Im Hörraum erwartet die Dynaudio Confidence 30 den wuchtigen Amerikaner. Verbunden mit Nordost Tyr2-Lautsprecherkabeln geht es sofort los. 2015 hat Nick Cave seinen 15 Jahre alten Sohn bei einem Unfall verloren. Seine traurigen Gedanken werden auf dem Album »Ghosteen« in unglaublicher Intensität hör- und erlebbar. Der Pass zeichnet die schwebenden elektronischen Klangflächen nicht einfach nur in den Raum, sondern lässt sie in einer Griffigkeit entstehen, die einen sprichwörtlich packt. Es ist das Gegenteil eines distanzierten Musikerlebnisses. Cave singt, und die Töne fließen in den schönsten Klangfarben, die ein Verstärker liefern kann. Genau das ist Teil des Pass-Kosmos, es klingt nicht nach Verstärker, es ist einfach Musik.

Leistung ist gnadenlos

Angesichts der 114 Watt Leistung an vier Ohm kam die Frage auf, ob das für den Betrieb mit den Dynaudios ausreicht. Hier macht der Pass in maximal vorstellbarer Weise seine Souveränität geltend. Dazu darf dann Madonnas »Madame X« ihren Beitrag liefern. Denn nach 48 Sekunden des Titels »Dark Ballet« muss jeder Verstärker Farbe bekennen. Tieftonschläge, die an ein Unterseebeben erinnern, sollten sich exakt so anhören. Im Gegensatz zu anderen Verstärkern, die diese Impulse andeuten, oder eine Stufe besser noch mit dem passenden Druck versehen, schlägt der Pass obendrein mit kontrolliert-physischer Wucht zu. Da fällt einem nicht nur beim ersten Hören die Kinnlade runter. Das Thema Leistung ist kein Thema. Wer aufgrund von Lautsprechern, Raum und Hörgewohnheiten tatsächlich noch mehr Power benötigt, kann einfach auf den größeren INT-250 wechseln.

Jegliche Form von Live-Aufnahme entwickelt per Pass ein lustvolles Suchtpotenzial. Da grooved sich Nils Landgrens Funk Unit auf »Live In Stockholm« durch die Titel und wir werden Bestandteil des Publikums. Klingt dieses Album mit anderen Verstärkern abgehört bereits nicht verkehrt, so löst der INT-60 jegliche räumliche Form der Beschränkung auf. Man kann mühelos Trompete, Bass und Schlagzeug einzeln folgen, oder sich einfach am Zusammenspiel erfreuen. Das entscheidet nicht der Verstärker, das entscheiden Sie als Hörer. Ein weiteres Kriterium ist der lebendige Rhythmus, den der Amp liefert. Er arbeitet sich nicht im Stil einer Maschine, die nur stumpf Takte abarbeitet, durch die Musik, sondern schafft eine glaubwürdige Form von Lebendigkeit, die i-fidelity.net in dieser edlen Form von einem Vollverstärker noch nicht gehört hat.

Vollends überzeugend sind Beethovens Klavier-Konzerte in einer aktuellen Einspielung als Doppel-SACD mit Ronald Brautigam. Die Besonderheit bei dieser Aufnahme ist die Nutzung historischer Flügel. Unter Leitung von Michael Alexander Willens und der Kölner Akademie ist eine hörenswerte, weil vor allem dynamische Interpretation entstanden. Mit dem Pass verschwindet tatsächlich jegliche Distanz zwischen Musik und Hörer. Da bleibt nichts, was auf der Aufzeichnung festgehalten wurde, dem Hörer verborgen. Das Interagieren zwischen Flügel und Orchester wirkt teilweise friedlich, dann wieder spannungsgeladen, aber vor allem niemals berührungslos. Mit dem Pass INT-60 kann man im Jahr des 250. Geburtstags von Ludwig van Beethoven dessen Klavierkonzerte in einer Intensität, Klangfarbe und Räumlichkeit genießen, die Maßstäbe setzend ist.