Mit der Diamond-Serie bringt Vincent eine Sonderedition des erst im letzten Jahr überarbeiteten, klanglich exzellenten Premium-Vorverstärkers SA-T7MK auf den Markt. Warum machen die das?

Es gibt Verstärker, deren Frontplatten mit Schaltern übersät sind. Dem Auge soll ein großes Ausstattungspaket signalisiert werden. Was bei der ersten Betrachtung im Laden noch spektakuläre Wirkung entfalten kann, entpuppt sich beim Einsatz in der eigenen Anlage jedoch meist als überflüssig. Doch in einer Audio-Welt, die digitale und analoge Signale gleichberechtigt behandelt, ist eine spartanische Bestückung auch kein probates Mittel. Wie die für den Nutzer passende Lösung aussehen kann, hat Hegel mit dem Vollverstärker H590 im vergangenen Jahr gezeigt: Die Frontplatte besteht aus zwei Drehreglern und einem Display, und dennoch verfügt diese Maschine über alle notwendigen Einstellmöglichkeiten. Man kann auch sagen, dass Komfort und Ästhetik eine Verbindung auf hohem Niveau eingegangen sind.

Mit dem neuen H390 kommt jetzt eine preiswertere Variante auf den Markt, die ebenfalls vernünftig ausgestattet ist. So gibt es sechs Digitaleingänge, wobei es zu der koaxialen und den optischen sogar noch eine BNC-Variante gibt. Von den drei vorhandenen analogen Eingängen ist einer symmetrisch ausgeführt. Die norwegischen Ingenieure haben dem H390 neben dem USB-Eingang zusätzlich einen Netzwerkanschluss spendiert, der die Update-Fähigkeit per Internet sowie UPnP-Streaming und Apple AirPlay ermöglichen soll. Wenn der H390 mit dem Internet verbunden ist, zeigt das ein kleines Häkchen im Display an.

In puncto Signal-Wandlung beherrscht der H390 alles bis DSD256, auch MQA wird erkannt und einwandfrei dekodiert. Wie wir es von Hegel gewohnt sind, bleibt der Verstärker beim Wechsel der Formate und Eingänge nicht ein einziges Mal »hängen«. Nach jeweils minimaler Zeitverzögerung ist das Signal erkannt, die D/A-Wandlung beginnt und die Wiedergabe startet geräuschfrei. Von Sparmaßnahmen kann allerdings bei der Technik keine Rede sein, verrät doch der Blick ins Innere des Gehäuses, dass das digitale Board weitestgehend dem des großen Bruders H590 entspricht. Die Basis des Analogeingangs bildet zwar die bewährte Schaltung aus dem H360, die allerdings dank neuer Spannungsregler und der Bestückung mit anderen Transistoren alles andere als identisch ist.

Einer der Schlüssel für Hegels Klangqualität hört auf den Namen »SoundEngine 2«. Diese patentierte Schaltung ist ein Ersatz für die klassische Gegenkopplung. Die patentierte Sound Engine basiert auf dem »Feed-Forward«-Prinzip, was bedeutet, dass statt einer klassischen Signalrückführung hier je ein kleiner parallel geschalteter Analog-Computer das Verzerrungsniveau jeder einzelnen Verstärkerstufe überwacht. Wird die festgelegte Limitierung für das Verzerrungsniveau erreicht, generiert die SoundEngine ein invertiertes Signal, das die unerwünschten Verzerrungsanteile auslöscht. Bei welchem Wert dieser »Treshold Detector« anspricht, konnte i-fidelity.net den Norwegern nicht entlocken. Von pegelschwachen Signalen bis zu mittlerer Lautstärke greift die Sound Engine aber nicht ein, die kaskadierten Stufen sind lokal gegengekoppelt.

Neben den klassischen Zuspielmöglichkeiten bietet der Hegel H390 Spotify Connect, IP Control sind an Bord, Control4 und Roon kommen in Kürze per Update. Damit ist also die »Eierlegende Wollmilchsau« geschaffen. Gesteuert wird die Komplexität in der Kombination der beiden soliden Drehschalter auf der Front und der Fernbedienung. Bei Letzterer sind es verschiedene Tastenkombinationen, die einen in Verbindung mit dem hervorragend ablesbaren Display auch sicher durch tiefere Menü-Strukturen führt. So kann der Nutzer beispielsweise eine Einschalt- und auch Maximallautstärke festlegen. Für das puristische Hören kann die Anzeige auf der Frontplatte ganz abgeschaltet werden.

Alte analoge Geschichten

Sein großes Digitalangebot wollten wir uns für den zweiten Teil des Tests aufheben. Zunächst sollte der H390 seine Signale vom Clearaudio-Plattenspieler Anniversary bekommen, die der Lehmannaudio SilverCube auf Hochpegelniveau anlieferte. Martin Tingvalls Kunst am Klavier ist stets mehr als nur geniales Spiel auf den Tasten eines Klaviers. Seine Musik befreit den Hörer von schlechter Stimmung, sie nimmt ihn mit auf einen Flug über schöne Landschaften. Je besser die klangliche Qualität der Anlage ist, desto intensiver werden die Bilder. Was der H390 hier mit Dynaudios Special Forty abliefert, ist eindrucksvoll. »From Above« beginnt mit klaren Anschlägen, die sich im Nachhall vereinen. Von den feinsten Nuancen bis zu der transparenten Gesamtabbildung gibt es nicht den Hauch eines schrägen Tons. Luftig und weit reißt der Hegel den Raum auf, zudem fällt die harmonisch leichte Gangart auf, wie man sie bei einer analogen Quelle erwartet.

Spannung versprach der folgende klangliche Vergleich zwischen der analogen Ausgangsstufe des Marantz SACD-Spielers SA-KI Pearl und dem parallel übertragenen Digitalsignal. Beide Verbindungen stammten aus dem Hause HMS, und mit der höchsten Qualitätsstufe »Suprema« waren wir auf der sicheren Seite. Während der analoge Marantz-Ausgang die Wiedergabe eher rund und warm anbot, führte der Wechsel auf die digitale Eingangssektion des Hegels zu einer massiven Frischzellenkur. Jetzt versorgte er die Bühne mit deutlich mehr Licht, und der Zugewinn an Klarheit tat insbesondere Stimmen gut, die exakt zentriert zwischen den Schallwandlern platziert wurden. Mit anderen Worten verfügt der H390 über beachtliches Potential, auch in die Jahre gekommenen CD-Playern zu einem klanglichen Schub zu verhelfen.

Ab durch die Schallmauer

Mit AirPlay (AirPlay 2 wird per Update verfügbar) von Apple wird das Musikauswählen und -hören sehr einfach: Streamingdienst nach Wahl auf dem Smartphone öffnen, Titel auswählen und in Richtung Hegel schicken. Nicht nur der Komfortaspekt ist dabei interessant, sondern auch die Tatsache, dass es jetzt weitaus dynamischer tönt als beispielsweise über eine Bluetooth-Verbindung. Letztere bietet der Hegel nicht an, und das ist auch gut so.

Dann kommt das erste DSD-File zum Einsatz: Carrie Newcomer. Dem Kollegen rutscht bei den ersten Tönen der Gitarre und beim Einsatz der charaktervollen Stimme heraus, dass er sich dieses Wiedergabe-Niveau immer gewünscht hat. Recht hat er, denn was HiRes-Files über den Hegel ermöglichen, ist neben überragender Klangqualität vor allem die Auflösung jeglicher Barriere zwischen Musik und Hörer. Alles wirkt hundertprozentig echt, kein künstliches Detail stört den Genuss. Da gibt es auch kaum noch einen Aspekt des Frequenzspektrums, der eine besondere Erwähnung verdient, mit Ausnahme des wirklich tiefschwarzen und dabei klaren Bassbereichs vielleicht.

Zum Schluss bekommt der H390 seine digitalen Daten vom mit Audirvana 3.5 bestückten MacBook Air. Es ist ein Genuss, Keith Jarretts Interpretation von Bachs »Wohltemperiertem Klavier« zu lauschen. Die Tidal-Masters-Auflösung ist in diesem Fall 88,2 Kilohertz/24 Bit, also über der CD-Datenrate angesiedelt. Klanglich besticht die Wiedergabe auch hier durch ihre räumliche Offenheit, die dazu noch weit in die Tiefe reicht. Strahlende Klangfarben des Flügels und die Aufdeckung selbst kleinster Details untermauern unseren positiven Klangeindruck. Doch zeigt sich der Hegel nicht nur intellektuellem Hörvergnügen gegenüber offen, nein, auch wenn er Madonnas »MDNA«-Live-Konzert überträgt, findet er seine Ausnahmerolle. Da machen sich bei »Gang Bang« dann die im Labor gemessenen 391 Watt an vier Ohm brutal und dennoch kultiviert auf den Weg zum Lautsprecher, der im Gegensatz zu seinen äußeren Abmessungen jetzt mit der Wucht eines PA-Systems zu Werke geht. Dabei ist die Leistung weniger in puncto Lautstärke entscheidend, sondern vielmehr in energetischer Hinsicht. Der Hegel brennt das Feuerwerk dieser Performance grandios ab.

mit Frank Eschholz, Hegel-Produktmanager bei GP Acoustics

 

i-fidelity.net:   High-Ender sind in den allermeisten Fällen Puristen. Konzentration auf das Wesentliche lautet ihr Credo. Aber ist aus Ihrer Sicht ein rein mit analogen Eingängen bestückter Vollverstärker noch zeitgemäß?
 
Frank Eschholz:    Mein letztes rein analoges Gerät habe ich verkauft, als ich für einige Zeit das Hobby HiFi im Jahr 1981 auf Eis gelegt habe. Damals war ich vom Geknister der Platten ziemlich genervt. Das hat sich erst im Jahr 1990 geändert, als ich wegen eines – auch aus heutiger Sicht – sehr guten CD-Players wieder in das Hobby eingestiegen bin. Die digital gespeicherte Musik und deren Reproduktion sind in den letzten Jahren immer besser geworden und befinden sich heute – die Analog-Fans mögen mir verzeihen – auf einem deutlich höheren Niveau als das analoge Pendant. Allerdings muss man große Anstrengungen unternehmen, um die digitalen Bestandteile in Verstärkern von den erforderlichen analogen Komponenten strikt zu trennen. Hegel folgt diesem Ansatz bis ins Detail und bietet im H390 eine besonders große digitale Anschlussvielfalt an, kümmert sich aber gleichzeitig mit besonderer Sorgfalt darum, die analogen Sektionen perfekt vor ungünstigen digitalen Einflüssen zu schützen. Selbstverständlich gibt es auch analoge Eingänge wie einen XLR- und zwei Cinch-Eingänge, aber der Fokus liegt im Bereich moderner Schnittstellen und ebensolcher Musiknutzung. Um endlich Ihre Frage zu beantworten: Ein rein analoger Verstärker ist heute schlicht und einfach überholt.


i-fidelity.net:   Wer die Klangqualität aktueller Hegel-Verstärker erlebt hat, stellt im Anschluss meist die Frage nach einem Quellgerät. Stehen CD-Spieler oder gar ein Plattenspieler bei den Norwegern noch auf der Agenda?
 
Frank Eschholz:   Hegel hat mit keiner Musikquelle irgendwelche Probleme, weswegen es immerhin drei analoge Eingänge gibt, an die bei Bedarf beispielsweise ein Phono-Vorverstärker angeschlossen werden kann. Damit bleiben die Norweger den Analog-Liebhabern treu und folgen trotzdem der eigenen Philosophie. Vor knapp drei Jahren gab es bei Hegel eine interne Wette. Bent und Anders konnten sich nicht einig werden, ob sie zwei, drei oder vielleicht fünf Exemplare eines reinen CD-Players verkaufen würden, der nichts anderes kann als CDs abzuspielen – wirklich rein gar nichts! Bent entschied schließlich, das Projekt trotz aller Bedenken umzusetzen. Daraus wurde der Hegel Mohican – buchstäblich der Letzte der Mohikaner. Der Mohican ist ein reiner CD-Player ohne irgendetwas sonst. Ein wahrer Purist! Gewonnen hat die Wette übrigens keiner der beiden, denn es wurden und werden erheblich mehr als fünf Mohicans verkauft. Er wurde – für Hegel-Verhältnisse – ein Verkaufsschlager und ist nicht nur nach meiner Einschätzung klanglich eines der feinsten Geräte für die CD-Wiedergabe.
 
 
i-fidelity.net:   In einer komplexeren Audio-Welt, die heute Router, Streamer, USB- und Netzwerkkabel beinhaltet, sind die Fachhändler mit vielen neuen Fragestellungen konfrontiert. Greifen Sie mit gezielten Maßnahmen von Vertriebsseite unterstützend ein?
 
Frank Eschholz:   Sehr viele Händler waren über Jahrzehnte eine »heile« Welt gewohnt. Ganz früher gab es den DIN-Stecker, dann kamen Cinch oder XLR sowie ein paar exotische Verbindungen wie Camac etc. Die dann auf den Markt kommenden optischen und koaxialen, digitalen Schnittstellen stellten niemanden vor Schwierigkeiten. Alles änderte sich mit dem Zusammenwachsen der Welten IT und der Unterhaltungselektronik. Händler, die sowohl Audio- als auch TV-Geräte verkaufen, mussten sich schon früh auf neue Technologien einstellen und haben oft einen kleinen Vorteil gegenüber anderen, meistens reinen Audio-Händlern, die erst spät mit Netzwerk und Co. angefangen haben. Wir bieten mit einem sehr kleinen, aber kompetenten Serviceteam Fachhändlern und Verbrauchern ein umfangreiches Wissenspotential an und können dadurch nahezu alle Anwenderprobleme lösen. Das Wichtigste ist, dass wir für unsere Kunden direkt und persönlich erreichbar sind. Wenn sehr spezielle Fragen auftauchen, ist der Draht zu Hegel kurz. Diese persönlichen Bindungen sind etwas, was uns und Hegel von anderen unterscheidet. Das gilt nicht nur für das Verhältnis von uns als Distributor zu Hegel, sondern auch für das von GPA und Hegel zum Endkunden.

Messwerte Vollverstärker Hegel H390

Leistung:

Nennleistung @ 4 Ohm (1% THD):   391 W
Nennleistung @ 8 Ohm (1% THD):   250 W

Verzerrungen:
Klirrfaktor (THD+N, 10 Watt @ 4 Ohm):   0,0031 %
IM-Verzerrungen SMPTE (5 Watt @ 4 Ohm):   0,12 %
IM-Verzerrungen CCIF (5 Watt @ 4 Ohm):   0,0060%
 
Störabstände:
Fremdspannung (- 20 kHz):   -93,6 dB
Geräuschspannung (A-bewertet):   -95,9 dB
 
Sonstige:
Obere Grenzfrequenz (-3dB / 10 W @ 4 Ohm):   172 kHz

Kanaldifferenz:   0,03 dB

Eingangswiderstand:   6,6 kOhm


Stromverbrauch:
Stand-by:   28 W
Leerlauf:   62 W

Hersteller:    Hegel, Norwegen

Vertrieb:   GP Acoustics, Essen

Modell:   H390

Kategorie:   Vollverstärker

Preis:
   5.995 Euro

Garantie:   2 Jahre

Eingänge (digital)

  • 1 x koaxial
  • 3 x optisch
  • 1 x Netzwerk
  • 1 x USB


Eingänge (analog)

  • 2 x Cinch
  • 1 x XLR


Ausgänge (digital):   1 x koaxial (BNC

Ausgänge (analog)
1 x Cinch (festpegel)
1 x Cinch (variabel)

MQA-Dekodierung
:   USB, BNC, koaxial und optische Eingänge

Fernbedienung:   Metallgehäuse, im Lieferumfang enthalten

Abmessungen (B x H x T):   43 x 15 x 44 cm

Gewicht:   20 kg

GP Acoustics GmbH
Kruppstrasse 82-100
45145 Essen

E-Mail:   info.de@kef.com

Internet: 
  www.hegel.com

Telefon:    02 01 / 17 03 9-0

Von wegen kleiner Bruder! Der Hegel H390 setzt seine Entschlossenheit, analoge, digitale und Netzwerkquellen in überragender Qualität anzubieten, hundertprozentig um. Damit heftet er sich seinem großen Bruder H590, der i-fidelity.net-Referenz ist, klanglich an die Fersen, preislich jedoch nicht. Klares Design, sinnvolle Ausstattung, hohe Leistung und die überragende Klangqualität machen den Hegel H390 zu einem der aktuell besten Angebote. Ein klares »Highlight«!   Olaf Sturm

Hegel H390
Preis: 5.995 Euro
Garantie: 2 Jahre
überragend
gut - sehr gut
sehr gut
sehr gut
sehr gut

TEST

Verstärker:
Hegel H390
Autor:
Olaf Sturm
Datum:
06.08.2019
Hersteller:
Hegel