Gut zu wissen, dass ich mir das selbst eingebrockt habe; es musste ja unbedingt der 800er sein. Mit rekordverdächtigen 39 Kilogramm Gewicht in den Armen ahnte ich allerdings noch nicht, dass mich später auch Gedanken an sprachliche Superlative plagen würden. Schließlich heil im Rack angekommen, werden erst dort die wahren Ausmaße dieses Boliden deutlich: Der Nu-Vista 800 überragt alle anderen Komponenten um drei Zentimeter in der Breite und steht mit rund einem halbem Meter Tiefe sogar etwas über den Rackboden hervor. Dabei macht sich eine gradlinige Formensprache gar nicht erst die Mühe, seine schiere Physis zu kaschieren, vielmehr unterteilen jeweils zwei vertikal und zwei horizontal verlaufende Ausfräsungen die Fläche der dickwandigen, abgeschrägten Aluminiumfront und akzentuieren so ihre massive Kontur. Mit diesen Details hebt sich das Design der Nu-Vista-Serie deutlich vom zurückhaltenden Auftritt der übrigen Produktlinien aus gleichem Hause ab und sorgt für eine «sportlich» schnittige Erscheinung mit offensivem Charakter. Den unterstreicht vor allem ein wirklich besonderes Gestaltungsmerkmal: Das Frontpaneel ist seitlich mit den mächtigen Kühlrippen fluchtend eingeschnitten, sodass deren Schlitze bis nach vorn fortgeführt werden.

Auf dem Frontpaneel unterbrechen Drehregler für die Eingangswahl und die Lautstärkeeinstellung - mit dem Durchmesser einer Kaffeetasse - die strenge Linienführung, unter ihnen finden sich demgegenüber winzig anmutende Taster: Einer schaltet den Standby-Betrieb, der andere ist scheinbar extra dafür gedacht, die Beleuchtung des mittig positionierten Punktmatrix-Displays zu steuern. Die zum Lieferumfang gehörende Metall-Fernbedienung greift das Gerätedesign auf, sie hat ebenfalls eine Display-Taste und gestattet neben der Quellwahl auch die Stummschaltung. Ein Menü sucht man vergebens, denn der Nu-Vista 800 erweist sich in bestem Sinne als Verstärker alter Schule, der sich zeitgenössische Features wie die freie Benennung von Eingängen oder einen Pegelabgleich zwischen ihnen spart und erst recht keine Klangregelung vorsieht – Bravo!

Eine solche Reduktion auf das Wesentliche darf man sicherlich auch als dezenten Verweis auf den bedingungslos klangorientierten Anspruch verstehen, mit dem Firmengründer und Chefentwickler Antony Michaelson die Nu-Vista-Verstärker entworfen hat. Sie nehmen innerhalb des Portfolios insofern eine Sonderstellung ein, als bei ihrer Entwicklung - entgegen der üblichen Herangehensweise von Musical Fidelity - keine Rücksicht auf den Verkaufspreis genommen wurde. Das ist im High-End-Segment freilich weder etwas Neues, noch ein Qualitätsmerkmal an sich. Kenner der Marke dürfen das Firmencredo betreffend jedoch beruhigt sein, denn anstatt ein Statussymbol zu schaffen, wollte Antony Michaelson schlicht seinen besten Verstärker bauen. Der Nu-Vista 800 steht daher gewissermaßen auch als Vermächtnis eines leidenschaftlich engagierten Entwicklers da, der sich allmählich zurückzieht und die Geschicke seiner Firma inzwischen in treue Hände übergeben hat.