Damit bestätigten beide Musical Fidelitys, welches überragende Klangniveau sie zu realisieren imstande sind. Im Falle des via Qobuz gestreamten Titels »Red Right Hand (Peaky Blinders Theme)« von Nick Cave & The Bad Seeds im Flood-Remix faszinierten mehrere Aspekte: Die Stimme von Mr. Cave bildete das englische Gespann mit einer immensen Eindringlichkeit ab, die mich ernsthaft schaudern ließ. Eine Atmosphäre, die intensiviert wurde durch die spukende Orgel und eine ganz leise im Hintergrund agierende »singende Säge«, welche sich dank des exzellenten Auflösungsvermögens der Verstärker angemessen bemerkbar machen konnte. Und gerade als ich mich auf das düstere Stimmungsbild eingelassen hatte, treffen mich die aus dem extra schwarzen Hintergrund hervorspringenden, unheilschwangeren Glocken und mächtigen Pauken mitten ins Mark. Das hat gesessen! Extralob für die Grobdynamik! Ein hektischer Griff zur Fernbedienung sollte den Pegel minimieren, was leider ins Gegenteil führte, denn die Ingenieure haben die Lautstärkeminderung ungewohnterweise dem rechten Button zugeordnet. Das erinnert mich daran, dass die Vorstufe ursprünglich aus Großbritannien kommt, wo man ja auf der »falschen« Seite Auto fährt. Auch sonst fällt die Remote Control vom Qualitätsniveau leider ab, ist weder Hingucker noch Handschmeichler, macht aber ihren Job – wenn man sich an das Layout gewöhnt hat.

Tieftongewitter mit Dominanz

Auf der Suche nach gefälligerem Musikmaterial landete ich bei dem Titel »Living's Worth Loving« von Philippe Cohen Solal aus dem Mini-Album »Mind Food«. Auf diesem Downtempo-Chanson präsentieren PRE und PWR die mit großzügigem Pinselstrich entworfenen Streicher-Arrangements entsprechend ausladend und volltönend. Die Verstärker räumen auch den kleinen Details ihren relevanten Platz ein, etwa dem leisen Flirren der Synthesizer. Gleichermaßen klar gezeichnet und im Zentrum platziert: die sensible Darbietung der Gesangsstimme von Gabriela Arnon. Das ist deutlich kniffeliger, als es sich anhört, denn es handelt sich hier um eine extrem basslastige Produktion, bei der weniger befähigte Elektronik zarte Feinheiten einfach unter einem dominierenden Tieftongewitter begräbt. Nicht so die Kombination M6s PRE/PWR von Musical Fidelity. Sie filetiert das Klangbild sehr sauber – und langt im Bass trotzdem stramm hin. Die Tiefen kommen fulminant und »fett« – auch aus einem mit seinem 13er-Koaxialtreiber naturgemäß nicht eben als Bassmonster bekannten Monitorlautsprecher wie der KEF LS 50. Aber die PWR macht die kleinen Boxen klanglich deutlich größer, als sie de facto sind. Hier bestätigt sich wieder einmal die These, dass es viel sinnvoller ist, in einem Zimmer moderater Abmessungen anstelle von voluminösen Standlautsprechern lieber auf hochwertige Kompaktboxen zu setzen, diese dann aber mit muskulöser Qualitätselektronik zu bespielen. Nur um das klarzustellen: Mit der Kombination aus Leistung und Laststabilität könnte die Stereo-Endstufe selbstverständlich auch große Standlautsprecher mühelos versorgen.

Ihre immensen Kraftreserven machten sich noch einmal positiv bemerkbar, als ich deutlich lauter drehe, als es sozialverträglich ist. Intensität und Pegel nehmen zu, ohne dass die tonale Balance kippt, es klanglich verschmiert oder ansatzweise komprimiert klingt. Die Verstärkerelektronik von Musical Fidelity bleibt immer geschmeidig im Fluss und übermittelt so diese souveräne, leichtfüßige Unangestrengtheit, die langes, genussvolles Musikhören überhaupt erst möglich macht.