Seine besonderen Qualitäten zeigt der Uni-Q-Treiber gleich deutlich bei Antonio Carlos Jobims interessanter Variation seines Klassikers »The Girl From Ipanema« aus dem 1970er-Album »Tide«. Der von Eumir Deodato arrangierte Bossa Nova ist üppig orchestriert, tendiert aber zu einer sehr extremen Panorama-Positionierung der Instrumente. Durch die besondere, weit über den Lautsprecher hinaus agierende umfassende räumliche und sehr gleichmäßige Präsentation der KEF schwindet etwas von der Strenge der instrumentalen Zuordnungen, und man kann dennoch sehr kommod in einem ausnehmend wohlig-temperierten Gesamtarrangement schwelgen. Die tonale Ausrichtung der Q350 wirkt tendenziell wohlwollend bis geschmeidig und kommt diesem lethargisch sonnentrunkenen Strandlied grundsätzlich sehr entgegen. Aber als in der Frühphase des Tracks die Bläser mal kurz kräftiger laut geben oder bei 02:44 gar eine kurze musikalische Eruption mit scharfem Hi-Hat-Hit und kräftigem Bongo-Schlag überrascht, macht die Q350 diese dynamischen Wechsel ansatzlos und in gefordert lebendiger Manier mit – und zwar ohne über das Ziel hinauszuschießen und die relaxte Stimmung durch unangemessene Schärfe zu zerstören.

Zur Absicherung des von mir gewonnenen ersten Eindrucks einer durchaus KEF-typischen, minimal warmen Abstimmung spiele ich danach das Highres-File »Nen-ne Koroichi« von Toyohiko Satoh aus dem Album »Yugen«. Das ist extrem fragiles folkloristisches Material aus Japan mit viel »Luft« im Arrangement. In ihrer asiatischen Fremdartigkeit könnten der sehr präsente Sopran-Gesang und das Spiel auf Laute und Blockflöte bei unerbittlichen oder auf Kurzzeit-Effekt getrimmten Boxen leicht anstrengend wirken. Hier darf Entwarnung gegeben werden. Die Q350 offerieren die Musik sehr in sich ruhend, mit einem gesunden Maß an Ausgewogenheit, ohne feine Details zu unterschlagen. Das wahrnehmbare Atemholen des Flötisten etwa können die KEFs dank ihrer guten Auflösung eindeutig herausfiltern. Generell wird bei den Boxen eine Darbietung »aus der Mitte« heraus offensichtlich, ganz typisch für einen guten Koaxial-Lautsprecher. Diese Stimmigkeit der Präsentation kommt gerade bei so fragmentarisch aufgebauter Musik wie jenem kargen asiatischen Liedgut äußerst vorteilhaft zum Tragen.

Schub & Tiefgang

Nach soviel zerbrechlichem Feinklang mussten die KEF-Speaker bei dem fordernden Perkussion-Track »Earth Drums« von He Xiu Tan danach beweisen, wie sie mit dauerhaft brachialer Grobdynamik umzugehen verstehen. Auch wenn diese Disziplin naturgemäß nicht zu den ersten Qualitäten eines kompakten Lautsprechers zählen kann, schlugen sich die Q350 dennoch sehr respektabel, indem sie die rasanten, harten, teilweise metallischen Trommelschläge genau und ansatzschnell präsentierten. Das ständige Wandern der Drums im Stereo-Panorama zeichneten die Lautsprecher exakt nach, und die durchgehend geschlagene Basspauke hatte ein gutes »Pfund«. Der Bass punktete nicht nur durch satten Schub, sondern reichte auch erstaunlich weit hinab. Hier zeigte sich eindeutig, dass die Box – zumindest solange sie auf einem Ständer frei im Raum steht – am besten ohne mitgelieferten Schaumstoff-Stopfen für die Bassreflex-Öffnung betrieben werden sollte.

Der zweiteilige Stöpsel erlaubt allerdings auch eine Teilabdichtung, was bei Wandnähe gut funktionieren kann, in meinem Setting aber immer noch zu bassmindernd eingriff – hier ist Experimentierfreude gefragt. Das komplette Verschließen jedoch kommt meiner Auffassung nur dann ins Spiel, wenn die Kompaktlautsprecher tief in der Schrankwand versteckt agieren müssen, wovon wir bei i-fidelity.net stets vehement abraten. Oder wenn sie mit zusätzlichem Subwoofer betrieben werden, was vorrangig in einem Heimkino-Setup Sinn machen kann. Beim stereophonen Musikhören jedoch stellte sich bei mir nie der Wunsch nach Bassunterstützung ein. Die 350er spielt nämlich wegen ihres reichhaltigen Gehäusevolumens, des relativ großen Uni-Q-Treibers und einer gelungenen Reflexabstimmung neben ihren Qualitäten in Sachen Räumlichkeit und Konsistenz außerordentlich erwachsen und vollmundig auf.