Klingende Kunstwerke

Heftig verliebt ist man bereits, bevor der erste Ton erklingt, denn das schnörkellose, klar definierte und zeitlose Design der Scansonic MB6 B ist absolut atemberaubend. i-fidelity.net fragt sich aber natürlich, ob die dänische Schönheit auch überzeugend musiziert.

Das Beste kommt zum Schluss, so lautete unsere Planung. Schließlich hatte i-fidelity.net schon die kleineren Scansonic-Modelle der MB-Serie, die MB1 B, MB5 B und MB2.5 B, zu Gast. Und diese Lautsprecher, die im dänischen Pandrup gefertigt werden, konnten ausnahmslos überzeugen. Nun hatte also die MB6 B, von den Dänen als »Flaggschiff« der Serie tituliert, ihren Auftritt im Hörraum. Wer nun in puncto Erscheinungsbild einen »Mordsbrummer« erwartet, wird wohl bitterlich enttäuscht. Denn das Topmodell von Scansonic erinnert in seiner Optik eher an die filigrane Architektur eines modernen Wolkenkratzers, an ein pfeilschnelles Segelboot oder an die Tragflächenform eines modernen Flugzeugs – diese Lautsprecher sind echte Hingucker. Diese Ausnahme-Silhouette ergibt sich aus dem Verhältnis von 18 Zentimetern Breite zu 1,41 Meter Höhe des Gehäuses, das sich mit elegantem Schwung fast einen halben Meter in die Tiefe verjüngt. Die schlanken MB6 B sind mit matter weißer und schwarzer Oberfläche sowie gegen Aufpreis auch in einer Walnuss-Ausführung erhältlich und fügen sich damit in jedes Wohnambiente ein.

Damit die 35 Kilogramm Gewicht nicht ins Wanken kommen, werden unter jedem Lautsprecher zwei Traversen angebracht. An deren Enden sind höhenverstellbare Spikes montiert, über welche die akustische Ankopplung an den Untergrund erfolgt. Auf der Rückseite befinden sich knapp über dem Sockel das Single-Wiring-Anschlussterminal für die Lautsprecherkabel und – statt der üblichen Bassreflexrohr-Öffnung – aus Platzgründen drei übereinander liegende, perfekt in die Gehäuserundung integrierte Auslässe. Was wir von Scansonic gewohnt sind, bestätigt sich auch bei der MB6 B: Die größtenteils in aufwendiger Handarbeit hergestellten Lautsprecher sind perfekt verarbeitet. Kein Wunder, denn unter dem gleichen Firmendach werden auch die luxuriösen Raidho-Lautsprecher gefertigt.

Das stromlinienförmige Design der MB6 B erlaubt keinen Einbau von Chassis mit großem Durchmesser. Um vor allem im Bassbereich die nötige Luft bewegen zu können, braucht es deshalb nicht nur ein oder zwei der mit einer gewebten Carbonmembran bestückten 11,5-Zentimeter-Chassis, sondern derer gleich vier (!) – pro Lautsprecher versteht sich. Diese Lösung bringt einen weiteren Vorteil mit sich, denn die kleineren Chassis können dem Signal genauer folgen, weil sie sich aufgrund der geringeren Membranmasse leichter antreiben lassen. Allerdings müssen sie dafür einzeln gemessen und dann gepaart werden. Für Scansonic ist das kein Problem, schließlich stellt man die Chassis selbst her und kann so problemlos acht gematchte Treiber einbauen.

Im Zentrum der Schallwand, in gut 90 Zentimetern Höhe, sitzt Scansonics bekannter und bewährter Bändchenhochtöner, der ebenfalls aus eigener Fertigung stammt. Dieser silbrig schimmernde Tweeter kümmert sich um die Übertragung der Frequenzen ab 2.600 Hertz. Die Aluminium-Folie des Bändchens wiegt nur 0,03 Gramm. Sie soll für einen luftigen und präzisen Hochton sorgen. Umrahmt wird der Tweeter von zwei Mitteltönern, die baugleich mit den Bass-Chassis sind. Sie kümmern sich bis hinab zu 250 Hertz um die Schallwandlung. Ihre Übertragungsbereiche bekommen sie von einer phasenoptimierten Frequenzweiche zugeteilt, die mit selektierten Bauteilen bestückt ist. Im Werk wird jeder Lautsprecher nach seiner Fertigstellung penibel sowohl technisch als auch optisch geprüft, bevor er sorgfältig verpackt die Reise zu seinem künftigen Besitzer antritt.

Willkommen im Hörraum

Scansonic gehört zu den Herstellern, die dem Thema Aufstellung die gebührende Aufmerksamkeit widmen. Schließlich entscheidet man mit der Platzierung, ob die Wiedergabe eher durchschnittlich oder wirklich überzeugend wird. Im Falle der MB6 B geht es dabei vor allem um den Abstand zur Rückwand. Steht sie im Hörraum 70 Zentimeter vor der Wand, ist der Bass schlank, präzise und schnell. Verringert man den Abstand auf 40 Zentimeter, kommt das hörenswerte Fundament hinzu. Was diese Lautsprecher dann an Energie in den unteren Oktaven erzeugen können, traut man ihnen angesichts ihrer dezenten Optik gar nicht zu. Neben dem Raum ist natürlich auch die vorgeschaltete Elektronik für das Klangresultat verantwortlich. Wichtiger als die eigentliche Auswahl ist auch hier die handwerklich saubere Installation. Diese umfasst eine vernünftige Stromversorgung, die stabile Aufstellung der Komponenten und die passende NF- und Lautsprecherverkabelung. Ohne kompetenten Fachhändler ist das übrigens kaum zu stemmen.

Nachdem wir uns von der Grobaufstellung bis zur endgültigen Parkposition der Scansonic in kleinen Schritten vorgearbeitet hatten, konnten wir mit den Hörtests beginnen. Dabei beschäftigten wir uns zunächst mit »Going Home«, einem Album, das der Gitarrist Arne Jansen und der Cellist Stephan Braun der Musik von Mark Knopfler und den Dire Straits gewidmet haben. Solche Unternehmungen entpuppen sich häufig als Schnapsidee. Doch zu unserem großen Erstaunen gelingen dem Duo hier wundervolle, fragile Interpretationen von Titeln, die die meisten von uns in- und auswendig kennen. So lässt sich »Romeo And Juliet« auch noch nach Jahrzehnten eine neue, sensible Note abgewinnen. Die Scansonic spannt den beiden Musikern einen dreidimensionalen Raum auf, der Hall verschwindet dabei weiter in die Tiefe als mit anderen Lautsprechern. Das Auflösungsvermögen des Hochtöners ist überragend, wie die Abbildung selbst kleinster Nuancen eindrucksvoll zeigt.

Musik kann Stimmungen verstärken oder den Kontrapunkt setzen. In Zeiten, da Optimismus und gute Laune nicht unbedingt Hochkonjunktur haben, kann die Musik dabei helfen, nicht im Trübsal zu versinken. Und hier zeigt die Erfahrung: Je stimmiger eine High-End-Anlage spielt, desto intensiver wirken die Klänge auf die Gefühlswelt ein. Versuchen Sie mal bei »Money's Too Tight« von Simply Red Ihre schlechte Laune beizubehalten. Das wird nicht gelingen, schon gar nicht, wenn die MB6 B den Tiefton mit Kraft und Wucht in den Hörraum schiebt und sich dabei nicht die kleinste Unsauberkeit erlaubt. Mick Hucknall steht zwischen den Lautsprechern und singt so, als ob es live ist, dabei ist die Aufnahme bereits 1985 entstanden und war ganz sicher nicht für ein audiophiles Zielpublikum gemacht.

Für feine Ohren

Es läuft Coldplay, nicht laut, sondern dezent. Dann beginnt »Sparks« und wir wundern uns über den hohen Informationsgehalt. Ginge es um Bilder, würde man von einem Zugewinn an Pixeln sprechen. Bei der Musik geht es hingegen um neue Zwischentöne, um Details bei der Artikulation, und auch hier ist es wieder diese faszinierende Größe der Raumabbildung, die klar macht, dass wir es mit einem überdurchschnittlichen Lautsprecher zu tun haben. Bleiben wir mit »Wheels« von Fink beim Thema Gitarre live. Hier klingen die Bass-Saiten, wie sie sollen, und auch wenn man das Publikum nicht hört, so spürt man doch, dass es gegenwärtig ist. Je nach dem Grad der Einwinkelung der Lautsprecher kann man diesen akustischen »Blick« in die Tiefe optimieren, der dann sehr weit reicht.

Wenn das von Andris Nelsons dirigierte Gewandhausorchester Leipzig die »Tannhäuser«-Ouvertüre gibt, dann füllt das Orchester die Bühne in allen drei Dimensionen. Die Klangfarben der Bläser leuchten im passenden Maß, heißt: Sie schießen nicht über das Ziel hinaus. Dynamiksprünge gelingen mühelos, dafür braucht es aber den passenden Verstärker, den wir in Canors Virtus I2 gefunden haben. Neben den klanglichen Eigenschaften stellt sich mit der Zeit aber auch heraus, dass die MB6 B sehr angenehme Spielpartner sind, denn weder hat man das Gefühl, ständig den Abhörpegel variieren zu wollen, noch gibt es mit dieser Dänin klangbedingte Ermüdungserscheinungen.

Ausstattung

Hersteller/Vertrieb:   Scansonic, Dantax Radio A/S, Pandrup / Dänemark

Modell:   MB6 B

Kategorie:   Standlautsprecher

Paarpreis:   10.000 Euro (Walnuss-Ausführung 11.000 Euro)

Garantie:   2 Jahre

Prinzip:   Dreiwegesystem, passiv, Bassreflex

Chassis-Bestückung:

  • Hochtöner 1 x Bändchen
  • Mitteltöner 2 x 11,5-Zentimeter-Carbonfaser-Konus
  • Tieftöner 4 x 11,5-Zentimeter-Carbonfaser-Konus


Trennfrequenzen:   250 Hz, 2,6 kHz

Terminal:   Single-Wiring-Anschlussfeld mit WBT-0735-Terminal

Lieferumfang:

  • Spikeausleger
  • Spikesets (höhenverstellbar)
  • Frontbespannungen
  • Bedienungsanleitung
  • Garantieanforderungskarte


Ausführungen:

  • Schwarz matt
  • Weiß matt
  • Walnuss

Abmessungen (H x B x T):   141 x 18 x 41 cm

Gewicht:   35 kg (Stk.)

 

Kontakt

Dantax Radio A/S
Bransagervej 15
9490 Pandrup

Internet:   www.scansonichd.dk

Facebook:   www.facebook.com/Scansonic

Testergebnis

Überragendes Design gepaart mit ebensolcher Klangkultur, das ist die Scansonic MB6 B. Lautsprecher, die einen ästhetischen Glanzpunkt setzen, sind Ausnahmeerscheinungen. Lautsprecher, die einen klanglichen Glanzpunkt setzen, sind ebenfalls nicht an der Tagesordnung. Dass beides in einem Modell zum Tragen kommt, ist demnach ein absoluter Glücksfall. Für das bestmögliche Hörerlebnis braucht es einen klang-, aber nicht unbedingt leistungspotenten Verstärker. Dem Scansonic-Team gebührt Respekt, denn Kunst und Akustik auf diese grandiose Art in einem Schallwandler zu vereinen, gelingt äußerst selten.   Olaf Sturm

Scansonic MB6 B
Paarpreis: 10.000 Euro
Garantie: 2 Jahre
überragend
sehr gut
sehr gut
sehr gut

TEST

Lautsprecher:
Scansonic MB6 B
Autor:
Olaf Sturm
Datum:
17.11.2023
Hersteller:
Scansonic