Es gibt wahrlich beeindruckendere Geräte als einen Netzwerk-Switch, um sich erstmals einem neuen Markt zu präsentieren. Doch der chinesische Hersteller Silent Angel wählte 2019 mit dem Bonn N8 genau einen solchen Kandidaten fürs Entree. Aus guten Gründen. Erstens konnte man sich durch das bis dato vernachlässigte Thema »Audiophile Switch« gebührende Aufmerksamkeit verschaffen. Zweitens verfügt die Company über profunde Kenntnis in diesem Technologiesegment. Schließlich ist Silent Angel ein Tochterunternehmen des Netzwerkspezialisten Thunder Data, die den industriellen Sektor bespielen. Seit diesem gelungenen Start überrascht der Ableger mit weiteren smarten Produkten im Bereich Digital Audio, welche in hoher Taktzahl das Marktangebot bereichern. Als Beispiele seien genannt: ein Roon-Server namens Rhein Z1, das Netzteil Forester F1 oder eben jener zum Test vorspielende Streamer Munich M1.
Gleich beim Verlassen seiner sehr geschmackvollen Kartonage strahlt das Gerät trotz geringem Gewicht von unter einem Kilogramm gediegene Wertanmutung aus: Das Gehäuse ist aus Metall, die Hairline-Aluminium-Frontplatte mit eingraviertem Namen und Typenbezeichnung leicht gewölbt. Vier mikroskopisch kleine LEDs signalisieren aktive Betriebszustände. Rechts außen liegt die 6,35-Millimeter-Klinkenbuchse zum Anschluss eines Kopfhörers. Bei Streamern ist ein solcher Ausgang eher unüblich, aber durchaus sinnvoll. Anwender von Aktivboxen bekommen so die Gelegenheit, zusätzlich »Cans« in ihr Setup einzubinden. Alternativ kann der Munich M1 seinen Dienst als reine Headphone-Station verrichten. Im Regelfall jedoch dürfte er eine klassische Stereoanlage um vielfältige Streaming-Funktionalitäten erweitern.
Obgleich mit Abmessungen von 155 x 50 x 110 Millimetern gerade handtellergroß, bietet der Kandidat auf seiner Rückseite eine in dieser Preisklasse nicht alltägliche Anschlussvielfalt. Über zwei Cinch-Buchsen nimmt er dank integriertem D/A-Wandler direkte Verbindung zum Verstärker auf. Alternativ kann das Signal digital ausgegeben werden. Hier offeriert der Streamer folgende Optionen: S/PDIF Koaxial, AES/EBU XLR sowie das ausgesprochen high-endige I2S-Format via HDMI. Insgesamt vier USB-Ports (2 x USB 2.0, 2 x USB 3.0) warten auf ihre Verwendung. Der farblich in Orange markierte Port wurde von Silent Angel dezidiert für die Audio-Ausgabe präpariert, die drei weiteren erlauben ein Andocken von Speicherbausteinen zum direkten Abspielen dort vorgehaltener Musikdateien. Der Hersteller weist aber darauf hin, dass aus klanglichen und betriebstechnischen Gründen konventionelle Festplatten bitte über eine eigene Stromversorgung verfügen mögen, weswegen die tendenziell leiseren 2,5-Zoll-Modelle nicht in Frage kommen. Mit SSDs und USB-Speichersticks hingegen ist man auf der sicheren Seite. Zwei weitere Anschlüsse dienen etwaigen späteren Erweiterungen (zum Beispiel Bildschirmen), während über die RJ45-Ethernet-Buchse die Verbindung zum Router/Switch hergestellt wird. Eine kabellose Steuerung via WLAN oder Bluetooth ist nicht vorgesehen, was den audiophilen Anspruch des stillen, aber ambitionierten Engels aus China unterstreicht.
Silent Angel vertraut für den M1-Streamer auf die Rechenleistung eines Quad Core-ARM-Cortex-Prozessors mit 1,5 GHz, der auch in vielen vergleichbaren Geräten der Konkurrenz seinen Dienst tut. Durch üppige 32 GB Flash ROM hat der Musikcomputer ausreichend Kapazitäten für perspektivisch kommende Anwendungen und läuft auch nicht Gefahr, durch »Überfüllung« die Klangqualität negativ zu beeinflussen. Die Ingenieure haben hohen Aufwand betrieben, diese etablierte Plattform für Audio-Anwendungen zu optimieren: So wurde höchstes Augenmerk auf die Vermeidung von Störgeräusch-Übertragungen gelegt. Keine einfache Aufgabe angesichts des auf beengtem Raum mehrstöckig konstruierten Platinen-Arrangements. Der Einsatz eines massiven Kühlkörpers sorgt für sichere Betriebstemperaturen und macht einen störenden Lüfter obsolet. Die Stromversorgung erfolgt über ein externes Schaltnetzteil, kann aber auch vom eingangs erwähnten, separat erhältlichen Linear-Netzteil Forester F1 übernommen werden. Grundsätzlich bietet Silent Angel den M1 in drei Versionen mit 2, 4 oder 8 GB DRAM-Speicher an. Hier gilt die Faustregel: Wer lediglich Musikdienste nutzt, kommt mit weniger aus, wer mehr überwiegend eigene Audio-Files via NAS abspielt, profitiert von mehr Speicher.
Das Gerät hat weder Display noch Fernbedienung, es wird ausschließlich via Tablet oder Smartphone dirigiert. Silent Angel offeriert eine kostenlose App mit hauseigenem Betriebssystem, dem Linux-basierten VitOS Orbiter (iOS, Android). Hierüber laufen zuerst einmal sämtliche Einstellungsprozesse. Auch dank der deutschen Übersetzung der Oberfläche war eine Inbetriebnahme schnell erledigt: Das exzellente Ethernet-Kabel AIM Shieldio an den Switch Bonn N8 geparkt, VitOS-App aufs iPhone geladen, die Western Digital-NAS im Menüpunkt »Netzwerkspeicher« gefunden – und wir waren »ready to go«!
Über die Applikation stellt der Munich M1 seine Verbindungen zu populären Streaming-Diensten her. Derzeit befinden sich im Portfolio: Qobuz, TIDAL, Spotify Connect sowie die beileibe nicht bei allen Wettbewerbern anzutreffenden Amazon Music HD sowie HighResAudio, Letzteres als Beta-Version. Apples Airplay wird ebenfalls unterstützt. So konnte ich den Silent Angel damit beauftragen, bei den YouTube-Clips am iPad den Audio-Part zu übernehmen. Das klappte nach Anwahl im Menü des Tablets sofort und bereicherte den Videogenuss ungemein. Gleicher Erfolg bei Spotify: Der Streamer wird im Rahmen der Spotify-App als Abspiel-Option angeboten, sodass ich meine präferierten Podcasts bequem über die Stereoanlage laufen lassen konnte. Sämtliche auf Datenspeichern vorliegenden Audio-Files ruft der M1 gleichsam via VitOS ab. Das gelang – sowohl vom NAS als auch einem angedockten USB-Stick – schnell und lief stabil.
Bei der Funktionalität gab es demzufolge nichts zu bemängeln, in Sachen Praxistauglichkeit hingegen ist bei VitOS noch Luft nach oben. Als optimierungsbedürftig erwies sich der Findungsweg zum File. Ohne Suchfunktion und Alphabet-Index musste ich schon bei einer mittelgroßen Musik-Bibliothek intensiv scrollen, um das gewünschte Album für das Abspielen zu entdecken. Das komfortable Erstellen persönlicher Wiedergabelisten und selbst zu definierender Favoriten ist derzeit ebenfalls nicht im Angebot. Auch im Falle der Internetradio-Ausstattung glänzt nicht alles golden, weil zwar Themen- und Stilbereiche sortiert sind, man aber beispielsweise keine hiesigen Radioprogramme vorfindet. Hier verspricht Silent Angel die baldige Integration des »TuneIn«-Musikdienstes, womit diese Baustelle abgebaut wäre. Bei Digital-Audio-Komponenten ist die Feature-Entwicklung halt immer »im Fluss«. Ich vertraue hier dem Hersteller, denn während der mehrwöchigen Residenz des Munich M1 in meinen Räumlichkeiten versorgte Silent Angel das Gerät kontinuierlich mit Firmware- und Feature-Updates. Auf Nachfrage des deutschen Vertriebs IAD verkündeten die chinesischen Entwickler beispielsweise, dass die Implementierung der Such-Funktion für April eingetaktet ist.
Wer auf solch sukzessives Optimieren nicht warten möchte, hat derzeit zwei Optionen. Da der kleine Streamer den DLNA/UPnP-Standard unterstützt, habe ich alternativ die bewährte kostengünstige iOS-App mconnect HD eingesetzt. Dort wurde das Silent Angel-Gerät umgehend als Wiedergabe-Adressat identifiziert. Hierüber war sowohl eine bequemere Suche im File-Fundus als auch das niedrigschwellige Erstellen von Playlists und Definieren von Favoriten möglich. Android-User könnten die ähnlich gelagerte BubbleUPnP-Software versuchen.
Den maximalen Komfort erlangt man über die Einbindung des kleinen Streamers in das Roon-Universum, welches jedoch ein kostenpflichtiges Abonnement und einen als Roon Core-definierten Computer/Server erfordert. Der Munich M1 ist »Roon Ready« zertifiziert, wird somit von der Roon-Software als »Endpunkt« erkannt. In diesem Modus liefen die meisten meiner Hörtests. Über den Roon-Umweg lassen sich auch MQA-Dateien abspielen. Der Streamer selbst bietet kein erstes »Unfolding« an, diese Aufgabe muss die Player-Software übernehmen. Da das Gerät über USB ansonsten hochauflösende Daten bis zu 768 Kilohertz (PCM) und DSD 256 verarbeitet, konnte ich immer aus dem Vollen schöpfen.
Dabei zeigte sich der M1 als sachverständiger Reproduzierer digital gespeicherter Musik, indem er die etwas melancholisch eingefärbte Stimmung auf dem 1970er-Album »Stone Flower« von Antonio Carlos Jobim passgenau ins Ziel brachte: Die Streicher wirken wie gefordert milchig bis samten, Schlagwerk und Gitarre hingegen durchaus brillant und silbrig. Auffällig auch die Präzision in der Wiedergabe der sehr beweglichen Bass-Beiträge von Ron Carter. Die spezielle Räumlichkeit in den Arrangements des Bossa-Nova-Maestros schickte der chinesische Streamer ebenfalls akkurat durch die Verkabelung. Auch bei deutlich lebendigerem Material blieb der Munich M1 stets am Ball: Den unwiderstehlichen Groove auf dem Album »Abrada« der japanischen Afrobeat-Kapelle Ajate fängt der Streamer perfekt ein – auch weil er im Bassbereich wieder nicht schüchtern unterwegs ist. Das Auflösungsvermögen leidet darunter keineswegs: Die komplexen Perkussion-Verwicklungen in den Mittellagen knüpft der Silent Angel sehr sauber auf.
Erst als ich meinen Musical Fidelity MX DAC via USB-Audio Out ins Spiel brachte, zeigte sich, dass in der finalen Wandlung noch Luft nach oben ist. Bei der wunderbaren Coverversion des Talking-Heads-Titels »Listening Wind« vom The Specials-Album »Protest Songs 1924 - 2012« spielten sich vor allem die Aspekte Feinstofflichkeit und Dreidimensionalität in den Vordergrund, wenn der M1 nur als Transport agierte und dem externen Gerät die Konvertierung überließ. Aber man beachte, dass der Musical Fidelity MX DAC samt eigenem Zusatznetzteil plus eingesetztem QED Reference USB-Kabel in etwa soviel kostet wie der Munich M1 alleine. Man muss sich schon in diese Preisregionen bewegen, um den integrierten D/A-Converter des Silent Angel-Streamers signifikant zu übertreffen. Diese Erkenntnis belegt aber auch, wieviel Potential in dem Gerät steckt.
Am externen DAC erweist sich die nächste Upgrade-Option als sinnvoll: der Austausch des mitgelieferten Schaltnetzteils durch das Forester F1 Linear-Netzteil. Dieses tut schon seit Monaten verlässlich Dienst an meinem Bonn N8 Network-Switch und war deswegen leicht miteinzubeziehen. Zumal es einen zweiten Versorgungsport von 5V/2A anbietet, der genau den Anforderungen des Munich M1 entspricht. Und tatsächlich kann ich einen Mehrwert konstatieren: Durch das Netzteil gewinnt der Streamer an klanglicher Finesse. Insbesondere in den Bereichen Durchhörbarbeit, Feindynamik und Öffnung des Raumes. Das Forester F1 ist ein weiterer Baustein zur sukzessiven Optimierung. Ein cleverer Schachzug der Chinesen, die auch noch spezielle Netzkabel (»Bastei«) für diese Verbindung entwickelt haben.
Dass der kleine Silent Angel Munich M1 derart »gepimpt« tatsächlich selbstbewusst im Konzert der »Erwachsenen« mitspielen kann, bewies er kürzlich in meinem Test des exzellenten Canor DAC 2.10. Dort übernahm er in einem avancierten Setup als reiner Datenlieferant die Bereitstellung der Audio-Daten und lieferte einen hervorragenden Job ab. Für solche Aufgaben in einem High-End-Umfeld oder bei bereits vorhandenem DAC bietet Silent Angel den M1 auch als reinen Transporter ohne integrierten D/A-Wandler an. Dann trägt er die Bezeichnung M1T und kostet je nach RAM-Ausführung bis zu 570 Euro weniger. Andererseits zeigte sich in meiner Zeit mit dem Munich M1 auch, dass man mit der hier getesteten Version auf einem sehr guten Niveau starten und sich dann sukzessive – durch Linear-Netzteil, externen DAC, optimale Verkabelung – in höchste Klangweihen vorarbeiten kann. Der kleine Streamer bringt beste Voraussetzungen für stetiges Wachstum mit, macht aber bereits jetzt vieles richtig.
Hersteller: Silent Angel
Vertrieb: IAD GmbH, Korschenbroisch
Modell: Munich M1
Kategorie: Network-Streamer
Preise: 999, 1.199, 1.399 Euro (2/4/8 GB RAM)
Garantie: 3 Jahre Garantie (bei Registrierung)
Anschlüsse:
Ausführung: schwarz
Abmessungen (B x H x T): 15,5 x 5,8 x 11,5 cm
Gewicht: 915 g
IAD GmbH
Johann-Georg-Halske-Str. 11
41352 Korschenbroich
Tel.: 08 00 / 2 34 50 07
Internet: www.audiolust.de
E-Mail: info@iad-audio.de
Auf dem ersten Blick wirkt der Munich M1 des Newcomers Silent Angel wie ein unscheinbarer Vertreter seiner Gattung. Doch bei näherer Inspektion entpuppt sich der kompakte Streamer als exzellent verarbeitet, aufwendig konstruiert und durchdacht konzipiert. Seine Ausstattung ist überdurchschnittlich gut und geschickt gewählt, was den Munich M1 in vielen Anwendungssituationen zu einem interessanten Kandidaten macht. Die hauseigene Software VitOS Orbiter punktet durch klare Struktur und stabile Performance, kann lediglich bei Komfortaspekten noch sicherlich kommenden Feinschliff vertragen. Doch mit alternativ verwendbaren UPnP-Apps oder Roon befriedigt der Munich M1 diesbezüglich bereits jetzt alle Ansprüche. Der Silent Angel Munich M1 ermöglicht einen exzellenten Start in die Welt des hochwertigen Streaming-Erlebnisses. Er klingt schon in dieser Basisversion sehr gut, bietet aber gleichsam beste Voraussetzungen für ein schrittweises Tuning in immer höhere Klangsphären. André Schwerdt
Silent Angel Munich M1 |
Preis: ab 999 Euro |
Garantie: 3 Jahre (Registrierung erforderlich) |