Über die verfügt der Krell jedoch auf höchstem Niveau, wie der Titel »Space Calzone« von Wolfgang Haffner feat. Nils Landgren & Lars Danielsson beweist. Mit Solo-Trompete beginnend, steigert sich das Stück langsam. Während das Blasinstrument wunderbar klangfarbenrichtig abgebildet wird, entsteht allmählich ein elektronisches Fundament, das die lang gehaltenen Töne der Trompete stützt. Bei Laufzeit 2:27 beginnt ein hohl klingender Drum-Computer, das Stück in eine andere Richtung zu verlagern, ab 2:59 langt das elektronische Drum-Kit dann richtig hin. Der Krell bewältigt diesen Energieschub nicht nur ohne jegliche Anstrengung, sondern er erweckt auch hier den Eindruck, als habe er nur allzu gerne auf komplexere Strukturen gewartet. Kein Wunder, denn das Klangbild bleibt in seiner Durchsichtigkeit erhalten. Andere Verstärker trüben hier das ein oder andere akustische Detail gerne ein.

Oper, Konzerthalle oder Studio

Der Krell entwickelt keine spartenhaften Vorlieben, sondern bietet bei jedem Titel dieses hohe Maß – so müssen wir es in diesem Fall einfach nennen – an Musikalität. Da wird ein Monteverdi-interpretierender Chor sauber im Halbkreis abgebildet, Artikulationgeräusche real nachgezeichnet und die Summe der Stimmen harmonisch übertragen. Verstärker, die bei diesen Titeln vergleichsweise nüchterner, neutraler und, vielleicht muss man sagen, intellektueller arbeiten, sind sicher näher an dem, was auf dem Tonträger festgehalten ist, aber für Herz und Bauch haben sie weniger zu bieten. Der Krell-Vollverstärker ist einfach zum Hören gemacht.

Das zeigt er gerne mit Live-Einspielungen aus großen Hallen. The Killers, »Live From Royal Albert Hall«, sind dafür ein gutes Beispiel. Einfach das erste Stück »Human« auswählen und »Play« drücken. Vom ersten Ton an wird der Hörer vor seiner Stereoanlage sitzend nach London transportiert. Hier kommt ein weiterer Aspekt hochwertiger Verstärker zum Tragen: Sie können unabhängig von der Musikreproduktion auch Atmosphäre übertragen – und zwar besser, als dies beispielsweise Blu-ray Heimkinoanlagen aus den Häusern LG, Samsung oder Panasonic tun. Bei diesen Anlagen bekommt man vielleicht Bilder in Top-Qualität geboten und es kommt auch Ton aus den kleinen Plastikböxchen, aber es entsteht überhaupt keine reale Atmosphäre. Echt bedauernswert, wer so Musik und Filme erleben muss.

Da heißt die Empfehlung sparen, sparen und sich dann das volle, bildfreie Vergnügen mit einem Krell S-300i gönnen. Zum Beispiel mit Tina Dicos »On The Run«, der dänischen Singer-Songwriterin, die längst kein Geheimtipp mehr ist. In der Hauptsache wird das Stück von Bass, Gitarre, Schlagzeug und ihrer eingängigen Stimme getragen. Der Krell versteht es hier perfekt, aus vier Einzellinien ein wunderbares Gesamtbild zu formen. Beim zum Vergleich herangezogenen Magnat MA800 verschmiert und versumpft der Gesamteindruck ein wenig. Wie sonst nur deutlich teurere Verstärker – meist sogar Vor- und Endstufenkombinationen – versteht es der Krell S-300i, Musik als harmonisches Ganzes abzubilden, ohne dabei auf Geschwindigkeit und Details zu verzichten. Großes Kompliment für diesen Vollverstärker!