Zärtliche K.O.-Schläger

Natürlich erkennt man den klanglichen Charakter, den klanglichen Wert einer solchen Verstärkerkombination nicht durch kurzes Hineinhören. Zwar ergibt das schon Hinweise auf das zu erwartende Niveau, aber eine exakte Bestimmung lässt es nicht zu. In der zeitlichen Addition der Hörrunden für das Audionet-Trio kommen wir auf weit über 300 Stunden. Woran das liegt? Auch wenn die eigentliche Arbeit des Testens vorüber ist, geht das Hören mit der eigenen Musik weiter, von der man ab und zu denkt, dass sie Lesern nicht zugemutet werden darf. Aber es muss nicht immer nur die neueste, die am perfektesten aufgenommene Kost sein, die man sich zu Gemüte führt: Über das Audionet-Verstärker-Trio gewinnt jeder Titel an Ausdruckskraft, Klangfarbe und Temperament. Da sitzt man dann in seinem Sessel, hört »The Wall« von Pink Floyd, freut sich über den Hubschrauber (das Pfeifen der Turbine des Helis bereitet auch 30 Jahre nach Erscheinen des Albums immer noch großes Vergnügen), und bekommt plötzlich eine Gänsehaut. Aus den Lautsprechern tönt eine Kinderstimme: »Look mommy there's an aeroplane up in the sky.« Was da am Himmel mitten im friedlichsten Vogelgezwitscher auftaucht, ist ein Militärflugzeug. Die Bedrohung für Mutter und Kind wird durch einen fetten, dunklen Keyboardteppich förmlich spürbar. Über die tadellose Klangqualität brauchen wir an dieser Stelle kein Wort zu verlieren, aber was der Audionet-Anlage darüber hinaus sensationell gelingt, ist, dass sich das musikalische Geschehen seinen Weg über die Ohren unter die Haut bahnt. Jede Wette, so haben Sie »Goodbye Blue Sky« noch nicht gehört.

Wer es gerne anspruchsvoller mag, kann die Verstärker-Kombi mit dem »Requiem« von Hector Berlioz testen. In der Einspielung des Atlanta Symphony Orchestra & Chorus (Telarc CD-80627) braucht man nicht lange auf den ersten Höhepunkt zu warten. Von Beginn an überzeugen die gewaltige und korrekte Raumabbildung, die an den Rändern keineswegs unscharf wird. Über den in ihrer Klangfarbe exakt dargebotenen Streichinstrumenten fächern PRE I G3 und AMP den Chor weit auf. Nicht nur hat jeder Sänger Luft, nein, im Ganzen ist der Raum um die Sänger vernehmbar. Bei manch anderem Verstärker klingt es an dieser Stelle, als ob direkt über Chor und Orchester eine schwere Decke hängen würde. Hier vermitteln die Audionets eher akustisches »Cabrio«-Gefühl.

Muss man bei Audionet-Verstärkern noch ein Wort über dynamisches Verhalten verlieren? Wirklich? Gut, es ist »phänomenal«. Diese Verstärker machen zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, dass sie unter Druck geraten könnten. Egal wie komplex die musikalischen Anforderungen auch sind, stets vermittelt das Trio, dass es bei Bedarf  noch um ein Vielfaches schneller zwischen laut und leise sowie komplexen und einfachen Strukturen hin- und herschalten könnte. Für diesen Höreindruck liefert übrigens auch das i-fidelity.net-Messlabor stichhaltige Beweise.

Noch ein Wort zur Kapitel-Überschrift, die einem Kollegen beim Hörtest herausrutschte. Die Audionets gehen zwar mit Verstärkern des Wettbewerbs regelgerecht um, brauchen allerdings in bester Klitschko-Manier selten mehr als drei Runden, um den Gegner K.O. zu schlagen. Und um im Bild des Boxsports zu bleiben: Sie sind schneller, haben mehr Kraft, die bessere Technik und verlieren nie die Übersicht.