Traumhaft

Canton hat seine Top-Lautsprecherlinie überarbeitet. Kein leichtes Unterfangen, wenn man bedenkt, dass die »Reference K«-Serie seit 2015 bis heute Maßstäbe setzt. Mit den neuen Standboxen Reference 3 begibt sich i-fidelity.net auf eine Reise in die Welt des Wohlklangs.

Langsam sinkt der Tonarm ab, dann taucht die Nadel in die Rille ein. Was folgt, ist der Musikgenuss von Schallplatte. Und zwar nicht nur von einer bestimmten Platte, dieser Genuss mag sogar übergreifend von die Nutzung dieses Tonträgers herrühren. Gleichwohl gibt es in Abhängigkeit von den verwendeten Komponenten teils erhebliche Unterschiede beim klanglichen und damit auch musikalischen Resultat. Natürlich spielen viele Faktoren auf dem Weg von der Rille bis zum Lautsprecher eine Rolle. Oftmals unterschätzt wird dabei die Rolle des Phono-Vorverstärkers, der hinter der Auswahl des Laufwerks und des Tonabnehmers oftmals zurücksteht. Manch einer nimmt seinen Phono-Pre gar nicht wahr, weil er in den Vor- oder Vollverstärker integriert ist. Anderen wiederum ist die Bedeutung wohl kaum bewusst, wenn sie ein solches Gerät gleichsam als notwendiges Übel verstehen und das Budget entsprechend knapp bemessen. In der Folge verlieren viele HiFi-Systeme genau an dieser Stelle viel Potential.

Zu den Menschen, die das massiv stört und die das ändern wollen, gehört der Kölner Norbert Lehmann – ein bodenständiger Ingenieur, der unter anderem mit seinen Phonostufen seit über 30 Jahren hochzufriedene Kunden hat. Produktübergreifend kann über seine Geräte gesagt werden, dass sie Neutralität hundertprozentig wahren, diese aber nicht von Farblosigkeit oder gar Langeweile begleitet wird. Die Nutzer, zu denen auch i-fidelity.net von Anfang an gehört, bemerken das vor allem an dem Umstand, dass kein Gedanke an den Austausch eines Black Cubes in seinen unterschiedlichen Ausbauformen, des Decade oder des Spitzenmodells Silver Cube verschwendet wird. Solche Wertanlagen sind im High-End-Bereich nicht die Regel.

Abzulesen ist diese Kontinuität auch an der langen Laufzeit der Geräte. Norbert Lehmann läuft keinen Modeerscheinungen hinterher, sondern bleibt stoisch bei dem, was er entwickelt hat und baut darauf konsequent auf. In Blindtests überprüft er immer wieder, ob und inwieweit sich Bauteile oder Änderungen bei der Schaltung klanglich auswirken. Mit den Jahren ist er bei der ein oder anderen Neuerung toleranter geworden. Will heißen, dass es Dinge gibt, die klar hörbar sind, deren technische Erklärung aber zunächst nicht offensichtlich auf der Hand liegt. Unter anderem sind auf diese Weise auch Praxis-Erfahrungen in den Decade Jubilee eingeflossen. So arbeitet die Eingangsstufe jetzt kanalgetrennt, auch die Umschaltungen zwischen MM und MC, höherer Verstärkerleistung und dem »Subsonic«-Filter – Lehmann nennt die Funktion korrekt »Soft Bass Roll Off«, da die Eckfrequenz 50 Hertz beträgt – besitzen nun einen Doppel-Mono-Aufbau mit je zwei Relais. 

Das RIAA-Netzwerk des Decade Jubilee ist mit zehn schwarzen Mundorf-Zinnfolienkondensatoren bestückt, also Bauteilen, die bisher dem teureren Silver Cube vorbehalten waren. Mit einer maximalen Abweichung von einem halben Dezibel von dieser Entzerrungs-Kennlinie und einem ebenso niedrigen Wert für die Kanalabweichung liegt der Decade natürlich nach wie vor im grünen Bereich. Neu ist das »Schuhwerk«, denn sowohl das mit 28-VA-Ringkerntransformator bestückte Netzteil als auch der Phono-Pre stehen jetzt auf Lehmannaudio 3S-Gerätefüßen, von denen ein Trio für Standfestigkeit sorgt. Im Netzteil sind aus einfachen jetzt dreifache Kupferbahnen geworden. Auch hier finden sich Elkos aus dem Hause Mundorf mit einer Siebkapazität von 18.800 Mikrofarad. Dazu bemerkt Norbert Lehmann nüchtern: »Dieser Aufwand ist bei rein physikalischer Betrachtung kaum zu rechtfertigen, aber in einem Blindtest sofort hörbar.« Also erfolgt die Umsetzung in den Seriengeräten.

Einstellungsvielfalt

Mit Hilfe der informativen Bedienungsanleitung gelingen die elektrischen Anpassungen der Phonostufe an das verwendete Tonabnehmersystem tadellos. Wer sich einen ganz bestimmten Wert wünscht, kann diesen auf dem Steckplatz für eine Wahlimpedanz platzieren. Strom bekommt der elegante Decade Jubilee von seinem externen Netzteil, das dank der langen, abgeschirmten und mit vierpoligen Neutrik-Steckern versehenen Kabelverbindung zur Störungsvermeidung weit entfernt platziert werden kann. Beide Gehäuse sind aus Aluminium und verfügen über einen schwingungsberuhigten Deckel. Mikrofonie und Resonanzen sind an keiner Stelle in der Anlage erwünscht, aber gerade hier in der Phonovorstufe mit ihren kleinen Strömen würden sich ihre negativen Auswirkungen deutlich bemerkbar machen.

Da erklingt sie in der Tiefe des Raumes, die Mundharmonika, die das Supertramp-Album »Crime Of The Century« furios eröffnet. Es gibt keinen Zweifel, wohin sich der Decade Jubilee klanglich orientiert. Er zeichnet den Raum sehr genau und bringt in diesem jedes Instrument in größter Klarheit hervor. Bei den rhythmischen Schlägen holzt er weniger als preiswertere Phonostufen und bietet stattdessen sehr viel mehr Details an. Erstaunlich ist dabei auch die klangliche Farbenpracht, die mit zunehmender Verweildauer am Netz noch steigt. Norbert Lehmann geht von 100 Stunden Einspielzeit seiner Geräte aus, eine Einschätzung, die i-fidelity.net teilt. Aus klanglichen Gründen schicken wir ohnehin keinen Phono-Pre in den Stand-by, sondern lassen diese Komponenten stets am Netz.

»To The Bone« von Steven Wilson liefert unterschiedliche akustische Aspekte beim Hören. Da ist zunächst eine weibliche Stimme aus dem »Off«, deren Verständlichkeit immer ein guter Indikator für das gesamte Set-up ist. An diesem Punkt muss sich der Decade Jubilee das Kompliment allerdings mit dem Transrotor-Laufwerk Dark Star teilen. Für die fulminante Tieftonattacke ist der Lehmannaudio dann wieder selbst verantwortlich und setzt damit ein echtes Ausrufezeichen, weil er bei aller Kraft nie die Kontrolle verliert. Das ist auch durch die Tatsache belegbar, dass Wettbewerber hier zum Teil sumpfiger und ausgefranster, in der Regel aber vor allem blutleerer tönen. Absolute Spitze ist auch die Abbildung von Wilsons Stimme, die nicht nur einfach zwischen den Lautsprechern wie festgenagelt steht, sondern vor allem an Realismus kaum zu übertreffen ist. Das sind so intensive Augenblicke beim Hören, dass man sie konservieren möchte – am besten, indem die Anlage nicht mehr verändert wird.

Interview

mit Geschäftsführer Norbert Lehmann


i-fidelity.net:   Herr Lehmann, der Decade Jubilee hat seine Premiere auf der Audio Visual Show in Hongkong 2019 gefeiert. Was hat die Serienfertigung verzögert?

Norbert Lehmann:   Der Decade Jubilee in der Version HK 2019 war schon ein vielversprechender Ansatz, aber eben doch noch nicht ganz so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Zwischenzeitlich ergaben sich neue Möglichkeiten wie etwa die Integration der erst in 2020 entwickelten 3S-Gerätefüße. Insgesamt hat die Verzögerung der Gerätequalität gut getan. Der Hörvergleich zwischen den Versionen war sehr deutlich. Umso glücklicher bin ich, dass wir nun ein Gerät am Start haben, das – in aller Unbescheidenheit – mindestens in der Preisklasse Maßstäbe setzen wird.


i-fidelity.net:   Sind von den anderen Modellen auch »Jubilee«-Ausführungen zu erwarten?

Norbert Lehmann:   In den über drei Jahrzehnten, die Lehmannaudio mit Qualitätsprodukten auf dem Markt präsent ist, hat uns eine stetig wachsende Zahl von Kunden ihr Vertrauen geschenkt. Vielfach sind die Kunden in der Zeit sozusagen die Produktleiter hochgeklettert. Dafür bin ich persönlich sehr dankbar. Das gibt Lehmannaudio seit längerem die Freiheit, von der Geräteentwicklung her in Qualitätssegmente vorzustoßen, die sich sehr deutlich vom Budget-HiFi abheben und ein anderes Musikerleben ermöglichen. Es wird deshalb immer wieder neue Ansätze geben, auch ohne das Label »Jubilee«. Beim Decade bot sich das an – auch wenn das Gerät nun mit zeitlicher Verzögerung in den Markt kommt.


i-fidelity.net:
   Sie sind Ingenieur. Ist die Konstruktion des Decade Jubilee ausschließlich unter technischen Aspekten erfolgt?

Norbert Lehmann:
   Schon sehr früh in der Historie von Lehmannaudio habe ich mit befreundeten High-End-Enthusiasten, Musikern und Ingenieuren Hörvergleiche angestellt. Diese Blindtests (!) zum Beispiel zwischen verschiedenen Netzteildioden und gesockelten oder alternativ gelöteten Bauteilen haben bei allen Beteiligten für echte Aha-Erlebnisse gesorgt. Die Resultate sind in die klangliche DNA der Lehmannaudio-Produkte eingeflossen. Die technische Funktionalität ist eine Grundvoraussetzung ebenso wie die begleitende Kontrolle durch die Messtechnik, aber High End Audio ist vor allem Hören und im fortgeschrittenen Bereich dann auch Fühlen. Als wesentliche Fragen haben sich für mich herauskristallisiert: »Wie fühle ich mich vor dieser Anlage? Habe ich Lust, länger sitzen zu bleiben, den Klang zu genießen und eine beglückende musikalische Reise anzutreten?« Wenn stattdessen Unruhe, permanentes Spielen an der Lautstärke, Titelwechsel oder dauernde Wechsel der Tonträger/Alben meine Hörerfahrung bestimmen, stimmt etwas nicht – entweder mit mir selbst oder mit der Anlage.


i-fidelity.net:   Sie bieten technische Upgrades an. Andere Hersteller wählen den Weg des Modellwechsels – warum ist das keine Option für Lehmannaudio?

Norbert Lehmann:
   Upgrades sind meines Erachtens nach für Kunden fairer und zusätzlich deutlich nachhaltiger als Modellwechsel, die oft genug nur versteckte Preiserhöhungen verschleiern sollen. Die meisten unserer Geräte sind upgradefähig bis hin zum Platinentausch. Es bleibt dabei den Kunden überlassen, wie weit sie die Reise mitgehen wollen. Immer noch können zum Beispiel auch Black Cubes von 1994 auf den neuesten Stand gebracht werden, und alle Linear-Modelle aller Baujahre können auf die Linear II Platine hochgerüstet werden. Auch Decade-Upgrades auf den Jubilee werden natürlich möglich sein.


i-fidelity.net:   Inwieweit macht sich das Fehlen der Publikumsmessen bemerkbar?

Norbert Lehmann:   Publikumsmessen wie die High End oder die Norddeutschen HiFi-Tage fehlen auch uns bei Lehmannaudio schon alleine aus Tradition. Wir waren in den letzten fast zwanzig Jahren ununterbrochen auf der High End zu finden. Konzentriert an mehreren Tagen hintereinander viele Interessenten und Kunden persönlich ansprechen zu können, ist wertvoll. Auch der brancheninterne Kontakt mit Kollegen, Vertrieben und der Presse war bisher im Rahmen der Messen immer konzentriert, sehr angenehm und effektiv. Auf der anderen Seite bieten sich nun auch Digitalisierungsmöglichkeiten, die vorher nicht da waren. Wenn der gleiche Aufwand, den wir als Hersteller vorher in Publikumsmessen investiert haben, nun in neue Kanäle umleiten, bieten sich auch neue Möglichkeiten des Publikumskontakts. Wir sind gerade dabei, unsere digitalen Möglichkeiten des Live-Publikumskontakts massiv zu erweitern. Wir freuen uns jetzt schon auf die zweite Auflage der Analogtage Ende Oktober 2021 (www.analogtage.de). Hier möchte ich noch nicht zu viel verraten, aber ich verspreche nicht nur mir, sondern auch den Teilnehmern jede Menge Inspiration, Musikerlebnisse, neue Eindrücke und Aktionen.

Ausstattung

Hersteller:   Lehmannaudio, Köln

Modell:   Decade Jubilee

Kategorie:   Phono-Vorverstärker (MM/MC)

Preis:   3.399 Euro

Garantie: 
  2 Jahre (Registrierung vorausgesetzt)

Verstärkung MM:   46 dB (+10 dB schaltbar)

Verstärkung MC:   66 dB (+10 dB schaltbar)

Eingangsimpedanz:   47 kOhm, 1 kOhm, 100 Ohm, 1 x Wahlimpedanz

Eingangskapazität:   47 bis 1.370 pF

Subsonic: 50 Hz Eckfrequenz

Ausführung:   schwarz, silber, chrom

Abmessungen Phono-Pre (B x H x T):   11 x 5 x 28 cm

Gewicht:   0,9 kg

Abmessungen Netzteil PWX II (B x H x T):   11 x 5 x 28 cm

Gewicht:   1,6 kg

Kontakt

Lehmannaudio Vertriebs GmbH
Waltherstraße 49 – 51
Gebäude 4
51069 Köln

Internet:   www.lehmannaudio.de
 
Tel.:   0221 / 29 49 33 20

Testergebnis

Mit der Jubilee-Ausführung des Decade ist Lehmannaudio eine traumhafte Phono-Vorstufe gelungen. Der Betrieb unterschiedlichster MM- und MC-Tonabnehmer ist möglich, die dafür vorzunehmenden Einstellungen erfolgen per DIP-Schalter und auf der Front. Lehmanns Know-how bei der Auswahl und Kombination von hochwertigen Bauteilen schlägt sich im überragenden Klangresultat nieder. Sicher, diese Form analoger Klangkultur kostet Geld, aber wie eingangs beschrieben, halten die Komponenten von Norbert Lehmann lebenslang. Ein Urteil, das Fans der Schallplatte sicher akzeptieren können.   Olaf Sturm

Lehmannaudio Decade Jubilee
Preis: 3.399 Euro
Garantie: 2 Jahre (Registrierung erforderlich)
überragend
sehr gut
sehr gut
sehr gut

TEST

Verstärker:
Lehmannaudio Decade Jubilee
Autor:
Olaf Sturm
Datum:
26.05.2021
Hersteller:
Lehmannaudio