Schon lange haben wir Dresden hinter uns gelassen. Gefühlte Stunden fuhren wir auf der polnischen Autobahn, jetzt liegt das Tatra-Gebirge vor uns. Längst haben sich Hase und Igel eine gute Nacht gewünscht. Gut einhundert der insgesamt 1.300 Kilometer langen Strecke liegen indes noch vor uns. Mit jedem Meter schwindet unsere Erwartung, am Zielort Prešov eine hochmoderne Fertigungsstätte für Audio-Elektronik zu finden, denn in dieser Gegend macht man doch winters wie sommers eher Urlaub. Mit Gedanken über röhrenbestückte Verstärker, CD-Player und Phono-Vorstufen klingt ein langer Tag aus.

Der folgende Vormittag beginnt mit dem Besuch des Hauptsitzes von Canor. Geschäftsführer und Chefentwickler Zdeňek Březovják nimmt uns in Empfang. Seit 1994 fertigt sein Unternehmen an mehreren Standorten in der Stadt hochwertige HiFi-Elektronik. Schnell wird deutlich, dass der Slowake das Wort »Zulieferer« nicht wirklich schätzt. Denn nur für das, was im eigenen Verantwortungsbereich liegt, hat man die volle Kontrolle über die Qualität, erläutert er uns, ganz abgesehen vom zusätzlichen Preisvorteil. Seinen ersten eigenen Verstärker konzipierte er 1995, das war ein mit Röhren arbeitendes Modell, das die Bezeichnung TP101 trägt. Offen gibt Zdeňek Březovják zu, dass die Vermarktung der eigenen Produkte keinerlei Priorität genossen habe – der Fokus des Unternehmens lag bis 2019 ganz klar auf dem OEM-Geschäft.

Gegründet wurde Canor bereits im Jahr 2000. Aktuell gibt es in zwei Serien Vollverstärker, CD-Player und Phono-Vorverstärker, die weltweit vertrieben werden. Insbesondere der amerikanische und der chinesische Markt generieren dabei hohe Umsätze, wie Zdeňek Březovják berichtet. In der 2.10-Baureihe kommt in Kürze ein sehnlich erwarteter D/A-Wandler hinzu, der mit Sabre-Chips bestückt DSD512 und PCM bis 384 Kilohertz inklusive MQA beherrschen wird. Bei diesem DAC kann die Ausgangsstufe zwischen Röhre und Transistor umgeschaltet werden, es wird eine Upsampling-Option geben, und schließlich kann der Klang auch noch durch unterschiedliche Digitalfilter beeinflusst werden. Mit dem Vorverstärker Hyperion (der »Titan des Lichts«) und den Mono-Endverstärkern Virtus will Canor sich im kommenden Jahr einen festen Platz im weltweiten Verstärker-Olymp sichern. Während unseres Besuchs bekamen wir eine erste, exklusive Vorführung der neuen High-End-Elektronik.

Canor beschäftigt heute knapp 100 Mitarbeiter, die nahezu jeden Herstellungsschritt im Haus erledigen können. Zu verarbeitende Metalle, elektrische Bauteile, Platinenboards sowie die von Canor wegen ihrer Klangqualität geschätzten Röhren werden allerdings zugeliefert. Wer durch die mehrere hundert Meter lange Fertigung läuft, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Da wird jede einzelne Röhre nach einem stundenlangen Einbrennprozess mit einem eigens entwickelten System namens Aladdin gemessen und katalogisiert. In der Fertigung kommen dann nur zueinander passende Röhrensätze zum Einsatz. Besteht Jahre später Ersatzbedarf, kann ein passender Glimmkolben sicher organisiert werden. All diese akribischen Schritte konnte sich i-fidelity.net aus nächster Nähe anschauen.

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