Fingerspitzengefühl

Mit dem D3 präsentieren die Digital-Audio-Spezialisten von Lumin eine neue Version ihres erfolgreichen Streamers D2. Wieviel mehr Lumin-Qualität bietet das aufgefrischte Einstiegsmodell?

Wer sich heute Gehör verschaffen will, braucht ein schrilles Auftreten. Längst sind Übertreibungen keine Ausnahme mehr, sondern die Regel. Davor sind auch HiFi-Komponenten nicht gefeit. So gibt es Lautsprecher, deren Preisschilder den sechsstelligen Euro-Bereich erreicht haben, und Plattenspieler, die aufgrund ihres Gewichts nur noch von vier Personen bewegt werden können. Das »Normale« scheint verpönt beziehungsweise nicht mehr so gefragt zu sein. Doch zum Glück gibt es sie noch, solche Perlen wie den Cyrus Classic AMP, man muss einfach nur in Ruhe hinschauen, um sie zu entdecken. Keine sieben Kilogramm Gewicht und eine Frontpartie, die gerade einmal 21,5 Zentimeter in der Breite misst – solche Attribute fallen in der Regel nicht auf. Da muss der kleine Engländer schon andere Argumente liefern.

Werfen wir deshalb zunächst einmal einen Blick auf die Ausstattung. Der Classic AMP verfügt über fünf analoge Cincheingänge, einer davon ist als Phono-MM-Eingang konzipiert. Angesichts der Tatsache, dass Cyrus auch in Sachen Phono-Vorverstärkung Kompetenz hat, dürfte dieser Plattenspielereingang wohl mehr als nur eine Alibi-Funktion haben. Neben den analogen finden sich auch vier digitale Eingänge – je zwei Mal koaxial und optisch – auf der vollgepackten Rückwand. Für die Aufrüstung mit dem optionalen PSX-R2-Netzteil ist die entsprechende Buchse vorgesehen. Da noch Platz vorhanden war, haben die Entwickler auch noch einen Kopfhörerausgang und eine Buchse für künftige Software-Updates spendiert. Für den Anschluss der Lautsprecherkabel werden Bananenstecker benötigt, da die Buchsen im Gehäuse versenkt sind. Im Lieferumfang sind vergoldete Exemplare zu finden – nicht das einzige Beispiel dafür, dass Cyrus das Thema Vollverstärker zu Ende gedacht hat.

Die Frontpartie des kleinen Cyrus-Amps bleibt mit ihren sechs Tasten und dem Drehregler übersichtlich. Neben diesen Bedienoptionen liegt dem Verstärker auch eine Fernbedienung bei. Schön ist, dass diese beleuchtete Tasten besitzt, weniger schön, dass sie auch unzählige nicht nutzbare Tasten mitbringt. Das ist der Kosteneffizienz geschuldet und durchaus verschmerzbar. Wichtiger ist, dass die Regelung der Lautstärke auch aus großen Winkeln einwandfrei funktioniert. Das typisch grün leuchtende Display ist abschaltbar und zeigt den gewählten Eingang, dessen Name die Nutzer aus einer vorgegebenen Liste wählen können. Dazu kann die Anzeige dreizeilig Informationen liefern oder alternativ den gewählten Eingang oder die eingestellte Lautstärke im Großformat. Damit bietet der Classic AMP eine gelungene Mischung aus dem von Audiophilen geschätzten puristischen Ansatz und einer sehr komfortablen Ausstattung.

Trotz räumlicher Beschränkungen arbeitet im AMP ein 300-Watt-Ringkerntransformator. Über eine zweite Wicklung des Trafos wird der Vorverstärker gespeist, so kommen sich Vor- und Endstufe nicht ins Gehege. Ein zweites, separiertes Netzteil kümmert sich um die digitalprozessorbasierte Steuerung des Verstärkers. Mit rund 140 Watt Leistung pro Kanal, die im i-fidelity.net-Labor gemessen wurden, lassen sich die meisten Lautsprecher problemlos ansteuern. Für Anspruchsvolle bietet sich die Option, mit dem PSX-R2 ein externes Netzteil zu erwerben, das sich positiv auf die Klangqualität auswirken soll.
Der Vorverstärker schaltet die Eingänge per Relais um. Laut Cyrus weist der eingebaute Lautstärkeregler keinen Gleichlauffehler auf, was unsere Labormessung mit einer Kanaldifferenz von 0,07 Dezibel denn auch bestätigt.

Klassischer Beginn

Zum Anschluss eines Plattenspielers müssen zwei Kurzschlussstecker entfernt werden, die bei Nichtnutzung dieses Eingangs verhindern, dass Einstreuungen sich negativ auf das Klangbild auswirken. Der Eingang ist für den Betrieb mit MM-Tonabnehmern ausgelegt. Für MC-Systeme wird ein zusätzlicher Übertrager benötigt. Als Quelle diente uns der Dual CS 429, bei der Wahl der Lautsprecher entschieden wir uns für die KEF LS50 Meta, denn sie sind eine sichere Bank, um das tonale Geschehen beurteilen zu können. »Giulia« heißt das Titelstück des aktuellen Triosence-Albums. Bereits in der Eingangssequenz zeigt der Cyrus den Unterschied zu klassischen Vollverstärkern auf, denn das Geschehen ist filigraner, es sind mehr Details zu hören und es klingt der eigenen Vorstellung von Musik entsprechend. Es gibt keinerlei nervige Komponenten in der Wiedergabe, was die Leichtigkeit der Classic-AMP-Performance noch unterstreicht.

Mit SACDs, abgespielt vom Marantz SA-KI Pearl, setzen wir die Hörsession fort. Wenn Jacintha den Klassiker »Georgia On My Mind« intoniert, zeigt sich wieder einmal in aller Deutlichkeit, dass Stimmen den Unterschied in der Wiedergabe sehr deutlich machen. Der nahezu identisch ausgestattete Vollverstärker Magnat MA 900 bildet das Geschehen gut im Raum ab, das gilt für Schlagzeugbecken und Saxophon ebenso wie für die zentral ortbare Stimme der Sängerin. Wenn der Cyrus übernimmt, bekommen Details mehr Licht, die Durchzeichnung auch in der räumlichen Tiefe nimmt zu und in der Folge werden auch die Klangfarben intensiver. Gekrönt wird der Gesamteindruck allerdings von der federleicht wirkenden Art, mit der die Musik aus den Lautsprechern perlt. Für eine derartig gute Verstärker-Performance rufen Wettbewerber teilweise deutlich höhere Preise auf.

Der eingebaute DAC versteht PCM-Signale mit Samplingraten zwischen 32 und 192 Kilohertz. Interessant sind die vier digitalen Eingänge für diejenigen Nutzer, die einen alten CD-Spieler klanglich aufwerten oder den Fernsehton einspeisen möchten, um Filme auch mit astreinem Ton zu erleben. Was bei anderen Verstärkern eine bloße »Funktion« ist, funktioniert beim Classic AMP richtig gut. So entstaubt er die Wiedergabe eines zehn Jahre alten CD-Spielers merklich, das Ergebnis ist etwa vergleichbar mit dem Lichteffekt, wenn der Dimmer von 70 auf hundert Prozent hochgedreht wird. Uns gefällt indes die Integration des Cyrus in eine puristische Stereoanlage am besten. Und dabei spielt es keine Rolle, ob die Musik vom Platten- oder CD-Spieler kommt, denn beide Quellen sind absolut hörenswert.

Laborbericht


Messwerte Vollverstärker Cyrus Classic AMP

Leistung:

Nennleistung @ 4 Ohm (1% THD):   140 W
Nennleistung @ 8 Ohm (1% THD):   88 W

Verzerrungen:

Klirrfaktor (THD+N, 10 Watt @ 4 Ohm):   0,0037 %
IM-Verzerrungen SMPTE (5 Watt @ 4 Ohm):   0,010 %
IM-Verzerrungen CCIF (5 Watt @ 4 Ohm):   0,0039 %
 
Störabstände:

Fremdspannung (- 20 kHz):   -91,9 dB
Geräuschspannung (A-bewertet):   -94,9 dB
 
Sonstige:

Obere Grenzfrequenz (-3dB / 10 W @ 4 Ohm):   42 kHz

Kanaldifferenz:   0,07 dB

Eingangswiderstand:   27 kOhm

Ausstattung

Hersteller:   Cyrus, Huntingdon

Vertrieb:   Bellevue Audio, Unna

Modell:   Classic AMP

Preis:   2.395 Euro

Garantie:   2 Jahre Garantie

Eingänge

  • 4 x Cinch (analog)
  • 1 x Cinch Phono-MM
  • 2 x digital koaxial (24 Bit/192 Kilohertz)
  • 2 x optisch (24 Bit/192 Kilohertz)
  • MC-Bus
  • Buchse für Softwareupdates
  • PSX-R2-Anschluss für externes Netzteil


Ausgänge

  • 1 Paar Lautsprecher (Terminals im Gehäuse versenkt, Bananenstecker zum Anschluss erforderlich)
  • MC-Bus
  • 1 x Vorverstärker (variabel)
  • 1 x Tape Recorder (fixed)
  • 1 x Kopfhörer 3,5-mm-Klinke


Abmessungen (B x H x T):   21,5 x 7,5 x36 Zentimeter

Gewicht:   6,7 Kilogramm

Kontakt

Bellevue Audio GmbH
Kessebürener Weg 6
59423 Unna

Internet:   www.bellevueaudio.de

E-Mail:   office@bellevueaudio.de

Telefon:   0 23 03 / 30 5 0  - 178

Testergebnis

Der Cyrus Classic AMP ist britisches Understatement in Reinkultur, davon zeugt allerdings nur der optische Eindruck aufgrund seiner dezenten Abmessungen. In puncto Ausstattung gibt es nämlich nichts zu meckern, da neben fünf analogen auch vier digitale Eingänge vorhanden sind. Hinzu kommen die Pegelanpassbarkeit der Eingänge, die informative Anzeige und die Steuerungsmöglichkeit per Fernbedienung mit leuchtenden Tasten. Und schließlich überzeugt der Classic AMP am entscheidenden Punkt: der Klangqualität. Hier sichert er sich uneingeschränkte Aufmerksamkeit: Seine leichtfüßige, dadurch entspannt wirkende Gangart setzt sich deutlich vom Gewohnten ab, denn der Cyrus beweist Fingerspitzengefühl im Umgang mit sämtlichen Tönen. Musikhören wird mit diesem Verstärker zum veritablen Genuss.   Olaf Sturm

Cyrus Classic AMP
Preis: 2.395 Euro
Garantie: 2 Jahre
sehr gut
gut - sehr gut
sehr gut
sehr gut
sehr gut

TEST

Verstärker:
Cyrus Classic AMP
Autor:
Olaf Sturm
Datum:
25.10.2022
Hersteller:
Cyrus Audio