Klang-Strategie

Mit dem Bellini kommt ein klassischer, äußerst ansehnlicher Plattenspieler aus dem Hause Transrotor. Spielt er Schallplatten so elegant ab wie er aussieht?

Sollte je der Tag kommen, an dem meine audiophile Leidenschaft nachlässt, dann wird diese Lustlosigkeit hoffentlich nicht allzu lange währen. Dieser Gedanke taucht immer dann besonders gerne auf, wenn ein klangliches Ausnahmeerlebnis vorausging. Wie in diesem Fall geschehen, zu dem ich wie die Jungfrau zum Kinde gekommen bin. Während IDC-Chef Martin Klaassen mir gegenüber sitzend seine umfangreichen Planungen für die High-End-Messe in München erläuterte, legte er ganz nebenbei eine solide kreisrunde Kiste auf den Tisch. Darin verbarg sich der »günstigste« von drei inzwischen lieferbaren Avid-Tonabnehmer-Modellen. In dem Wissen um das Know-how des englischen Analog-Spezialisten und die klanglichen Fähigkeiten seiner Laufwerke bat ich höflich um den Verbleib des »Ionic« zu privaten Testzwecken.

Dieser klanglichen Neugier folgte die Belohnung auf dem Fuße. Nach sorgfältiger Montage und Justage im Clearaudio-Tonarm Unify war mir bereits nach dem Hören der A-Seite von Lee Ritenours Album »Dreamcatcher« klar, dass ein Schattendasein für das Ionic nicht in Frage kommt – dieser Tonabnehmer braucht Öffentlichkeit. Mit 0,32 Millivolt Ausgangsspannung gehört das 9,1 Gramm wiegende Ionic in die Gruppe der »Low Output«-MC-Tonabnehmer. Die Impedanz des Systems liegt bei 4,8 Ohm. Am Phonovorverstärker sollte folglich mindestens ein Wert von 50 Ohm eingestellt sein. Avid empfiehlt sogar Werte ab 100 Ohm, aber das lässt sich am besten in der Praxis mit den Ohren überprüfen. Wer Avid-Chef Conrad Mas kennt, der weiß, dass ihm Vibrationen und Resonanzen mehr als nur ein Dorn im Auge sind und er sie überall dort bekämpft, wo sie auftreten. So besteht beispielsweise das Gehäuse des Ionic aus resonanzminimiertem Aluminium. Das Gewicht der Spule am Ende des in der Länge ausgetüftelten Nadelträgers ist so weit wie möglich reduziert worden, damit die elliptisch geschliffene Nadel den Rillenauslenkungen möglichst präzise folgen kann.

Denkbar einfach gelingen die ersten Schritte mit diesem MC-System. Bei der Verschraubung mit der Headshell hilft diese interessante Konstruktion: Der Nadelschutz sitzt nicht nur unterhalb des Systemkörpers, sondern er ist so nach vorne verlängert, dass man den Tonabnehmer sicher mit Daumen und Zeigefinger greifen kann. Dieses Beispiel darf gerne Schule machen. Da der Nadelträger im vorderen Bereich über eine längere Strecke frei liegt, lässt sich der Überhang präzise einstellen. Als Auflagekraft kommen zunächst zwei per Waage kontrollierte Gramm auf den Abtaster. Es lohnt sich allerdings, in der Praxis Hörvergleiche von bis zu +/- 0,2 Gramm zu machen, um die klanglich bevorzugte Auswahl zu treffen. Mit dem Decade Jubilee von Lehmannaudio steht der passende Phono-Vorverstärker im Hörraum bereit und mit der Audio Physic Spark Lautsprecher, die nichts verbergen können.

Wenn sich eine komplette Big Band im Hörraum einfindet und Tom Gaebel das Mikrophon ergreift, kann es schon mal eng werden, selbst wenn das Album »Perfect Day« heißt. Doch mit dem Ionic an der Spitze haben nicht nur alle Musiker ausreichend Platz, sondern sogar noch Luft drumherum. Mit hoher, teilweise geradezu erschreckender Glaubhaftigkeit entsteht die Musik, was zum einen durch die räumliche Abbildung gelingt und zum anderen auf Natürlichkeit fußt. Es braucht keine Anstrengung, Gaebels Stimme zu identifizieren, die stabil im Zentrum der Stereo-Basis abgebildet wird. Anschwellende Einsätze der Bläser zeugen von unbegrenzter Energie. Vom klanglichen Niveau orientiert sich das Ionic an den Fähigkeiten des teureren Clearaudio-MC-Tonabnehmers Stradivari.

Zurück in die 80er-Jahre, die mir in Sachen Popmusik dank des »Pleasuredome« von Frankie Goes To Hollywood bis heute in bester musikalischer Erinnerung sind. Wenn ich diese LP in die Hand nehme, fällt mir immer die Aussage eines Freundes ein, der einmal meinte, dass ihm die klanglichen Vorzüge von Vinyl gar nicht so wichtig seien, aber richtig gute Musik eben fast nur auf diesem Tonträger zu bekommen sei. Die Dschungel-Atmosphäre entsteht gleich zu Beginn, die Rufe und das Zwitschern der Vögel sind eine Nummer realistischer als vom Goldring Ethos gewohnt. Erstaunlich, was in dieser Collage aus Geräuschen plötzlich wahrnehmbar ist. Dann der fulminante Auftakt, der Rhythmus eher schnell und luftig, die Trommelwirbel plastisch – und dann bekommt das Zwerchfell die Druckwelle zu spüren. Grandios, wie das Ionic die Kombination aus Wucht und Präzision bewerkstelligt.

Musik mit Ausnahmecharakter

Ganz andere Herausforderungen stellt Keith Jarretts »Book Of Ways«, und genau auf die scheint das Avid-System gewartet zu haben, denn jetzt kommen seine Auflösungsfähigkeiten voll und ganz zur Geltung. Jede einzelne Saite des Klavichords ist hörbar, ohne dass man das große Ganze aus der Aufmerksamkeit verliert. In Teilen spielt Jarrett zwei der Instrumente parallel, wobei die Mikrophone sehr nah an ihnen platziert waren. Das führt zu dieser erstaunlichen Nähe und Intensität, welche »Book Of Ways« besitzt. Für mich gehört dieses Album zum Besten, was der Amerikaner bis heute eingespielt hat. Wer nur die CD kennt, ist ob dieser Wertschätzung meist sprach- und ratlos, denn die digitale Version wirkt teilweise so, als ob eine Maschine auf die Tasten haut. Licht ins Dunkel, beziehungsweise Aufklärung kann hier nur das Anhören der Schallplatte bringen. Wenn dabei die Rille vom Avid Ionic abgetastet wird, ist das Ergebnis eine klangliche Offenbarung, die nur mit »überragend« korrekt beschrieben ist.

Von dieser Performance profitiert auch The Bass Face String Trio, dessen Album »Bossa, Ballads And Blues« gerade bei Stockfisch als »Direct-To-Disc-DMM-Cut« erschienen ist. Wenn auf Seiten des Studios so sorgfältig gearbeitet wird wie bei dieser Aufnahme, dann gibt es in puncto Informationsgehalt und klanglicher Potenz keinerlei Beanstandungen mehr. Da werden die Titel vorher im Stile eines Livekonzerts angesagt, die Atmosphäre entsteht umgehend und das Trio gibt mir ein Privatkonzert. Zwischen den Musikern und dem Hörplatz sind keine Verluste zu vernehmen, das Wischen der Schlagzeugbecken mit all seinen feinen Nuancen, der sonore Kontrabass, der zu den tieferen Tönen hin nichts von seiner Energie verliert, und schließlich die geradezu schwebenden Klänge des Klaviers erfüllen jetzt den Hörraum exakt so, wie es bei der Aufnahme geklungen haben muss. Was der MC-Tonabnehmer Ionic hier zu Gehör bringt, hat im bestgemeinten Sinne Ausnahmecharakter.

Interview

mit Conrad Mas, Geschäftsführer und Inhaber von Avid


i-fidelity.net:  
Als i-fidelity.net vor acht Jahren zum ersten Mal mit Ihrem Unternehmen Avid in Kontakt kam, gab es drei Plattenspieler. Heute hat Avid Verstärker, Lautsprecher, Tonarme und Tonabnehmer im Portfolio. Wie ist es dazu gekommen?

Conrad Mas:   Unsere einzigartige Methode zur Eliminierung schädlicher Vibrationen, welche die Klangqualität nachhaltig beeinträchtigen, kann auf jeden Bestandteil einer Audio-Anlage angewendet werden. Da Avid meine Leidenschaft bleibt, war ich schon immer bestrebt, eine vollständige »Needle-to-Ear«-Lösung anzubieten. Die Einführung von Verstärkern, Lautsprechern, Tonabnehmern und bald auch Tonarmen bedeutet für mich, »den Traum leben«. Mein Wunsch ist dabei immer gewesen, dass unsere Kunden genauso viel Freude an ihrer Musik haben wie wir.


i-fidelity.net: 
  Wurden Tonabnehmer wie der Ionic hauptsächlich für Ihre Avid-Plattenspieler entwickelt?

Conrad Mas:   Alle unsere Produkte, einschließlich der Tonabnehmer, sind so konzipiert, dass sie klanglich neutral sind, sodass sie innerhalb eines Avid-Systems nahtlos zusammenarbeiten, aber auch mit anderen Marken funktionieren. Das gilt aktuell für drei Avid-Tonabnehmer.


i-fidelity.net:
   Was waren die wichtigsten Punkte, die Prioritäten bei Ihren Entwicklungen?

Conrad Mas: 
  Wir stellten schnell fest, dass das Nadelträger-Material entscheidend für die akustische Leistung war. Wichtige Faktoren waren die Weiterentwicklung des Diamantprofils, die Reduzierung der Spulenmasse und die Optimierung der Länge des Nadelträgers. Wir haben die Energiespeicherung innerhalb des Tonabnehmers minimiert, da das Gehäuse so konstruiert ist, dass die vom Abtastvorgang verursachten Vibrationen effizient über den Tonarm abgeleitet werden können, was wiederum bei der exakten Rillenverfolgung hilft. Allein dieses Detail empfinde ich an unseren Tonabnehmern als außergewöhnlich.

Ausstattung

Hersteller:   Avid HiFi, Kimbolton, UK

Vertrieb:   IDC-Klaassen, Lünen

Modell:   Ionic

Kategorie:   MC-Tonabnehmer

Preis:   2.490 Euro

Garantie:   2 Jahre

Korpus:   Aluminium

Nadelträger:   Aluminium

Nadel-Schliff:   elliptisch

Impedanz:   4,8 Ohm

Empfohlener Wert der Abschluss-Impedanz der Phonovorstufe:
   >100 Ohm

Empfohlene Auflagekraft:   2,0 Gramm (1,8 - 2,2 Gramm möglich)

Gewicht:   9,1 Gramm

Kontakt

IDC Klaassen Int’l OHG
Am Brambusch 22
44536 Lünen

Internet:   www.idc-klaassen.com

E-Mail:   info@mkidc.eu

Tel. +49 231 9860-285

IDC-Klaassen auf facebook.

Testergebnis

Einst führte Avid-Chef Conrad Mas seine Laufwerke nach dem klangorientierten Prinzip »good-better-best« vor. Theoretisch ist das jetzt auch mit den Tonabnehmern Ionic, Boron und Reference Ruby möglich. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass bereits das Ionic überragend klingt. Dieser MC-Tonabnehmer ist überdurchschnittlich schnell und präzise in der Abbildung, offenbart exzellente räumliche Abbildungsfähigkeiten und transferiert den ohnehin genussvollen Klang von Vinyl auf höchstes Niveau. Hinzu kommen noch das problemlose Handling bei Einbau und Justage sowie bei der täglichen Nutzung. So sorgt der lange Nadelträger beispielsweise dafür, dass man die gewünschte Absenkposition auf der Platte nicht verfehlen kann. In Summe ergibt sich für das Avid Ionic deshalb der i-fidelity.net-Referenz-Status.   Olaf Sturm

Avid Ionic
Preis: 2.490 Euro
Garantie: 2 Jahre
überragend
sehr gut
sehr gut
sehr gut

TEST

Tonabnehmer:
Avid Ionic
Autor:
Olaf Sturm
Datum:
07.04.2022
Hersteller:
Avid