Nach diesem Auftakt musste ich mich fast schon zwingen, nicht weiter dem genussvollen Hören zu fröhnen, sondern meiner Aufgabe als Test-Autor mit seriöser Arbeit nachzugehen und mit passender Musik die Stärken und Schwächen des Marantz CD 60 auszuloten. Dazu habe ich einen Song ausgewählt, den ich viel zu selten höre, denn er ist ein wahres Kunstwerk: »Brothers in Arms« vom gleichnamigen Album der Dire Straits. Das Gewitter im Intro kommt ganz weit aus den Tiefen des Raums, das Grollen ist beängstigend, dann setzt Mark Knopflers Gitarrenspiel ein: langsam, jeden Ton modulierend, klar nach vorne vom Gewitter abgegrenzt, einfach unheimlich toll gespielt. Und genau so gibt der CD 60 die Musik wieder – fließend, farbig, den Tönen die nötige Zeit zur Entfaltung gewährend.

Musik mit Raum und Luft

Der CD 60 harmoniert hier perfekt mit seinem Verstärkerbruder Model 40n – das Ziel dieser Kombi ist es ja, den Besitzer näher zur Musik, näher zur Kunst zu bringen. Okay, es gibt Gerätschaften, die mehr Auflösung anbieten, die den Raum vielleicht noch etwas präziser ausloten, aber ich kenne keinen CD-Player in dieser Preisklasse, der einen so in die Musik hineinzieht, der so farbenfroh musiziert. Das heißt aber nicht, dass er sich vom Pfad der neutralen Tugend wegbewegt – nein, aber der CD 60 bietet der Musik Raum und Luft zur Entfaltung und lässt den Hörer genussvoll in ihr schwelgen.

Das Soloalbum »Walk Into Light« des von mir seit meiner Jugend verehrten britischen »Rattenfängers« Ian Anderson von Jethro Tull erweist sich als weiteres sehr gutes Beispiel für die Ehrlichkeit und integrierenden Qualitäten des CD 60. Die 1983 herausgekommene CD ist ein absolut abschreckendes Exemplar der damals ach so modernen Technik:  dünn und flach abgemischt, eigentlich nur im Auto zu genießen – aber wirklich großartige Musik. Der CD 60 zeigt klar und deutlich, was da für ein Murks in den Handel kam, aber er deutet auch an, dass musikalische Substanz verewigt wurde. Beim Song »Different Germany« arbeitet der Marantz die melancholische Stimmung heraus, die Ian Anderson beschleicht, als er das nach der Kohlschen »geistig moralischen Wende« veränderte Deutschland als für sich geschlossen betrachtet.

Zum Schluss habe ich eine sehr gut aufgenommene und produzierte CD eingelegt: »The Colours You See« vom Gautier Toux Trio: Das ist wirklich toll gemachter, intensiver Jazz – und ich habe einfach nur noch die Musik genossen, Ton für Ton.