Manchmal machen Scheuklappen tatsächlich Sinn. Bei Pferden schränken sie das Sichtfeld ein und sorgen dafür, dass sie nicht unnötig abgelenkt und gereizt werden. Scheuklappen können aber auch stören und die Sicht auf Wesentliches verstellen. Sie sind meiner Meinung nach der Grund für die leider nach wie vor nicht ausreichende Wertschätzung analogen High Ends. Vinyl ist zwar wieder modern, und auch das Angebot an Plattenspielern dürfte so groß sein wie schon lange nicht mehr. Die Frage indes, wer oder was die feinen Phonosignale vorverstärkt, wird aber häufig nur nachrangig behandelt und im schlimmsten Fall mit einer Billigst-Lösung beantwortet. Im Sinne der möglichen Klangqualität ist das eine Katastrophe. Wer sich der analogen Musikwiedergabe mit hohem Anspruch an den Klang nähert, muss seine Aufmerksamkeit deshalb unbedingt auch dem Thema der Vor-Vorverstärkung schenken. Der beste Plattenspieler nützt nämlich nichts, wenn sich der Phono-Pre als tonaler Flaschenhals erweist.

Das McIntosh-Entwicklerteam hatte definitiv keine Scheuklappen auf, als es sich mit seiner ersten separaten Phonostufe beschäftigte. Die Vorverstärker der Amerikaner genießen ja seit Jahrzehnten völlig zu Recht einen exzellenten Ruf, auch wegen der eingebauten Phonomodule. In den externen MP100 hat McIntosh nun nicht nur sein komplettes Know-how in puncto Phono-Verstärkung gesteckt, sondern eröffnet sich mit ihm zugleich die Option, behutsam in vorhandene Musik-Systeme »einzudringen«. Denn wer mit einem McIntosh Musik hört, bekommt unweigerlich Lust auf weitere Produkte der Marke, so der sicher nicht unberechtigte Hintergedanke der Amerikaner.

Der MP100 hat es fraglos in sich. Knapp 2.700 Euro werden für den rund 30 Zentimeter breiten Amp aufgerufen, was angesichts des umfangreichen Ausstattungspakets, zu dem auch fünf Jahre Garantie des deutschen Vertriebs Audio Components gehören, vollkommen in Ordnung geht. Typisch McIntosh sind die zwei Drehregler auf der Front. Wo sonst bei einem klassischen Vorverstärker Eingangswahl und Pegelregelung stattfinden, werden hier jedoch unterschiedliche Abschlusskapazitäten für MM-Systeme und Abschlussimpedanzen für MC-Systeme eingestellt. Dabei deckt die gewählte technische Bandbreite die meisten gängigen Tonabnehmer hundertprozentig ab. Für das korrekte Abspielen von Mono-LPs gibt es ebenfalls eine entsprechende Taste auf der Front. Und jetzt kommt's: Der MP100 verfügt zusätzlich über einen A/D-Wandler, der mit einer Auflösung von 24 Bit/96 Kilohertz arbeitet. Mit seiner Hilfe können also Datenfiles auf dem Rechner erstellt werden, »Analog-Ripping« könnte man auch sagen. Für Windows-Rechner muss man dazu wie üblich einen Treiber installieren, den es kostenfrei auf der McIntosh-Website gibt. Der MP100 wird als »Neue Hardware« erkannt, und nach korrekter Einstellung der 24 Bit/96 Kilohertz-Auflösung kann man damit beginnen, seine LPs in Datenfiles zu verwandeln – entweder um die Musik langfristig zu archivieren oder das analoge Ausgangsmaterial beispielsweise von mobilen Digitalgeräten auch unterwegs zu genießen. Des Weiteren ist dank des A/D-Wandlers auch das Zusammenspiel mit Vor- oder Vollverstärkern möglich, die ausschließlich über digitale Eingänge verfügen. Mit diesem interessanten Ausstattungsfeature steigt das Preis-Leistungsniveau des MP100 spürbar. Die gesamte Schaltung ist übrigens auf geringste Rausch- und Verzerrungswerte optimiert – eine Thematik, die McIntosh, wie i-fidelity.net aus Erfahrung weiß, aus dem Effeff beherrscht.