Gleich zu Beginn wartet das Supertramp-Reissue von Speakers Corner mit einer Überraschung auf. Ich habe das Stück »School« in der Vergangenheit nun wahrlich schon oft gehört, aber dieses einleitende Grummeln von streicherähnlichen Klängen nach den ersten Mundharmonika-Seufzern war mir noch nie so deutlich aufgefallen. »Bloody Well Right« ist ein Stück mit Ecken und Kanten. Und da steht der Spirit Classic wie ein Fels in der Brandung. Feine Keyboard-Anschläge, mächtige Drummbeats und tonal sehr präsente Vocals lassen ein fast lupenhaftes Hörerlebnis zu. Der kontrollierte Bass und die filigran differenzierten Mitten-Höhen sind im wahrsten Sinne des Wortes eine Wucht.

Das längste Stück auf dem Album ist »Rudy« auf der B-Seite, und das hat wirklich Klasse. Kompositorischer Einfallsreichtum, brachiale und rasante Passagen wie konzertant-romantische Momente meistert der Titan-Mylar-Converter des Focal einfach souverän. Diese Supertramp-Scheibe ist schon ein echtes Schmankerl. Sowohl Feinzeichnung als auch Gesamtdynamik sind einfach phänomenal. Wie hatte sich doch Rolf Biermann einst über seine stürmische Kombination aus Gesang und Tönen sinngemäß geäußert: »Ich schmeck' den Text auf der Zunge und bewege ihn zwischen den Lippen.« Das trifft es ganz gut. 

Neuer Glanz für Klassiker

Mit sparsam instrumentierten Balladen zielt Bob Dylans »Blonde On Blonde«-Lyrik in eine ähnliche Richtung. Die Songtexte und die Musik des Mundharmonika- und Gitarrenbarden suchen nicht nur musikalisch ihresgleichen, sie offerieren auch in Sachen HiFi-Mastering beindruckende Ergebnisse. Dieses Album gehört für mich zu meinem persönlichen »tonalen Weltkulturerbe«.

Bob Dylans poetische Wahrheitsliebe und Wunschträume gehen hier Hand in Hand. Vehement, im Stile einer Marschkapelle, wischt er sämtliche Folk-Traditionen zur Seite, lacht dabei über sich selbst – und provoziert ein Wortspiel mit eigenbrötlerischen Phrasen im Heilsarmee-Genre. Bei »Blonde On Blonde« bindet er mich mit all den Nebengeräuschen und Begleitinstrumenten als Hörer und Beobachter ein – und der Focal-Kopfhörer vermittelt diese Straßenkulisse authentisch.

Ein sarkastischer Boogie-Woogie – natürlich mit einem Piano als tempobestimmendem Element und elektrisch dominanten Saitenzupfern –  veranschaulicht Bob Dylans Persiflage über den Materialismus in »Leopard-Skin Pill-Box Hat«. Sein sprödes Timbre wirkt über den Spirit Classic niemals nervig oder angestrengt. Auch die schneidigen Gitarrenriffs haben ihren eigenen Charme. Das wenig fokussiert-gestylte Cover ist da kein Widerspruch und künstlerisch durchaus so gewollt. Das erste Doppelalbum der Pop-Geschichte hat eben auch visuell einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen.