Und der Klang?

Um es vorwegzunehmen: Die Q900 spielt atemberaubend, einfach sensationell. Hier stimmt einfach alles – halt, fast alles, doch dazu später. Ob Tonalität oder Abbildungspräzision – die großen Qs bieten kurz gesagt eine sagenhafte Authentizität. Ein untrügliches Indiz für eine gute HiFi-Anlage ist, wenn man vom  Nebenraum aus einer sauber eingefangenen Live-Aufnahme lauscht und einem das musikalische Geschehen das Gefühl vermittelt, als würde im Hörraum ein Live-Konzert stattfinden. So geschehen mit der Q900: Wenn Patricia Barber »If This Isn´t Jazz« zum Besten gibt und das Publikum zwischendurch Beifall bekundet, dann ist das schon sehr real. Sitzt man mittig vor den Lautsprechern, ist das Gefühl, mittendrin statt nur dabei zu sein, noch einmal eine ganz andere Nummer.

Patricia Barber steht dann wie festgenagelt vor der Hörjury, während die Schwingungen des gezupften akustischen Basses Ton für Ton den Hörraum durchdringen. Oder nehmen wir »Bye Bye Blackbird« mit Klavier, Bass und Perkussion sowie Mrs. Barber am Mikrofon. Das zarte Zischeln des Besens, der eindrückliche Bass und vor allem das Tasteninstrument klingen einfach so, wie man es live kennt. Das klare Perlen der Klaviertasten ist eine Herausforderung für jeden Lautsprecher.

Qualitäten im Ganzen und im Detail

Die KEF Q900 beherrscht das harte Anschlagen sowie das Nachklingen der Tasten mit der richtigen Dosierung der Obertöne – und das so gut, wie ich es seit langem nicht mehr gehört habe. Bravo. Aber auch die weniger intime Darstellung etwa eines großen Orchesters à la »Bilder einer Ausstellung« von Modest Mussorgsky beherrschen die Standboxen mit Bravour. Üblicherweise klingen solch komplexe Instrumentierungen insbesondere bei Tutti eher flach, ohrenscheinlich weniger detailliert.

Die KEFs gehen hier nuancierter zu Werke. Die verschiedenen Instrumentengruppen werden differenzierter, klarer herausgeschält und führen den Zuhörer näher an das Live-Erlebnis heran. Vor allem die plastische räumliche Abbildung des Geschehens ist eine Ohrenweide. Man muss nicht erst die Augen schließen, um sich im Konzertsaal zu wähnen.

Das sind also die perfekten Lautsprecher? Beinahe – wenn, ja wenn da nicht der enorm kräftige Tieftonpart wäre. Bis vielleicht 100 Hertz hinunter intonieren die Briten nahezu perfekt, aber darunter scheiden sich die Geschmäcker. Nicht dass der Tiefbass schlechter Qualität wäre, nein, die Tiefen haben Kontur. Aus audiophiler Sicht würde ich sagen: drei Dezibel weniger wären das richtige Maß an Tiefendosis. Doch wer es gern kräftig mag, der wird die Q900 dafür lieben – garantiert und angesichts der Gesamtperformance gibt es auch an einem »überragend« nichts weiter zu rütteln.