Grundsätzlich basiert diese Schaltung auf einer Kombination aus Class-A- und Class-AB-Prinzipien, um die Vorteile beider Ansätze (Klangqualität respektive Leistungsvermögen) zu kombinieren. Das ist so ungewöhnlich nicht, auch andere Hersteller verfolgen diese Strategie. Hegel jedoch integriert zusätzlich eine spezielle Form einer »vorauseilenden adaptiven lokalen« Gegenkopplung. Bei traditioneller Anwendung einer Gegenkopplung besteht stets immanent die Gefahr der gleichsam mitverstärkten Verzerrung. Diese Vorgehensweise umgeht man bei Hegel, indem diese Ursprungsverzerrung durch eine gegenphasige Kopie ausgelöscht wird. Als Resultat reklamieren die norwegischen Entwickler sehr geringe Rest-Verzerrungswerte sowie einen außergewöhnlich hohen Dämpfungsfaktor. Und der soll extrem hilfreich sein, um auch anspruchsvolle Lautsprecher stabil zu führen und gerade im Bereich der Bass-Kontrolle zu punkten. Diese Eigenschaft und eine sich aus einem gigantischen Ringkern-Transformator plus reichhaltig dimensionierter Stromversorgung ergebende hohe Impulsleistung relativieren jene auf den ersten Blick überschaubaren 75 Watt pro Kanal. Das Gegenteil ist der Fall: Der Röst hat muskelseitig einiges in der Hinterhand.

Klare Konzeption

Zusätzlich zum durchdachten Feature-Potpourri aus eigenem Stall erhielt der Vollverstärker ein extrem gut sichtbares OLED-Display, welches deutlich attraktiver ausfällt als die bisherigen blauen Anzeigen der Hegel-Amps, die eher der Ästhetik der 90er-Jahre verhaftet waren und nur mit allerbestem Willen als »Retro« durchgehen. Auch in der Farbgebung des Gehäuses gingen die Norweger einen bewussten Sonderweg und entschieden sich dafür, die metallene Frontpartie samt Aluminium-Reglern in einem gedeckten Weiß auszuführen. Das sorgt für eine angenehm zurückhaltende Präsenz, die sich dezent in modern gestaltete Wohnräume einfügt. Andererseits wirkt der auf drei gedämpften Gummifüßen kippelsicher ruhende Amp neben traditionell schwarz oder vor allem silber gestalteter Hardware wie ein Fremdkörper.

Was man bei Hegel aber bewusst in Kauf genommen hat. Denn der Röst ist als vollständig ausgestattetes, komplett autarkes Gerät konzipiert, bei dem weitere konventionelle HiFi-Komponenten im 43er-Standardmaß schlichtweg überflüssig werden. Er ist vorrangig auf den zeitgenössischen User ausgerichtet, der Musik via USB vom Computer abspielt, das iPad oder iPhone via Airplay einbindet und seine digitale Musiksammlung auf einem NAS ausgelagert hat. Für eben diese Szenarien ist der Verstärker bestens vorbereitet.