Sich eingefahrener Blickwinkel zu entledigen, ist zuweilen leichter gesagt als getan. Die Discovery 3zero betreffend, fiel mir das eine Zeit lang besonders schwer, hatte ich diesen Lautsprecher im Vorfeld doch ausschließlich von der Warte eines Klangenthusiasten aus betrachtet. Schließlich genießen die Schallwandler aus Sheffield einen ausgezeichneten Ruf und haben sich in unserer Redaktion bei mehreren Gelegenheiten durch ihre Musikalität hervorgetan. Besonders ihre Fähigkeit, gut produzierten Stimmen Leben einzuhauchen, hat mein Interesse geweckt. Und dann ist sie da, die Bühne ist bereitet, doch die ersten Momente des Alleinseins mit der neuen Discovery verlaufen ganz anders als erwartet.
Während sich die Lautsprecher mit einer Electro-Playlist warmlaufen, sind es ausgerechnet ihre visuellen Reize, die Schritt für Schritt meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen und mich sodann völlig einnehmen – und das, obwohl die Discovery bei tiefen Bassläufen ein verblüffend druckvolles Spektakel abliefert. Formschöne Gehäuse und edle Materialien, garniert mit geschmackvollen Details – all das hat man schon einmal gesehen. Aber dieser Lautsprecher hebt sich von anderen luxuriösen Vertretern seiner Gattung ab; auf eine subtile Weise, die zunächst schwer greifbar ist. Anstelle polierter Furnierflächen und Applikationen, die um die Wette glänzen, findet sich hier eine stilvolle Komposition matter und glänzender Bereiche. Organische Formen, die im Großen und im Kleinen wiederkehren, laden dazu ein, neue Facetten zu entdecken an einer stilsicheren Symbiose zeitloser Eleganz und modernen Industrial Designs.
Craig Milnes, Mitinhaber und technischer Leiter von Wilson Benesch, lässt sich gerne von der Natur inspirieren. Dieses Motiv zieht sich wie ein roter Faden durch die Design-Philosophie des Hauses – technische und gestalterische Aspekte betreffend. Daher war die Fibonacci-Folge des italienischen Mathematikers Leonardo Fibonacci nicht nur namensgebend für die 2022 eingeführte Flaggschiff-Serie, innerhalb derer die Discovery 3zero den Einstieg markiert: Das durch diese Zahlenfolge abgebildete Additionsgesetz natürlichen Wachstums stand Pate für die Formgebung der sogenannten Fibonacci-Elemente, von denen eines den Hochtöner umläuft und ein anderes in der Mitte der Konusmembran des Mitteltöners positioniert ist – »Schallführung« und »Staubschutzkappe« sind zu profane Worte für diese kunstvoll anmutenden Gebilde. Sie werden im eigenen Hause im 3-D-Druckverfahren hergestellt; ihre Grundstruktur wird aus Karbonfaser und Nylon aufgebaut, wobei im Falle des für den Tiefmitteltöner bestimmten Elementes drei weitere, nicht bezeichnete Materialien hinzugefügt werden. Das die Kalotte umgebende Element ist von der Montageplatte und vom Antrieb des Hochtöners entkoppelt und soll einen linearen Frequenzgang sowie ein breites Abstrahlverhalten gewährleisten. Das Pendant im Zentrum der Konusmembran dient dazu, Partialschwingungen zu reduzieren, um eine homogene Anbindung an den Hoch- und die Tieftöner zu erreichen.
Wer die magnetisch fixierten Textilbespannungen nutzt, kann sich gewiss sein, dass sie keinerlei akustischen Einfluss haben, weil die Kontaktflächen ihres soliden MDF-Rahmens mit Kork-Plättchen abschließen, die für eine weiche Ankopplung sorgen. Dies ist allerdings nur ein kleines Puzzle-Stück unter vielen, jede Komponente wurde sorgfältig hinsichtlich ihrer mechanischen Eigenschaften und deren Zusammenwirken innerhalb der Gesamtkonstruktion konzipiert. Craig Milnes hat bei der Resonanzoptimierung eines Lautsprechers schon immer der Ankopplung an den Untergrund besondere Beachtung geschenkt, deren klangentscheidende Rolle häufig noch immer unterschätzt wird. Doch sich ihrer bewusst zu sein, ist nur die halbe Miete, den Rest muss wie immer entsprechendes Know-how besorgen. Während sich auf dem Markt verschiedenste, recht komplex aufgebaute und kostspielige Füße mit unterschiedlichen Auswirkungen auf den Klang finden, hat Wilson Benesch eine Lösung parat, die bestechend einfach und wirksam ist: Die Spitze der soliden Metallspikes ruht in der Mitte dreier Metallkugeln, die in einer Buchse in den Spike-Tellern gelagert sind. Dasselbe Prinzip wurde bereits im Lager des 1990 zusammen mit dem Wilson-Benesch-Plattenspieler eingeführten Tonarms »A.C.T. One« verfolgt.
Diese Debüt-Kreationen legten allerdings nicht deshalb den Grundstein für die Schallwandler: Dank vorangegangener Forschungen im Bereich der Materialkunde konnte die erst ein Jahr zuvor gegründete Manufaktur erstmalig Karbonfasern verwenden und sich so binnen kürzester Zeit an die Speerspitze der Innovation katapultieren. Seit der 1994 vorgestellten, ebenfalls »A.C.T. One« genannten Lautsprecher-Premiere spielen Karbonfaser-Verbundstoffe die Schlüsselrolle bei allen Gehäusen, und mit der Fibonacci-Serie hat »A.C.T. 3zero«, die neue Generation der »Advanced Composite Technology«, Einzug in die Serienfertigung gehalten. Sie geht auf das von der EU geförderte Forschungsprojekt »SSuchy« zurück, an dem dreizehn Universitäten und mehrere mittelständische Unternehmen – unter ihnen Wilson Benesch – beteiligt waren. Zielsetzung des internationalen Projektes war, Verbundwerkstoffe und deren Produktion nachhaltiger zu machen; Wilson Benesch hat im Zuge dessen die hauseigene Fertigungsanlage aufwendig modernisiert. Für den neuen Monocoque-Korpus werden Karbonfasern und natürliche Materialien verwendet, die dahingehend ausgewählt wurden, die Gesamtmenge des für die Herstellung des Verbundstoffs benötigten Öls zu minimieren. Infolge optimierter Fertigungsprozesse konnte auch das zuvor verwendete Harz durch ein Bio-Harz ersetzt werden.
Die Rahmenkonstruktion und die Stativsäule der Discovery 3zero werden aus Stahl und Aluminium hergestellt; im Gehäuseinneren sorgen dreizehn Millimeter starke, vertikal verlaufende Stahl-Verstrebungen für zusätzliche Stabilität. Nicht neu, aber entscheidend unter dem Gesichtspunkt von Resonanzkontrolle ist ein weiterer Aspekt: Die Discovery mag auf den ersten Blick wie eine Kompaktbox auf maßgeschneiderten Stativen aussehen, doch die vermeintlichen Standfüße sind integraler Bestandteil der Lautsprecherkonstruktion, daher wird sie folgerichtig als Standlautsprecher deklariert. Gleichwohl entspricht das Konzept im Wesentlichen einer Monitorbox, denn alle Treiber sind sehr nahe beieinander platziert, wobei sich der Hochtöner unterhalb des Tiefmitteltöners befindet.
Der Vorteil dieser kompakten Anordnung liegt in ihrer Annäherung an die ideale Punktschallquelle. Auch die unkonventionelle, für Wilson Benesch typische Abstimmung dieses Zweieinhalbwege-Systems zielt ganz auf Homogenität, indem sie dem Tiefmitteltöner großen Spielraum gibt: Die reduziert aufgebaute Weiche trennt den Hochtöner bei fünf Kilohertz mit einem Hochpass 2. Ordnung vom Tiefmitteltöner, der bei fünf Kilohertz mit einem Tiefpass 1. Ordnung eingekoppelt wird und sanft im Oberbassbereich ausläuft, an den die beiden Tieftöner bei 500 Hertz mit einem Tiefpass 1. Ordnung anschließen. Den noch in der Discovery 2 eingesetzten, bewährten 25-Millimeter-Semisphere-Hochtöner hat Wilson Benesch im Zuge der Entwicklung der neuen Lautsprecher-Serie überarbeitet und neben der Fibonacci-Schallführung weitere Modifikationen vorgenommen. Von zentraler Bedeutung ist hier die separate Gehäusekammer, an deren Rückseite ein akustisches Labyrinth rückwärtig abgestrahlten Schall absorbiert.
Beibehalten wurde dagegen die Stabilisierung der Seidenkalotte mit Hilfe eines orthogonal an ihrer Rückseite verlaufenden Karbonfaser-Bogens sowie das üppig dimensionierte Antriebssystem, das sich aus sechs ringförmig angeordneten Neodym-Eisen-Bor-Magneten zusammensetzt. Man kann sich leicht vorstellen, dass ein derart leistungsstarker Antrieb den Konustreibern zugutekommt, aber im Falle eines Hochtöners ist das nicht offenkundig. Einen Denkanstoß liefert hier die Analogie zu Geräten, die wenig Leistung abgreifen und dennoch eindeutig von einer potenten Stromversorgung profitieren. Für den Mittelton und den Bassbereich kommen weiterhin drei 17-Zentimeter-Konustreiber mit strömungsoptimierten Körben zum Einsatz. Sie arbeiten in offenen Volumina, die in außerhalb des Gehäuses – unmittelbar vor der Standsäule – platzierten Reflexrohren münden, wobei der Tiefmitteltöner in das kurze Rohr ventiliert.
Bei diesen »Tactic 3.0«-Treibern handelt es sich um eine Weiterentwicklung der bis dato verwendeten Exemplare. Ihre Membrane werden aus isotaktischem Polypropylen hergestellt, das sich durch eine hohe Dämpfung auszeichnet. Unangetastet blieb auch die lang tradierte isobarische Anordnung der beiden Tieftöner, die zum Markenzeichen der höheren Serien wurde. Im Falle der Discovery und der Endeavour schließt der untere Treiber an der Vorderseite seines Chassiskorbs bündig mit dem Gehäuseboden ab, sodass das Chassis außerhalb des Korpus offenliegt. Diese unkonventionelle Platzierung wird gewählt, um mit einem kleineren Gehäuse auszukommen und so die gedrungene Gangart manch voluminösen Lautsprechers zu vermeiden. Aus gestalterischer Sicht ist der exponierte Basstreiber zweifelsohne ein Eyecatcher; wer diese technische Note akzentuieren mag, kann anstelle der mattschwarzen eine der zwei metallisch glänzenden Ausführungen ordern, die für das Gehäuse des Antriebssystems angeboten werden.
Zeit, sich die audiophile Brille wieder aufzusetzen, die Augen zu schließen und die favorisierte Jazz-Playlist zu starten. Im Verlauf mehrerer Stücke fällt auf, dass auch die unteren Oktaven wie ausgeleuchtet durchhörbar sind, schlackenlos und doch voller subtiler Schattierungen. Kontrabässe klingen straff-trocken und haben die gebotene Autorität, zugleich wahrt die Discovery in Momenten sonorer Fülle eine stimmige Relation zum Gesamtbild. Zu mittlerweile vorgerückter Stunde ist die Playlist bei einem persönlichen Favoriten angelangt: »The Way Some People Live«. Die Stimmung des Augenblicks, die Intimität des Titels und diese Lautsprecher – das scheint füreinander geschaffen, die Darbietung ist zutiefst atmosphärisch. Bassist Thomas Morgan und Schlagzeuger João Lobo leiten das Thema ein und die Discovery erzählt mit lyrischer Hingabe eine Episode von Besen und Becken, die sich zaghaft begegnen. Sie zelebriert das gefühlvolle Streichen und Tupfen, den wundervollen Glanz der Becken, die mit feinsten Obertönen ausklingen. Dabei wirkt ihr Agieren distinguiert, die Discovery entsagt jeder Prise vordergründiger Brillanz und lädt stattdessen ein, natürliche Klangfarben zu entdecken.
Dieselbe Charakteristik zeigt sich auch bei dem von Manfred Eicher im Historischen Reitstadel in Neumarkt aufgenommenen Album »Prism IV« – dem vorletzten Teil der 2018 eröffneten Reihe, in dem das Danish String Quartet die späten Streichquartette Beethovens Werken des 20. Jahrhunderts und Fugen aus dem ersten Teil des »Wohltemperierten Klaviers« von Bach gegenüberstellt. Die Discovery lässt hier die Violinen mit authentischer Prägnanz erstrahlen, in prächtigen Farben und lupenrein. Zudem verschafft sie der Wärme der Bratsche neben der höchsten Saite des Cellos Geltung und gewährt den Musikern gebührenden Freiraum auf einer großzügig angelegten Bühne.
Die braucht es nicht, um das Album »No No« von Carolin No richtig in Szene zu setzen, vielmehr geht es hier um das, was auf den wenigen Zentimetern zwischen Mikro und Sängerin passiert. Auf engstem Raum entsteht die Magie dieser ehrlichen Produktion, die den ausdrucksstarken Vortrag von Sängerin Carolin Obieglo in den Vordergrund rückt und nicht zuletzt wegen ihrer Dynamik den Komponenten einiges abverlangt. Die Wilson Benesch ist hierbei ganz in ihrem Element, schafft eine dichte Atmosphäre, wenn Carolin Obieglo bei »Rückenwindstill« anfangs nur vom Piano begleitet singt. Sie stellt das imaginäre Abbild der Sängerin mit messerscharfen Konturen sowie richtig proportioniert in den Raum und setzt die Energie ihrer Stimme auch in leisen Passagen frei. Gleichzeitig spielt sie hier tonal geschlossen auf den Punkt und kann den Gesang tatsächlich natürlich wirken lassen.
Um Eydís Evensen war es subjektiv empfunden eine Zeit lang ruhig geworden, dabei sind kaum zwei Jahre vergangen, seitdem die isländische Komponistin und Pianistin ihr Debüt »Bylur« veröffentlichte. Verständlich, dass ihre schnell wachsende Fangemeinde zwischenzeitlich Ungeduld verspürte, denn einmal in die Tiefen ihrer hochemotionalen Werke abgetaucht, entfalten sie regelrecht Suchtpotential. Nach der EP »Frost« gibt die inzwischen international beachtete Künstlerin jetzt mit der Single-Auskopplung »Tephra Horizon« einen weiteren Ausblick auf das für Mai angekündigte Album »The Light« – nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen, 2022 veröffentlichten Single. »Tephra Horizon« handelt von einem Vulkanausbruch und wurde wie alle vorherigen Produktionen von ihrem Landsmann Valgeir Sigurðsson eingespielt, der unter anderem für Björk am Mischpult saß. Ein Konzertflügel, eingefangen in einer makellosen, behutsam nachbearbeiteten Aufnahme – das ist eine der Königsdisziplinen für eine Anlage. Eine Prüfung, bei der die Discovery 3zero ihr ganzes Potential einbringen und eindringlich demonstrieren kann, worauf es ankommt: Das Gehörte bildet eine Einheit. Der Klangfarbenreichtum, die Dimension des Instrumentenkörpers, ja selbst der dynamische Umfang des Flügels wird glaubhaft dargeboten und zu einem schlüssigen Ganzen zusammengeführt. Zugleich bringt mir die Discovery mit feinfühliger, illustrativer Spielweise die erhabene Schönheit, die jede Note dieser Komposition ausstrahlt, ganz nahe – intensiver wird es wohl nur werden, wenn ich Eydís Evensen im Juni in der Elbphilharmonie erlebe.
Hersteller: Wilson Benesch Ltd., Sheffield / UK
Vertrieb: IAD GmbH, Korschenbroich
Modell: Discovery 3zero
Kategorie: Standlautsprecher
Paarpreis: ab 24.990 Euro
Garantie: 5 Jahre (Registrierung erforderlich)
Prinzip: 2,5-Wege, passiv, Bassreflex, Tieftöner in isobarischer Anordnung
Chassis-Bestückung:
Terminal: Bi-Wiring-Anschlussfeld
Lieferumfang: Spikes, Spike-Teller, Frontbespannungen, Bedienungsanleitung, Garantieanforderungskarte
Ausführung: Premium Black. Drei Walnussfurniere und diverse Sonderfarben gegen Aufpreis, kundenspezifische Ausführungen auf Anfrage
Abmessungen (H x B x T): 118,7 x 39,4 (18,7*) x 40,8 Zentimeter
Gewicht: 35,5 kg (Stk.)
* Breite der Schallwand
Wilson Benesch Deutschland
im Exklusiv-Vertrieb bei der
IAD GmbH
Johann-Georg-Halske-Str. 11
41352 Korschenbroich
Internet: www.wilson-benesch.de
E-Mail: service@iad-gmbh.de
Telefon: 0 21 61 / 61 78 30
Wilson Benesch beweist einmal mehr Fingerspitzengefühl dafür, wie man außergewöhnliche Lautsprecher baut. Die Discovery 3zero zeigt sich in bestechendem Design und hervorragender Verarbeitungsqualität, gleichwohl ist sie ein feines Instrument, das sensibel auf ihr Umfeld reagieren kann und kräftige Verstärker benötigt. Wenn alle Voraussetzungen stimmen, wird das enorme Potential dieses Lautsprechers eindrucksvoll klar: Die Discovery 3zero bewegt sich jenseits bloß quantitativer Kriterien, ihr ist eine klangliche Ästhetik zu eigen, die kultivierten Musikgenuss in den Fokus rückt. Marius Donadello
Wilson Benesch Discovery 3zero |
Paarpreis: ab 24.990 Euro |
Garantie: 5 Jahre (nach Registrierung) |