Der erste Eindruck

Der Amerikaner geht das angebotene Repertoire bedächtig und voluminös an. Das hört sich jetzt etwas langweilig an – aber weit gefehlt. Der Krell wirkt nie abgedroschen, geschweige denn basslastig. Seine unbändige Kraft fasziniert, durch seine eher sanfte Gangart wird er beileibe nicht zudringlich, wahrt Distanz und lädt zum stundenlangen Zuhören ein. Als Musikbeispiel eignet sich hier eine Aufnahme des amerikanischen Komponisten, Bandleaders und Saxophonisten Bob Mintzer: Auf seiner SACD »Big Band, Gently« (vom highendigen amerikanischen Label dmp, Vorreiter für reine Digitalaufnahmen) setzen die Bläser mit ungeheurer Wucht ein, sauber getrennt unterstreicht das Schlagzeug das Arrangement der Musiker. Der Raum wirkt geschlossen, der Krell sorgt für eine authentische, musikalisch dichte Atmosphäre und weist dem Hörer den akustisch günstigsten Platz zu.

Szenenwechsel zur argentinischen Sängerin Mercedes Sosa und der CD »Misa Criolla«, einer Messe des ebenfalls aus Argentinien stammenden Komponisten Ariel Ramirez mit zwei Solo-Tenören und gemischtem Chor. Flirrig-packend und griffig, umrandet von aussagekräftigem Raumhall setzen beim Stück »Gloria« die traditionellen Instrumente aus der Anden-Region ein. Der Krell arbeitet die einzigartige Stimme der Gesangslegende Mercedes Sosa heraus, umrahmt sie sichtbar und völlig schlackenfrei mit dem Chor. Eine der großen Stärken des Krell ist die frappierende Räumlichkeit, die völlig vergessen lässt, dass nur zwei Lautsprecher für den Klang sorgen. Bei »Sanctus« wird die Stimme fröhlicher, die Schlaginstrumente sind betonter. Und wieder umrankt der Chor wie eine Girlande die übrigen Musiker.

Im Dienste der Musik

Der S-550i ist aber nicht nur in großem Orchester zu Hause. Genauso faszinierend intoniert er kleine Besetzungen wie etwa das Jacques Loussier Trio, das sich an die Brandenburgischen Konzerte von Bach heranwagte (Telarc: The Brandenburgs). Der Altmeister bedient ausdrucksstark und mit flinken Fingern die Tasten des Flügels, während Bass und Schlagzeug dezent den Rhythmus untermalen und sich nur bei gelegentlichen Soli einen Schritt mehr aufs Publikum zubewegen. Der Krell dichtet bei keiner Musik was an oder unterschlägt wichtige Nuancen. Er befolgt die Vorgaben des Tonlieferanten und unterstreicht dabei die Intentionen der Tonmeister – etwa bei der SACD des Stuttgarter Pianisten Michael Schlierf, »Clouds And Silver Linings« vom Label Stockfisch. Aufnahmen des Studios Pauler Acoustics zeichnen sich durch filigran umwobene Höhen, eine tendenziell eher sanfte Gangart und eine gut bemessene Räumlichkeit aus. Der Krell transportierte auch jetzt die Intention des Tonmeisters, grenzte die Interpreten sauber ab und lieferte eine frappierende Räumlichkeit. Der 550i strengte sich sogar gehörig an, um das blues- und rocklastige Repertoire vom iPod des Autoren schmackhaft zu machen. Dass die MP3-codierten Töne etwas blutleerer und ausgedünnter klangen, darf ebenfalls als dickes Kompliment an den Krell gewertet werden – übermittelt er doch getreu den (datenreduzierten) Vorlagen die Musik.

Chapeau – Hut ab vor dem amerikanischen Vollverstärker. Krell verlieh ihm nicht nur die pure Kraft, sondern erzog ihm auch musikalisches Feingefühl und nacherlebbare Räumlichkeit an.