Paradiesisch

Nachdem Bowers & Wilkins kürzlich die überarbeiteten »Signature«-Modelle seiner Referenzserie »800« eingeführt hat, profitiert nun auch die preisgünstige Linie »600« von neuen Erkenntnissen. i-fidelity.net hat den besonders kompakten Regallautsprecher 607 S3 zum Test geordert.

Fehleinschätzungen bei den Verkaufspreisen kommen in der HiFi- und High-End-Branche immer wieder vor. Zwar führen der Materialeinsatz, das Design, die Ausstattung, Bedienung und natürlich das klangliche Resultat einer Komponente normalerweise zu einem reellen Wert, aber manchmal liegt man auch vollkommen daneben. In den meisten dieser Fälle sind die Geräte oder Lautsprecher dann teurer als erwartet. Seltener, aber für den Kunden wesentlich erfreulicher, ist natürlich der umgekehrte Fall. Dieses Vergnügen soll die in den Gehäuseausführungen Schwarz, Weiß, Eiche hell und Walnuss lieferbare Diamond-Serie aus dem Hause Wharfedale bieten, die sechs Modelle umfasst.

Es geht gleich gut los: Das Gehäuse der neuen Diamond 12.1 besteht aus mehreren Schichten, die durch einen nicht aushärtenden Kleber miteinander verbunden sind. Dieser konstruktive Aufwand reduziert die Schwingneigung des Gehäuses, was sich positiv auf die Klangeigenschaften auswirken soll. Das haben die Entwickler der Diamond-Serie übrigens nicht nur per Gehör herausgefunden, sondern mit aufwendiger Messtechnik, welcher die Problemzonen nicht entgehen, auch bestätigt. In der Folge war die gezielte Beruhigung des Korpus durch Verstrebungen einfacher und extrem wirkungsvoll möglich. Selbstverständlich ist das kein Job für Hobbybastler. Hier ist fundiertes Know-how gefragt, und deshalb ist es auch kein Wunder, dass mit Karl-Heinz Fink in federführender Position ein ausgewiesener Fachmann am Werk gewesen ist.

Konzipiert ist die Diamond 12.1 als Zweiwege-Bassreflexsystem. Akkurat ist das Bassreflexrohr mit dem Gehäuse verbunden. Bei manch anderen Lautsprechern reicht ein fester Ruck aus, um es zu entfernen, doch bei der Wharfedale bewegt es sich keinen Millimeter. Vertikal angebracht sind die vier Anschlüsse für das Lautsprecherkabel. Warum vier? Der Lautsprecher kann auch im Bi-Wiring- beziehungsweise Bi-Amping-Betrieb genutzt werden. Dass es sich dabei um mehr als eine Randnotiz handelt, sollten wir später im Hörraum noch erleben. In der 1,3 Zentimeter starken, sorgfältig lackierten Schallwand finden sich die beiden Chassis, deren Arbeitsbereiche von einer Frequenzweiche mit 24 Dezibel Flankensteilheit voneinander getrennt sind. Entwickler Fink steht mit Verzerrungen auf Kriegsfuß, und so finden sich auf der Weiche auch teure Luftspulen, die diesbezüglich positive Eigenschaften aufweisen, wie er ausführt.

Für den Hochtonbereich kommt eine 25-Millimeter-Kalotte zum Einsatz. Der in einem kleinen Hornvorsatz arbeitende Dom aus Polyester wurde zur Versteifung mit Lack beschichtet. Das Entwicklungsziel bestand darin, dass er nur in geringfügigem Maße verfärbt und der Abstrahlwinkel möglichst breit ist. Unter 2.600 Hertz übernimmt ein 13-Zentimeter-Tiefmitteltöner, dessen Membran aus Polypropylen und Schichtsilikat gefertigt wird. Auch seine Entwicklung erfolgte mittels aufwendiger Simulationsverfahren, die das Verhalten des Chassis sehr genau vorhersagen können. Während in dieser Preisklasse häufig Schwingspulen aus Aluminium verwendet werden, besitzt die 12.1 ein Modell aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Zu guter Letzt verfügt der Magnet, also der »Motor« des Chassis, noch über einen Aluminiumring, der für ein präziseres Impulsverhalten sorgen soll.

Bei der Aufstellung eines kompakten Lautsprechers gibt es mehrere Optionen. Geht es um das Abrufen des maximalen Klangpotentials, ist die Platzierung auf Ständern empfehlenswert. Ebenso gehört ein vernünftiges Lautsprecherkabel dazu. In Verbindung mit der Wharfedale machte das QED-Kabel XT25 – ein zwei Meter langes und mit Bananensteckern bestücktes Set kostet um die 100 Euro – einen exzellenten Eindruck. Mit dem MA900 aus dem Hause Magnat stand ein bewährter Vollverstärker zur Verfügung. Einspielzeit hin oder her, am Schluss siegte die Neugier und die Diamond 12.1 musste zeigen, was sie kann. Im Zusammenspiel mit der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz und Klaus Doldinger’s Passport ist das »Symphonic Project« entstanden. Dafür hat Doldinger unter anderem die »Tatort«-Titelmelodie und den Soundtrack von »Das Boot« in ein klassisches Gewand gehüllt. Die Wharfedale besticht vom ersten Sonar-Ton bis zum Einsatz der Bläser mit genauem Auflösungsvermögen. Zudem punktet sie mit einer dreidimensionalen Raumabbildung. In den leiseren Passagen offenbart sie mehr akustische Details, als in ihrer Preisklasse überhaupt zu erwarten sein dürften.

Abtauchen in weite Klangräume

Saxophon in der Grace Cathedral in San Francisco spielen zu dürfen, ist ein Privileg. Eines, das man Branford Marsalis sicher gönnt. »In My Solitude« lautet der Titel des dabei entstandenen Albums, das in überdurchschnittlichem Maße von einer guten Anlage profitiert. Denn zwei Dinge müssen absolut stimmig sein: die feinen Klappengeräusche des Instruments sowie die präzise Raumabbildung. Bei »Stardust« fasziniert die Wharfedale mit einer höchst präzisen Abbildung des Saxophons und des Nachhalls, der sich lang und weit im Kirchenschiff ausbreitet. Mit Bi-Wiring-Verkabelung bleibt dieser Eindruck erhalten, aber die Wiedergabe bekommt eine äußerst angenehme Leichtigkeit. Auch an den Klangfarben des Instruments gibt es kaum etwas auszusetzen, schon gar nicht, wenn man Klassenkameraden zum Vergleich heranzieht.

Elektronische Tanzmusik wie vom aktuellen Faithless-Album »All Blessed« scheint nicht unbedingt das richtige Futter für einen so zierlichen Lautsprecher wie die 12.1 zu sein. Denkste, natürlich erzielt die Wharfedale nur eine geringe physische Wirkung, aber, und das ist deutlich wichtiger, sie dröhnt auch nicht auf Kosten der Auflösung unkontrolliert herum. Doch dank ihrer Plastizität und dem hohen Maß an Klarheit macht auch das Hören dieses Albums richtig Spaß. Vor allem die weiträumigen Klangflächen klingen dabei harmonisch. Mit dieser letzten, ebenfalls gelungenen Darbietung wird die Diamond 12.1 zum neuen i-fidelity.net-Arbeitsgerät. 

Laborbericht

Lautsprecher Wharfedale Diamond 12.1

Impedanzminimum:   3,7 Ohm @ 203 Hz

Nennimpedanz (± 20% Toleranz):   4 Ohm

Empfindlichkeit:   85,5 dB (2,83 V / 1m; 500-5.000 Hz)

Ausstattung

Hersteller:   Wharfedale, England

Vertrieb:   IAD GmbH, Korschenbroich

Modell:   Diamond 12.1

Kategorie:   Kompakt-Lautsprecher

Paarpreis:   319 Euro

Garantie:   5 Jahre

Konstruktion:   Zwei-Wege-Bassreflex

Bestückung:   1 x 13-Zentimeter-Tief-Mitteltöner, 1 x 25-Millimeter-Textilkalotte

Übergangsfrequenz:
   2.600 Hz

Anschluss:   Bi-Wiring-Terminal

Ausführungen:   schwarz, weiß, Eiche hell, Walnuss

Abmessungen (B x H X T):   18 x 32 x 25 cm

Gewicht:   6,8 kg

Kontakt

IAD GmbH
Johann-Georg-Halske-Str. 11
41352 Korschenbroich

Tel.:   08 00 / 2 34 50 07

Internet: 
  wharfedale-deutschland.de

E-Mail:   info@iad-audio.de

Testergebnis

Im Jahr 1982 begann die Geschichte von Wharfedales Diamond-Serie. Knapp vierzig Jahre später markiert die aktuelle Inkarnation Diamond 12.1 eine echte Spitzenleistung. Die Krönung ist der von Wharfedale aufgerufene und angesichts der Perfomance der 12.1 zu niedrig wirkende Preis, welcher aus Sicht der Kunden einfach nur sensationell ist. Genussvolleres Musikhören ist in dieser Preisklasse nicht möglich. Logische Konsequenz: Diese Britin verlässt den Hörraum von i-fidelity.net nicht mehr.   Olaf Sturm

Wharfedale Diamond 12.1
Paarpreis: 319 Euro
Garantie: 5 Jahre
sehr gut
gut - sehr gut
sehr gut
sehr gut
sehr gut

TEST

Lautsprecher:
Wharfedale Diamond 12.1
Autor:
Olaf Sturm
Datum:
12.05.2021
Hersteller:
Wharfedale