Hitzewelle

Für den Hörtest kam als Ergänzung eine seit vielen Jahren bewährte SA 31 MK aus dem Vincent-Sortiment zum Einsatz. Der sehr hochwertige Vorverstärker ist gleichsam in hybrider Technologie aufgebaut, verwendet ebenfalls 6N16-Röhren und passt auch vom Preisgefüge perfekt zur SP 20. Sechs Eingänge stehen für Line-Quellen bereit, die zusammen mit der Lautstärke auch über eine massive Fernbedienung angewählt werden können. Bei der Inbetriebnahme der Endstufe fällt zuerst positiv auf, dass der Einschaltvorgang verzögert vonstatten geht und nicht durch einen mächtigen Knackser verschreckt. Weniger schön: Das Gerät wird sehr schnell sehr heiß – und bleibt auch heiß. Gerade in der herbstlichen Übergangszeit war diese wärmespendende Eigenschaft im Hörraum durchaus willkommen, der Stromzähler jedoch jubelte über reichlich Beschäftigung. Das ist nicht mehr zeitgemäß, aber offenbar der Preis, den man buchstäblich für das Leistungspotential der SP 20 zu zahlen hat.

Die Hör-Sessions starten mit »Green And The Blue« aus dem Album »Hard Believer« von Fink via Mac Mini/Amarra sowie über einen mit einem externen S-Booster-Netzteil versorgten Musical Fidelity-DAC. Der Titel beginnt sehr reduziert mit Stimme und Gitarre – und der erste Eindruck ist gleich: Das passt. Genauso muss die charakteristische Gesangsstimme von Fink klingen: etwas gebrochen, leicht gepresst, absolut herzerwärmend. Gleiches gilt für die Gitarre: Wir hören eine amtlich abgemischte Akustikgitarre inklusive Nachschwingen der Saiten und Übertragung der Geräusche beim Umgreifen. Der vielstrapazierte Begriff von »Natürlichkeit« lässt sich hier beim besten Willen nicht vermeiden und erhält neue Nahrung, wenn das Drum-Kit einsetzt. Kick, Becken und Snare erfahren hier eine tonale Abbildung, die sich mit meinen gespeicherten Erinnerungen an ein echtes Schlagzeug 1:1 decken.

Und noch etwas kommt hinzu: Kraft

Wenn das Schlagzeug mit kräftigem Tritt in die Bassdrum einsetzt, stellt die Endstufe das mit entsprechender Autorität und Wucht dar. Wieder einmal wird klar gezeigt, dass die Verwendung einer Hochleistungs-Endstufe nicht nur unter dem Aspekt des potentiellen Partypegels von Vorteil ist. Vielmehr offenbart sich schon bei sozial kompatiblen Lautstärken folgende Gewissheit: Allein ein mögliches innewohnendes Leistungsvermögen sorgt für eine besondere Dynamik im Musikerlebnis. Wenn Kraft durch Impulsspitzen kurzzeitig gefragt wird, ist sie mühelos da – und darüber hinaus gibt es immer reichlich Reserve in der Hinterhand. Auch das ist ein Grund für die besondere Ruhe und Unaufgeregtheit, welche die SP 20 akustisch ausstrahlt. Diese souveräne Endstufe vermittelt nicht den Eindruck, dass selbst besonders anspruchsvolle Lautsprecher sie vor Probleme stellen könnten.

Auffällig wird auch das grandiose Ausmaß der abgebildeten Bühne – und zwar in jeder Dimension. Die Musik kommt überhaupt nicht mehr aus zwei deutlich zuzuordnenden Lautsprechern, sondern lebt im ganzen Raum. Es ist wie der Unterschied zwischen einem Flachbildschirm zu Hause und einem Kinobesuch: Das Bild ist in Breite wie Höhe einfach größer, mit mehr Tiefe, ohne begrenzende Ränder – und wirkt dadurch einfach glaubhafter. Man ist nicht bloß Zuhörer in einem künstlich geschaffenen Szenario, sondern versinkt sehr real im Klangbild. Mittendrin statt nur davor.

Durchsichtigkeit

Interessanterweise gehen die bisher offenbar gewordenen Vorzüge der SP 20 nicht auf Kosten der Transparenz. Das zeigt sich, wenn der Fink-Song im Verlauf mächtig aufdickt und Stimme sowie Instrumente durch einen tiefen Hintergrundnebel von flächigen Mellotron-Keyboard-Sounds und dichten Gitarreneffekt-Wänden waten müssen. Die Einzelaspekte wie das taktgebende Ride-Becken oder die unterschiedlichen Tonhöhen der geschlagenen Tom-Toms bleiben stets destillierbar, sind Bausteine im Arrangement – ohne unterzugehen oder sich zu prominent in den Vordergrund zu drängen.