mit Diplom-Ingenieur Frank Blöhbaum

i-fidelity.net:   Herr Blöhbaum, hätte man einen ähnlichen Klang auch mit FET-Transistoren erreichen können?

Frank Blöhbaum:   Grundsätzlich strebe ich danach, einen Verstärker zu bauen, der das Originalsignal möglichst wenig verfälscht – der berühmte verstärkende Draht. Schaltungen entwerfe ich immer unter Einsatz moderner Simulationstools wie zum Beispiel »Spice«, die dafür notwendigen Röhrenmodelle entwickle ich selbst. Messungen erfolgen mit meinem Rohde & Schwarz UPL – in puncto Schnittstellen und Bedienung nicht gerade modern, aber für komplexere analoge Messungen wie Spektralanalyse über Aussteuerung und Frequenz ist das nach wie vor eines der besten und zuverlässigsten Geräte.
Zuerst müssen die Verstärker technisch einwandfrei sein – dann kommt das Hören. Klang ist dabei etwas Relatives und jeder ambitionierte Hörer versteht darunter etwas anderes. Meine Verstärker sollen über Kraft und Kontrolle verfügen, also einen kräftigen, aber dabei sauberen Bass reproduzieren. Die Hochtonauflösung muss gleichzeitig möglichst klar und fein aufgelöst sein, ohne Härten aufzuweisen. Also ohne analytische Kälte oder Schärfe, eine möglichst hohe Durchsichtigkeit des Klangbilds...
Unvermeidliche Abweichungen vom Konzept des »verstärkenden Drahts« sollten so sein, dass sie unser Hörempfinden nicht beeinträchtigen. Das bedeutet, dass Verzerrungen möglichst niedrig sein sollen und auf diesem kleinen Niveau eine Struktur aufweisen, die von unserem Ohr als angenehm empfunden wird. Ich setze Röhren also nicht ein, um zu sounden, sondern um einen möglichst linearen Verstärker zu realisieren. Damit unterscheide ich mich sicherlich vom harten Retro-Kern der Röhrenliebhaber.
Warum setze ich für einen möglichst linearen beziehungsweise möglichst sauber verstärkenden Amp lieber Röhren ein als FETs? Dafür gibt es mindestens zwei Gründe. Erstens: Röhren werden mit vergleichsweise hohen Betriebsspannungen betrieben. Bei einer Anoden-Kathoden-Spannung von beispielsweise 150 Volt ist ein Tonsignal von 10 Volt an der Anode immer noch eine Kleinsignalaussteuerung in einem linearen Bereich der Kennlinie, die bei geeigneter Auswahl von Röhrentyp und Arbeitspunkt eine verzerrungsarme Verstärkung ermöglicht. Bei einem FET mit typisch 15 Volt Drain-Source-Spannung haben wir dagegen ganz andere Größenordnungen; da bedeuten 10 Volt ein signalabhängiges Durchlaufen von großen Teilen der Kennlinie unter Mitnahme der Bereiche, in denen bereits erhebliche Signalverzerrungen auftreten. Diese Verzerrungen sind unsymmetrisch und aussteuerungsabhängig. Mit einer Verstärkerstufe gibt es kräftig k2, mit zwei dieser Verstärkerstufen entstehen k3 und höhere Anteile. FETs sind deshalb geeignet für die Verstärkung sehr kleiner Signalpegel, zum Beispiel in MC-Vorverstärkern für die Phonostage. In Line-Level-Amps sind Röhren meiner Meinung nach die bessere Wahl.
Zweitens: Röhren haben deutlich geringere parasitäre Kapazitäten als FETs. Diese Kapazitäten sind zudem nicht konstant, sondern spannungsabhängig – also abhängig von der aktuellen Signalamplitude. Auch das führt bei FETs zu unsymmetrischen und aussteuerungs- und zudem frequenzabhängigen Verzerrungen. Man kann das natürlich minimieren, durchaus auch auf ein kaum noch messbares Niveau – aber dafür ist dann ein sehr viel größerer Schaltungsaufwand notwendig als mit der vergleichsweise einfachen Röhrenschaltungstechnik. Und einfacher ist meistens besser...
Zusammengefasst führt die Verwendung von FETs statt Röhren in Line-Stufen zu Verzerrungen, deren Struktur sich aussteuerungs- und frequenzabhängig ändert. Damit ändert sich der Klang, besser gesagt die Klangfarbe mit der Lautstärke und der Frequenz. Technisch gesprochen verändert sich das Oberwellenspektrum sowohl in seiner absoluten Höhe als auch im Verhältnis der Oberwellen zueinander mit der Aussteuerung und der Frequenz. Da Musik typischerweise nicht aus eingeschwungenen Sinustönen besteht, sondern aus einer Abfolge von Impulsen, haben wir bei Verwendung von Verstärkerstufen jenseits des Kleinsignalbetriebs, was typisch für einfachere Halbleiterschaltungen ist, extrem gesprochen einen komplexen Oberwellenmodulator, dessen Ausgangsspektrum sich mit dem momentanen Musiksignal ständig ändert. Das führt zu einem als unruhig empfundenen Klangbild. Das möchte ich vermeiden, deshalb der Einsatz von Röhren.


i-fidelity.net:
   Warum nehmen Sie zweimal den Röhrentyp 6N1P und einmal ECC 83?

Frank Blöhbaum:   Der Arbeitspunkt und die Nutzung bestimmter Kennlinienbereiche ist entscheidend für einen möglichst linearen Verstärker. Die ECC83 wird als erste Verstärkerstufe eingesetzt. Sie ermöglicht bei einfacher Schaltungstechnik eine hohe Verstärkung. Mit guter Linearität kann sie aber nur betrieben werden, wenn die Pegel moderat sind. Das ist bei der ersten Verstärkerstufe der Fall und wird zusätzlich durch die verwendete Schaltungstechnik mit lokaler Gegenkopplung abgesichert. Die zweite Verstärkerstufe, in der höhere Signalpegel auftreten, sowie der Treiber für die Endstufe wurden mit der 6N1P realisiert. Diese Röhre kann gegenüber der ECC83 über deutlich größere Bereiche der Kennlinie mit sehr guter Linearität ausgesteuert werden. Die 6N1P hat gegenüber der ECC83 die größeren Reserven bezüglich Aussteuerfähigkeit, wenn eine möglichst saubere Verstärkung im Vordergrund steht. Als Treiberröhre ist die 6N1P ideal, da sie zudem über sehr kräftige Kathoden mit großer Emissionsfläche verfügt. Die Kathoden erinnern an die von Endröhren wie etwa der EL84. Folgerichtig war die 6N1P auch für Impulsanwendungen zugelassen mit Impulsströmen von bis zu 2 Ampere. Im SV-237 kommen typischerweise die Langlebensdauerversionen 6N1P-EW oder 6N1P-WI zum Einsatz.
In einer Sonderserie wird anstelle der 6N1P die amerikanische 6BQ7A als JAN- für Joint Army Navy qualifizierte Röhre, also als besonders langlebige Militärröhre mit einer Lebensdauer über 10.000 Stunden im SV-237 ohne Preisaufschlag eingesetzt werden. Die JAN 6BQ7A und die 6N1P können im SV-237 ohne Änderung gleichwertig verwendet werden. Die JAN 6BQ7A sind originale »Made in U.S.A.«-Röhren.
Alle Röhren werden weit jenseits ihrer Grenzdaten und mit geregelter Betriebsspannung betrieben, so dass eine sehr lange Lebensdauer von typisch mehr als 20.000 Stunden erwartet werden kann – für die meisten Besitzer eines SV 237 wird ein Röhrenwechsel nie nötig sein. Falls doch, gibt es bei Sintron ein gut gefülltes Lager an Röhren für den SV-237.


i-fidelity.net:   Was verstehen Sie unter einer Phasenreserve von 90 Grad in der Endstufe?

Frank Blöhbaum:   Die Endstufe ist lokal gegengekoppelt. Im Gegensatz zu manchen Ihrer Fachkollegen bin ich der Überzeugung, dass gegengekoppelte Verstärker sehr wohl hervorragend Musik wiedergeben können – man muss es nur richtig machen. Grundsätzlich lege ich Verstärker so aus, dass sie bereits im nicht gegengekoppelten Zustand absolut stabil und sehr verzerrungsarm laufen. Dazu realisiere ich eine hohe Bandbreite mit hoher Phasenreserve – beides gleichzeitig zu haben, ist die eigentliche Schwierigkeit beim Design gegengekoppelter Verstärker! Wenn dann die Gegenkopplungsschleife geschlossen wird, erhält man fast immer einen Verstärker mit herausragend guten klanglichen Eigenschaften. Die Phasenreserve bestimmt das Einschwingverhalten des gegengekoppelten Verstärkers. Bei einer nicht vorhandenen Phasenreserve wird aus einem Verstärker ein Generator – es schwingt. Bei 30 Grad Phasenreserve ist ein Verstärker zwar stabil, aber eine impulsförmige Signalanregung führt zu einem »Ausklingeln« des Ausgangssignals, es gibt aperiodische Ausschwingvorgänge, die natürlich klanglich sehr schädlich sind. Eine Phasenreserve von 90° ist ideal, da es so keinerlei Überschwinger und ein perfektes Impulsübertragungsverhalten gibt. Zudem ist der Verstärker dann auch mit kapazitiven Lasten wie exotischen Lautsprecherkabeln nicht aus der Ruhe zu bringen. Die meisten gegengekoppelten Verstärker am Markt haben eine Phasenreserve von 60 Grad oder weniger und reagieren empfindlich auf komplexe Lasten. Die Realisierung einer hohen Phasenreserve von idealerweise 90 Grad – bei hoher Bandbreite – ist also die entscheidende Voraussetzung für einen gut klingenden, gegengekoppelten Verstärker. Das bedeutet aber auch Aufwand in der Schaltungsentwicklung.
Etwas ketzerisch formuliert: Es ist deutlich schwieriger, einen sauber durchentwickelten, gegengekoppelten Verstärker zu realisieren als einen nicht gegengekoppelten. Bei fehlender Gegenkopplung wirken sich Designfehler zum Beispiel im höherfrequenten Übertragungsbereich nicht so gravierend aus, es besteht beispielsweise keine hochfrequente Schwinggefahr. Dafür ist die erreichbare Sauberkeit der Wiedergabe unnötig eingeschränkt. Man muss schlicht deutlich mehr Zeit investieren, um einen sehr guten gegengekoppelten Verstärker zu realisieren. Wenn man das tut und auf die entscheidenden Parameter wie Bandbreite, Phasenreserve, Arbeitspunktstabilität achtet, ist der gegengekoppelte Verstärker meistens die klanglich bessere Alternative – und er ist flexibler an verschiedensten Lautsprechern einsetzbar. Stichwort: Dämpfungsfaktor und Lautsprecherkontrolle.


i-fidelity.net:
  
Wie sind die Endstufen aufgebaut?

Frank Blöhbaum:
   Die Endstufenstruktur ist ein komplementärer Leistungsverstärker mit Differenzverstärker im Eingang. Dieser Differenzverstärker ist eine stromquellengestützte Kaskode und wurde ausschließlich mit diskreten JFET-Transistoren vom Typ 2SK170 realisiert. Der 2SK170 ist ein extrem rauscharmer JFET-Transistor, der eigentlich mal für MC-Pre-Preamps entwickelt wurde. Zusätzlich hat er sehr kleine Kapazitäten und ermöglicht die Realisierung linearer Verstärker mit sehr hoher Bandbreite.
Als Leistungstransistoren wurden sehr schnelle Bipolartransistoren modernster Bauart eingesetzt. Mit dieser Grundstruktur wird einerseits eine hohe Open-Loop-Bandbreite sichergestellt, andererseits wird das Übertragungsverhalten der Endstufensektion maßgeblich von der Stufe bestimmt, die das Eingangssignal mit einem Teil des Ausgangssignals – Stichwort Gegenkopplung – vergleicht und etwaige Fehler der Leistungstransistoren korrigiert. Hier muss ich nochmals betonen, dass das erste Designziel immer ist, diese Fehler schon ohne irgendwelche Korrekturmaßnahmen durch geeignete Bauteileauswahl sowie Schaltungsauslegung und Wahl der Arbeitspunkte so gering wie möglich zu halten. Die Korrektur dieses geringen verbleibenden Restfehlers erfolgt beim SV-237 maßgeblich durch den JFET-Kaskode-Differenzverstärker, der wiederum eine röhrenähnliche Übertragungscharakteristik hat und so optimal an den reinen Röhrenvorverstärker im SV-237 angepasst ist – volkstümlich gesprochen wird der Röhrenklang nicht vom Transistorverstärker versaut.
JFET-Transistoren sind zwar vorzüglich für Audio geeignete Transistoren, haben aber den Nachteil relativ hoher Serienstreuung ihrer statischen Parameter wie der Gate-Source-Cutoff-Spannung. Das führt beim Einsatz im Differenzverstärker unter Serienbedingungen ohne weitere Gegenmaßnahmen zu erhöhten Offset-Spannungen. Auch dann, wenn wie im SV-237 selektierte Paare eingesetzt werden. Im SV-237 kommt deshalb zusätzlich eine aktive Servoregelung zum Zuge, die den DC-Offset am Ausgang der Endstufe überwacht und entsprechend korrigiert.
Nochmals zum Leistungstransistor: Die Wahl des Bauteil-Typs hängt von der geplanten Schaltungsstruktur ab. Ich bin da völlig undogmatisch und setze das ein, was in der jeweiligen Schaltungsstruktur optimal ist. So finden Sie in den bisher von mir realisierten Verstärkern auch so ziemlich alles, was der Markt hergibt: MOSFETs, Bipolar-Transistoren, Röhren und sogar IGBTs (für Insulated Gate Bipolar Transistor; Transistor mit isolierter Gate-Elektrode; die Redaktion) habe ich schonmal experimentell verwendet. Der Einsatz von Bipolar-Leistungstransistoren im SV-237 bedeutet deshalb nicht, dass ich in der Zukunft diesen Transistortyp grundsätzlich bevorzugen würde. Für die direkte Ansteuerung des Leistungstransistors mittels Röhre würde ich zum Beispiel immer einen MOSFET einsetzen – schon deshalb, weil eine Röhre ein schlechter Stromtreiber ist. Aber darüber kann man einen eigenen Fachartikel schreiben.


i-fidelity.net:
   Können Sie die grundlegenden Merkmale des SV-237 zusammenfassen?

Frank Blöhbaum: 
  Auslegung aller Verstärkungsstufen sowohl im Vorverstärker- als auch im Leistungsteil derart, dass ein Höchstmaß an Aussteuerungsreserve und Stabilität besteht, wobei die Reserven für bestmögliche Wiedergabetreue – Stichwort: Kleinsignalaussteuerung – eingesetzt werden. Dazu kommt eine großzügige Auslegung des Netzteiles und eine aufwendig geregelte und rauscharme Hochspannungsversorgung für den Röhrenvorverstärker sowie eine ebenfalls sehr großzügige Dimensionierung der Kühlkörper für die Leistungstransistoren. Im Gegensatz zu etlichen Konkurrenzgeräten gelten die angegebenen Ausgangsleistungen auch im Dauerbetrieb. Ziel war die Entwicklung eines kräftigen Verstärkers mit feiner Hochtonauflösung, der Spaß beim Musikhören vermittelt – zu einem fairen Preis.

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