahrung, dass Stoff nichts vor Chassis zu suchen hat, also wandern die beiden Rahmen wieder in die Kartons. Immerhin ermöglicht Dali noch einen Kompromiss: Man kann die Abdeckung einfach »auf dem Kopf« stehend befestigen. Dann verdeckt sie unten zwar das Markenschild, behindert oben aber nicht mehr den Hochtöner. Und vor einem Mitteltöner kann der Stoff nicht mehr viel anrichten. Wie auch immer, ich bin in dieser Frage konservativ. 

Auf der Rückseite der Lektor 6 zeigt Dali sinnvolle Bescheidenheit: Der dänische Standlautsprecher gestattet nur Single Wiring. Das macht zwar den meist klanglich gewinnbringenden Betrieb von zwei Kabeln oder Endstufen unmöglich, doch gleichzeitig verhindert diese Lösung die Verwendung von billigen Blechbrücken. Und ganz im Ernst: Wie oft kommt in dieser Preisklasse Bi-Amping vor? Oder ein »richtiges« Bi-Wiring mit guten Kabeln? Eben. Und solange ein gutes Kabel besser klingt als zwei billige, ist Dalis Entscheidung nur zu begrüßen, zeugt sie doch von der Einsicht, dass in dieser Preisklasse üblicherweise ohnehin am Zubehör einer Anlage gespart wird. 

Sauber in die Oberfläche eingepasst, der Hochtöner gar in einer silberfarbenen Blende, sitzen auf der Front der Lektor 6 drei Chassis, die allesamt hauseigene Entwicklungen sind. Vor allem die beiden Konusse stechen mit ihren rostroten Membranen ins Auge. 

Diese etwas über 16 Zentimeter durchmessenden Treiber laufen zunächst gemeinsam durch Bass und untere Mitten, bei 700 Hertz verabschiedet sich der untere Treiber und überlässt seinem Kollegen allein das Feld. Ist diese Aufteilung noch relativ üblich, verließen Dalis Entwickler bei der Wahl des Membranmaterials die ausgetretenen Pfade und erkoren auf der Suche nach dem idealen, leichten und dämpfenden Werkstoff einen Verbund aus Holzfasern zu ihrem Liebling. Die daraus hergestellten Membrane erinnern optisch ein wenig an handgeschöpftes Papier. Die sichtbaren langen Fasern sollen zudem eine hohe Steifigkeit gewährleisten. Natürlich ist die Oberfläche noch beschichtet, um noch mehr Härte und Dämpfung ins Spiel zu bringen. Um dem Antrieb dieser interessanten Chassis etwas auf die Sprünge zu helfen und auch kleinen Verstärkern das Leben leichter zu machen, spendierte Dali den Treibern einen doppelten Magneten, der sich unter einer Schirmung versteckt.