Besonders wenn eine so vielversprechende Komponente mit einer Ausbaumöglichkeit im eigenen System ein Gastspiel gibt, ist die Verlockung groß, gleich in die Vollen zu gehen, aber zuerst soll der PA 3100 HV solo die ganze Aufmerksamkeit bekommen. Der »ernste« Teil des Musikhörens startet mit drei Jazzern vom Kiez und ihrem jüngsten Studioalbum »Beat«: Das Tingvall Trio bewegt sich auf dieser Einspielung von Toningenieur Stefano Amerio für ECM erfrischend ungeniert entlang einer fließenden Grenze zwischen klassischem Stil und populär-eingängigen Melodien. Jürgen Spiegel bearbeitet Perkussion und als solche auserkorene Gegenstände wie Eimer und Waschbrett, Omar Rodriguez Calvo spielt Kontrabass und Martin Tingvall, der alle Stücke komponiert hat, sitzt am Piano. «Spöksteg» ist ein Kontrastspiel von Tempo und Melodie, der langsame Takt wird immer wieder von schnelleren perkussiven Passagen und überschäumenden Einlagen am Piano aufgebrochen. Stellt die Wiedergabekette hierbei den roten Faden nicht ganz klar heraus, kippt die Atmosphäre des Titels, aus dem quirligen Gemenge wird ein enervierendes Chaos.

Der PA 3100 HV hingegen präsentiert die innere Ordnung des lebhaften Geschehens in aller Deutlichkeit und fügt die einzelnen Elemente so gefühlvoll zusammen, dass die mit anderer Elektronik häufig etwas zusammenhanglos und hektisch wirkenden Klaviermelodien als schlüssig eingebundene Variationen unverkennbar werden. Beim anschließenden Titelsong kann sich der PA 31000 HV voll und ganz auf die innere Ruhe dieser Komposition einlassen und transportiert sie mit beispielhaftem Feinsinn für Rhythmus und Pausen zum Hörer. Während die Musik kontemplativ und vital dahinfließt, verliert man vor Ablauf der knapp vier Minuten Spieldauer das Zeitgefühl. Verantwortlich dafür ist eine Balance von Durchzeichnung und Überblick, eine hochmusikalische Spielweise, die keine einzelne Qualität in den Vordergrund stellt. Der PA 3100 HV schafft über alle Details zweifelsfreie Klarheit, aber genau das fällt eigentlich erst im Nachhinein auf – zu selbstverständlich wirkt sein Vortrag, als dass er die Aufmerksamkeit auf spezifische Charakteristika lenken würde, während Martin Tingvall leichtfüßig über die Klaviatur tänzelt.

Den Turbo zuschalten

Bisher habe ich aus gutem Grund noch nichts über die durchaus beeindruckenden Kraftreserven dieses Verstärkers gesagt, denn sie darf man aufgrund seiner Konstruktion erwarten. Dennoch ist spektakulär, sie bei vollen Einsätzen des Utah Symphony Orchestra zu erleben: Wenn viele Vollverstärker zum Ende der Symphonischen Tänze von Rachmaninow die letzte Luft aus ihren Lungen pressen, hat der PA 3100 HV noch reichlich Reserven und lässt die Dali Epicon 6 so kraftvoll ausatmen wie in meiner Anlage noch kein Integrierter vor ihm. Die bisherigen Vorstellungen haben die Spannung auf den Effekt des PS 3000 HV nur gesteigert und werfen mir ob ihrer Souveränität umso mehr die Frage auf, wieviel da noch gehen wird. Also nichts wie Probieren statt Spekulieren und ran mit dem Verbindungskabel, das mit seinem großen Querschnitt und den soliden Hochstromkontakt-Steckern bereits einen gewissen Respekt einflößt. Das PS 3000 HV hat ebenfalls zwei große Zeigerinstrumente, die – je nach Einstellung im Menü des Verstärkers – die aktuell abgegebene Stromstärke, die Versorgungsspannung oder das Level der Netzstörungen anzeigen. Wer je sehen möchte, dass sich dort deutlicher sichtbar etwas regt, sollte die Anzeige der Versorgungsspannung auswählen.

Der amerikanische Pianist Hyperion Knight hat zusammen mit dem von Wilson Audio gegründeten Label Wilson Audiophile das Album »Music Of Chopin« eingespielt. Die Interpretation der darauf enthaltenen Ballade Nr. 4 in f-moll ist ein musikalisches Glanzstück, das der PA 3100 HV zuvor bereits sehr gefühlvoll nahegebracht hat. Der Flügel erklang mit authentischer Größe abgebildet, scharf umrissen und sehr dynamisch, zugleich körperhaft und stabil positioniert – der 3100er meistert diese anspruchsvolle Aufgabe vollkommen tadellos. Mit externem Netzteil allerdings gewinnt die Darbietung derart deutlich an Klarheit, dass es mir kurz fast die Sprache verschlägt. PA 3100 HV und PS 3000 HV spielen zusammen mit nochmals wesentlich feineren dynamischen Abstufungen, einer spürbaren Portion mehr Gefühl für Rhythmus und Tempo. Verklingende Noten funkeln intensiver, das Instrument klingt holziger und dessen Konturen wirken viel feiner nachgezeichnet. Das Duo stellt den Flügel mit solcher Energie in den Raum, dass ich nicht widerstehen kann, mich zu vorgerückter Stunde in Richtung einer Live-ähnlichen Lautstärke zu bewegen. Es sei noch einmal betont: All das macht der Verstärker allein bereits hervorragend, aber mit Netzteil spielt der PA 3100 HV einfach noch eine Liga höher. Die Frage, ob sich die erhebliche Zusatzinvestition in das PS 3000 HV wirklich lohnt, lässt sich nur vorbehaltlos mit »Ja« beantworten.