Auch ich neige manchmal zum Lamento: Wie nicht wenigen Hörern erscheinen auch mir viele Convenience-Audio-Technologien als Verlust an Hör- und damit an Lebensqualität. Neulich hatten wir Besuch, und mein Gast zeigte sich vom Anblick meiner Anlage ehrlich beeindruckt. Sein Multiroom-System des für diese Gattung einschlägig bekannten Herstellers Sonos jedoch fände er besser, man hätte ja mehr Lautsprecher und könne mehr Räume versorgen. Ja, äh, schon recht, aber natürlich fühlt sich der High Ender in diesem Moment herausgefordert. Als ich nun meinen Gast in den Sweet Spot bat, auf dass er erführe, was Stereo eigentlich bedeutet, schien er aufrichtig erstaunt. Da steht ja ein Sänger zwischen den Lautsprechern mitten im Raum! Und wie echt!

Dabei darf man sich nichts vormachen: Neu ist das Problem keinesfalls. Selbst als die klassische Stereoanlage noch den Goldstandard abgab, hatten viele ihrer durchaus stolzen Besitzer das Prinzip des zweikanaligen Hörens nicht eigentlich begriffen. Oft standen die Lautsprecher halt dort, wo sie sich in die Einrichtung fügten. Vom Stereodreieck keine Spur. Das Schöne aber ist: Das Wunder der Phantomschallquelle erschließt sich auch heute noch. Und zwar nicht nur Novizen wie meinem Gast, sondern auch den Kennern. Und nicht nur einmal, sondern immer wieder. Die reine Magie von Präsenz, das Staunen über die räumlich ausgedehnte Illusion – mit guten Komponenten stellt es sich stets aufs Neue wieder ein.

Fast wie beim ersten Mal kann es sich zum Beispiel anfühlen, wenn der akustische Eindruck in keinem Verhältnis zur optischen Erwartung zu stehen scheint. So ist es mir mit Raidhos neuer X1t gegangen. Die hat mich sogar kalt erwischt! Zwar hatte ich inzwischen Erfahrungen mit Kompaktlautsprechern gesammelt, mehr noch, ihre oft überlegene Räumlichkeit schätzen gelernt. Kein Wunder, ein kleines Gehäuse kann sich überzeugender als ein großes aus dem Musikgeschehen zurückziehen, das Klangbild sich noch müheloser von der Box lösen. Jetzt aber stehen da sogenannte »Super Mini Monitore« – und ich stelle mich vorsichtshalber auf Kompromisse ein. Keine 15 Zentimeter breit, ganze 32 Zentimeter hoch und 23 tief, dabei acht Kilogramm leicht, ist diese Kompakte wirklich kompakt, kleiner als jede bislang von mir gehörte. Klar, da steht kein unscheinbarer Zwerg auf den elegant geschwungenen Standfüßen, sondern eine gut geformte Petite im attraktiven schwarzen Klavierlack. Eine Schönheit, keine Frage. Jedoch rät Raidho eher ab, die X1t in Räumen zu betreiben, die größer als 25 Quadratmeter ausfallen. Das gehe zu Lasten des Basses. Mein Hörraum aber misst fast 40.

Nun gut, Gehör verdient der Minimonitor dennoch. Außerdem kommt er aus gutem Hause. Vor Jahren, auf einer »High End«, war mir eine ausgewachsene Raidho derart positiv in die Ohren gefallen, dass ich mich bis heute daran erinnere. Und eine unter dem gleichen Dach, dem von Dantax, hergestellte Scansonic MB 2.5 B hatte mich zuletzt ihrer schieren Musikalität wegen begeistert. An ihrem Wohlklang war ja insbesondere der auf Raidho-Technologie fußende Bändchen-Tweeter beteiligt. Vor allem im Hochtonbereich entscheidet sich, ob ein Lautsprecher langzeittauglich ist. Bei manch eindrücklich gleißendem Wandler stellt man irgendwann fest, dass man nicht mehr aufmerksam hinhört: Listening Fatigue nennt sich dieses Phänomen, das Ohr macht förmlich zu. Um derlei auszuschließen, entwickelt und fertigt Raidho unter immensem Aufwand seine Treiber selbst. Bändchenhochtöner nehmen da eine »signature role« ein. In der X1t spielt nun der gleiche Tweeter wie in den großen Raidho-Modellen. Seine nur elf Mikrometer dünne Folie, das »Bändchen«, wird von einem Strom durchflossen und stellt damit zugleich Spule und Membran dar. Dadurch muss wesentlich weniger Masse bewegt werden, hier gar 50 Mal weniger als bei der gewöhnlichen Hochtonkalotte. Das befördert eine magnetostatenhafte Leichtigkeit und Schnelligkeit, die gehört werden will. Erst bei sagenhaften 82 Kilohertz, heißt es, stellen sich Resonanzen ein. Der Hochtöner sitzt in einer geschlossenen Kammer, die wiederum zwecks Waveguide-Effekt in einer sanft verrundeten Mulde in die Schallwand integriert ist.