Mit dem D3 präsentieren die Digital-Audio-Spezialisten von Lumin eine neue Version ihres erfolgreichen Streamers D2. Wieviel mehr Lumin-Qualität bietet das aufgefrischte Einstiegsmodell?

Kaum eine europäische Hauptstadt ist in meinen Augen so friedlich und schön wie Oslo – Wetter und Preisniveau lassen wir bei diesem Urteil einfach mal außen vor. In den Gesichtern der Menschen spiegelt sich dieses positive Flair wider. Man ist hier weit entfernt davon, Stress regieren zu lassen. Stattdessen geht alles in normalem Tempo vor sich, wer eilig unterwegs ist, ist zumeist kein Norweger. Norweger, wie Hegel-Chef Bent Holter, zeichnen sich durch ihren lockeren Umgang aus. Dabei kann durchaus der Eindruck entstehen, dass auch die weltweit vertriebene Elektronik »mit links« gemacht wird. Doch das täuscht, wie der Besuch am Firmensitz zeigt. Dort arbeitet ein Quintett aus Ingenieuren, jeder mit einem Spezialgebiet beschäftigt, und Bent Holter koordiniert und dirigiert seine Entwickler, um am Ende vielseitige Komponenten zu kreieren, die bei aller Bandbreite in der Ausstattung keine Schwachstellen aufweisen. In den vergangenen Monaten hat Hegel mit den Modellen H590 und H390 gleich zwei eindrucksvolle Beweise dafür geliefert, wie die i-fidelity.net-Tests gezeigt haben.

Wir hätten es allerdings nicht für möglich gehalten, dass Hegel mit der Idee, Ausstattung, Design und Klangqualität bereits an einem noch niedrigeren Preispunkt anzubieten, erfolgreich sein würde. Aber so ist das, wenn man die Rechnung ohne den Wirt, in diesem Fall folglich Bent Holter, macht. Der neue in schwarzer und weißer Ausführung erhältliche Vollverstärker hört auf den Namen H120 und kostet mit 2.595 Euro weniger als die Hälfte des H390. Was man Hegel lassen muss, ist die gelungene Abwägung in puncto Anschlüssen. Es gibt drei analoge Eingänge, wovon einer sogar als XLR-Version ausgeführt ist. Für den Anschluss einer weiteren Endstufe oder von Aktivlautsprechern steht ein regelbarer Vorverstärkerausgang zur Verfügung. Eindrucksvoll ist die Digitalsektion, die drei digitale TosLink-, einen koaxialen, einen USB-B- und einen Netzwerkanschluss umfasst. Zudem kann Musik von den Quellen Spotify Connect und Apple AirPlay wiedergegeben werden. Per Update wird dieser Amp auch in Kürze als »Roon Endpoint« fungieren können, UPnP-Streaming ist schon jetzt möglich. Trotz knappen Budgets haben die Norweger dem H120 sogar noch eine Kopfhörerbuchse spendiert, und in einem Smart Home, das mit Control4-Netzwerktechnik arbeitet, lässt er sich ebenfalls einbinden.

Wer angesichts dieser Ausstattungsvielfalt eine überladene Frontpartie erwartet, sieht sich getäuscht: Es gibt lediglich einen Eingangs- und Lautstärkeregler links und rechts des Displays. Das ist der Inbegriff klarer Struktur und in der Praxis sehr angenehm zu bedienen. Erst mit Hilfe der soliden Fernbedienung erschließt sich die Komplexität des H120. So kann sowohl die Einschalt- als auch die Maximallautstärke – für den Lautsprecher- und den Kopfhörerausgang getrennt – eingestellt werden. Zu den steten Ärgernissen bei vielen Netzwerkprodukten gehört, dass sie sich nicht aus dem Stand-by aufwecken lassen – der H120 jedoch lässt sich im Software-Menü eines Smartphones oder Tablets auch in diesem Zustand auswählen und schaltet sich automatisch ein. In einem weiteren Menüpfad kann nach neuer Betriebssoftware gesucht werden, die Werkseinstellung wieder aktiviert und ein Bypass für den Betrieb innerhalb eines Heimkino-Systems geschaltet werden. Mit dem Wort »genial« ist das Ausstattungspaket richtig beschrieben.

Wo haben die Entwickler denn angesichts dieser Ausstattung Einsparungen vorgenommen? Ein Punkt findet sich schnell, denn im Gegensatz zu den größeren Brüdern bietet der H120 keine DSD-Wandlung und keinen MQA-Support. Allerdings ist das eigentliche D/A-Wandlermodul mit 24 Bit/192 Kilohertz von Grund auf neu entwickelt worden und soll dem des Vorgängers »Röst« klanglich deutlich überlegen sein. Klangqualität ist ein gutes Stichwort, denn die steht seit drei Jahrzehnten unangefochten auf Platz eins bei Bent Holters Team. So ruhen die 11,1 Kilogramm Gewicht des Hegels auf nur drei Füßen, wodurch selbst ein noch so geringes Hin- und Herwackeln vermieden wird. Ein solider Ringkerntransformator, dessen Energie in vier speziell für Hegel hergestellten 10.000-Mikrofarad-Kondensatoren zwischengespeichert wird, sorgt für 2 x 144 Watt (4 Ohm) am vergoldeten Ausgang, der sowohl Bananenstecker als auch Kabelschuhe für die Verbindung zu den Lautsprechern akzeptiert.

Nach dem Einstecken des Netzsteckers signalisiert ein kleiner Punkt im Display den Stand-by-Zustand. Aus dem Schlaf kann der Hegel per Fernbedienung oder per Tastendruck – der Schalter befindet sich auf Höhe der Anzeige unter dem Verstärker – geholt werden. Ein hörbar klickendes Relais signalisiert dies auch akustisch. Ist das Gerät per Netzwerkkabel erfolgreich mit dem Internet verbunden, bestätigt das ein kleiner Haken des per Fernbedienung auch abschaltbaren Displays. Da sich der Pegel in 99 Einzelschritten einstellen lässt, findet sich die gewünschte Lautstärke immer schnell und punktgenau – auch das ist wunderbar gelöst. Da der H120 bereits mit dem Netzwerk verbunden ist, starten wir die erste Hörrunde gleich mit Musikübertragung per AirPlay.

Von wegen der »Kleine«

»All Systems Go« stammt aus dem Soundtrack des Films »Apollo 13«. Neben dem kraftvollen, tiefen Bass entwickelt sich der Reiz dieser Musik aus der harmonischen Interaktion von elektronischen Klangflächen mit strahlenden Bläsern. Der Hegel leuchtet das Geschehen wunderbaraus, dabei überrascht seine Energie-Lieferfähigkeit in den unteren Oktaven, die er konturiert und mit spektakulärem Schub zu Gehör bringt. Wichtiges Kriterium an dieser Stelle ist aber, dass der Amp im Hochtonbereich nicht nervt. Das lässt sich auch mit Solostimmen hervorragend überprüfen. Mit »Dear Maro« der Progressive-Rock-Band Frequency Drift ist bei jedem zweiten Gerät dieser Preiskategorie schon nach einer Minute Schluss, nämlich genau dann, wenn Sängerin Irini Alexia einsetzt und Hochtonkalotten den Drang verspüren, sich klirrend-nervig in den Vordergrund spielen zu müssen. Bei einem Breitbandmono-Lautsprecher fällt das nicht auf, aber in einem hochwertigen System ist es nicht tolerabel. Mit dem kleinen Hegel muss man diesbezüglich aber nur minimale Abstriche im Vergleich zu seinen größeren Brüdern in Kauf nehmen. Die Wiedergabe ist von Luftigkeit und Klarheit geprägt, Lästigkeiten gibt es keine, und für AirPlay-Zuspielung hat die Musik sogar ein ordentliches Maß an Griffigkeit.

Klanglich geht es die Stufen ein ganzes Stück weiter nach oben, als die Musik vom MacBook Air, das mit der Klangoptimierungs-Software Audirvana+ ausgerüstet ist, per USB-Verbindung aus dem Hause Nordost geliefert wird. Insbesondere die Abbildung der Bühne in die Breite und Tiefe des Raumes profitiert hiervon. Vor allem bei Live-Aufnahmen wie Madonnas Album »MDNA«, das in einer großen Halle in Miami aufgezeichnet wurde, wird das deutlich. Da schiebt der Hegel H120 das mächtig produzierte »Vogue« mit seinem pulsierenden Bass an, vergisst dabei die Geräusche tausender Zuschauer nicht und projiziert die Queen of Pop zentral auf die beeindruckend große Bühne. Das funktioniert sogar bei höheren Abhörpegeln tadellos. Ganz schön viel Leistung für diesen Preis.

Die alte Schule

Klassisch per Cinchkabel docken wir einen Marantz CD-Player an. Im Player rotiert »Soul To Love«, ein wunderbares Stück von Moby. Weiträumige, elektronisch generierte Klangflächen schweben über dem pulsierenden Rhythmus, und wer das Stück nur per Kopfhörer kennt, wird sich wundern. Apropos, der im H120 arbeitende Kopfhörerverstärker liegt klanglich über dem Durchschnitt. Er hat keinen Eigensound, sondern liefert das Signal neutral an die Buchse. Bei eingestöpseltem Klinkenstecker werden die Lautsprecherausgänge abgeschaltet. Doch erfolgt der Wechsel dann zurück auf Schallwandler von der Qualitätsstufe einer Dynaudio Special Forty eröffnet sich dem Hörer eine wunderbare Klanglandschaft, die sich noch steigern lässt, indem man die D/A-Wandlung dem Hegel überlässt – dann gewinnt das Klangbild durch zusätzliche Informationen an Reiz.

Komplettiert wird das großartige Gesamtbild dieses Verstärkers, als die Musik vom Plattenspieler kommt. Mit leuchtenden Klangfarben und musikalischem Fluss spielt und singt Kari Bremnes. Da der H120 keinen Phonovorverstärker an Bord hat, muss man sich mit zusätzlichem Equipment behelfen. In unserem Fall übernahm ein Lehmannaudio-Pre die Aufgabe. Ein tonales Kriterium, was uns die ganze Zeit schon latent aufgefallen war, kommt jetzt, bei der Wiedergabe von Schallplatten, besonders zum Tragen: Dieser Norweger bläst der Musik frischen Wind unter die Flügel. Unter Berücksichtigung aller Feinheiten zeichnet er ein knackiges und vitales Klangbild, das wir von Verstärkern dieser Preisklasse normalerweise nicht zu hören bekommen. Ob Musik vom Laptop oder Schallplattendreher kommt, hat keinen Einfluss auf diese äußerst angenehme Charaktereigenschaft.

Messwerte Vollverstärker Hegel H120

Leistung:
Nennleistung @ 4 Ohm (1% THD):   144 Watt
Nennleistung @ 8 Ohm (1% THD):   82 Watt

Verzerrungen:
Klirrfaktor (THD+N, 10 Watt @ 4 Ohm):   0,0082 %
IM-Verzerrungen SMPTE (5 Watt @ 4 Ohm):   0,034 %
IM-Verzerrungen CCIF (5 Watt @ 4 Ohm):   0,0070%
 
Störabstände:
Fremdspannung (- 20 kHz):   -91,0 dB
Geräuschspannung (A-bewertet):   -95,4 dB
 
Sonstige:

Obere Grenzfrequenz (-3dB / 10 W @ 4 Ohm):   169 kHz

Kanaldifferenz:   0,08 dB

Eingangswiderstand:   6,7 kOhm


Stromverbrauch:
Stand-by:   < 1 Watt
Leerlauf:   27 Watt

Hersteller:    Hegel, Norwegen

Vertrieb:   GP Acoustics, Essen

Modell:   H120

Kategorie:   Vollverstärker

Preis:   2.595 Euro

Garantie:   2 Jahre

Eingänge (digital)

  • 1 x koaxial
  • 3 x optisch
  • 1 x Netzwerk
  • 1 x USB-B



Eingänge (analog)

  • 2 x Cinch
  • 1 x XLR



Ausgänge (analog):   1 x Cinch (variabel)

Fernbedienung:   Metallgehäuse, im Lieferumfang enthalten

Ausführungen:   weiß, schwarz

Abmessungen (B x H x T):   43 x 8 x 31 cm

Gewicht:     11,1 kg

GP Acoustics GmbH
Kruppstrasse 82-100
45145 Essen

E-Mail:   info.de@kef.com

Internet: 
  www.hegel.com

Telefon:    02 01 / 17 03 9-0

Ohne Frage ist den Norwegern mit ihrem jüngsten Spross H120 ein wirklich eindrucksvoller Wurf gelungen. Dabei scheidet aufgrund der Funktionsvielfalt des H120 nicht ein Interessent aus: Musik kann nämlich per Computer, CD-Spieler, Netzwerk, AirPlay und auch analog zugespielt werden. Dabei ist die parallele Verwaltung dieser unterschiedlichen Quellen aufgrund des logischen Bedienkonzepts wirklich einfach. Aber bei allem schicken Design, den vielen Anschlussmöglichkeiten und der soliden Machart ist es die klangliche Qualität, die dem Vollverstärker Hegel H120 eine erfolgreiche Zukunft in Aussicht stellt. Dieser Amp ist unabhängig von der Preisklasse ein bemerkenswerter Höhepunkt!   Olaf Sturm

Hegel H120
Preis: 2.595 Euro
Garantie: 2 Jahre
sehr gut
gut - sehr gut
überragend
sehr gut
sehr gut

TEST

Verstärker:
Hegel H120
Autor:
Olaf Sturm
Datum:
04.11.2019
Hersteller:
Hegel