Nachdem Bowers & Wilkins kürzlich die überarbeiteten »Signature«-Modelle seiner Referenzserie »800« eingeführt hat, profitiert nun auch die preisgünstige Linie »600« von neuen Erkenntnissen. i-fidelity.net hat den besonders kompakten Regallautsprecher 607 S3 zum Test geordert.

Lautsprecher, die als Pärchen 400 Euro kosten, wecken bei anspruchsvolleren Hörern keine allzu großen Erwartungen. Doch in Zukunft könnte es sich häufiger lohnen, solchen Offerten ein Ohr zu schenken. Denn während im High-End-Bereich die Preise für Schallwandler inzwischen teils astronomische Höhen erreicht haben, formiert sich parallel zu dieser problematischen Entwicklung seit einiger Zeit auch eine »Gegenbewegung«: Immer mehr Hersteller aus dem gehobenen Segment wollen auch zu Einstiegspreisen Produkte anbieten, die selbst kritische Interessenten überzeugen können. Dali ist bei diesen natürlich nicht ganz uneigennützigen Bemühungen an vorderster Front dabei und hat bereits mehrfach bewiesen, dass sich hohe Klangqualität abseits von Effekthaschereien auch mit kleinem Budget erreichen lässt. Innerhalb des Portfolios tauchen die Lautsprecher der Spektor-Serie noch immer am tiefsten in günstige Preisregionen hinab, doch die über ihnen positionierten Oberon-Modelle sind nicht minder scharf kalkuliert. Für ihren Mehrpreis warten die Neuen zum einen mit einer aufwendigeren Verarbeitung und edler wirkenden Furnieren auf, die zusammen mit einem modernen Design für ein aufgeräumtes, sehr ansprechendes Erscheinungsbild sorgen. In technischer Hinsicht setzt sich die Oberon-Serie ebenfalls von den Spektor-Modellen ab, doch dazu später mehr.

Zunächst lohnt sich ein genauerer Blick auf das anspruchsvoll gestaltete Äußere dieser Kompaktbox, die neben den klassischen Ausführungen in schwarzer Esche und dunklem Walnussfurnier auch in Weiß sowie in das Trendfurnier Eiche hell gekleidet zu haben ist. Die seidenmatt glänzende Schallwand ist bei den dunklen Furnieren schwarz; für die hellen Ausführungen wird sie passend weiß lackiert. Ohne die Abdeckungen kann sich die Oberon 1 wirklich sehen lassen, denn die Schallwand wird genau bündig mit den Außenkanten auf den Korpus aufgesetzt, sodass Übergänge im Furnier vermieden werden. Das Gehäuse sieht daher wie aus einem Guss gefertigt aus, wobei der schmale Montagering des Tiefmitteltöners und die plane Montageplatte des Hochtöners die dezent-elegante Wirkung der Front unterstreichen. Wer die Technik dennoch verbergen möchte, kann die zum Lieferumfang gehörenden Textilbespannungen verwenden. Sie sind schwarz oder grau meliert und somit ebenfalls zur Gehäuseausführung passend gehalten; ihre großzügig abgerundeten Ecken verleihen dem Gesamteindruck eine organische Note. Kompliment: Die skandinavischen Designer haben hier mit geübtem Auge für Details wirklich ganze Arbeit geleistet.

Zur Oberon-Serie gehören außer der Oberon 1 der etwas größere Kompaktlautsprecher Oberon 3, die beiden Standmodelle Oberon 5 und 7 sowie der Center Oberon Vokal – soweit entspricht ihr Modellumfang dem der Zensor-Serie, deren Nachfolge die Oberon-Lautsprecher antreten. Darüber hinaus beinhaltet die Linie einen On-Wall-Speaker, der sicherlich auch in Richtung einer Surround-Anwendung zielt. Ein eigens für die Serie konzipierter Subwoofer gehört nach wie vor nicht zum Programm, denn Tieftonspezialisten bietet Dali separat an: Mit den in der Mitte des aus sechs Subwoofern bestehenden Angebots positionierten SUB E-12 F und SUB K-14 F finden sich geeignete Spielpartner für die Oberon-Lautsprecher. Die sind insofern für mehrkanalige Setups vorbereitet, als alle Modelle über die gleiche Chassis-Technologie verfügen und deshalb klanglich miteinander kompatibel sind. Die Oberon 1 hat zudem eine Öse, die der Aufnahme einer Wandhalterung dient, sodass sie sich auch für diese häufig für hintere Surround-Lautsprecher bevorzugte Positionierung eignet.

Sämtliche in den Oberon-Modellen verwendeten Treiber sind im dänischen Nørager für die Serie von Grund auf neu entwickelt worden; Dali macht bezüglich dieser grundsätzlichen Vorgehensweise auch im Falle der preisgünstigen Linien keine Ausnahme, um alle Parameter eines Designs bis ins Detail im Griff zu haben. Eine Endmontage in Dänemark ist allerdings innerhalb eines so eng gesteckten Kostenrahmens nicht realisierbar, doch für solche Zwecke hat Dali in China immerhin einen eigenen Produktionsstandort etabliert, an dem die Fertigung der Oberon-Lautsprecher stattfindet. Im Hochtonbereich kommt eine Gewebe-Kalotte mit 29 Millimetern Durchmesser zum Einsatz; diese für einen so kleinen Kompaktlautsprecher ungewöhnlich üppige Dimensionierung ermöglicht es, vergleichsweise hohen Schalldruck bei geringer Auslenkung zu erreichen. Der kurze Hub der Kalotte erleichtert es, eine präzise zentrierte Bewegung der Schwingspule sicherzustellen. Das Antriebssystem des Hochtöners wird mit Ferrofluid thermisch reguliert; diese Maßnahme soll hier allerdings nicht nur die Belastbarkeit der Hochtoneinheit steigern und dämpfend wirken, sondern gleichzeitig auch zur Stabilisierung der Spulenauslenkung beitragen. Wegen der großen Kalotte muss die Montageplatte hier nicht als Schalltrichter fungieren und unterstützt statt dessen mit ihrer flachen Form ein breites Abstrahlverhalten.

Unterhalb von 2,8 Kilohertz übernimmt der 130 Millimeter durchmessende Tiefmitteltöner die Arbeit; seine Konusmembran weist die längst zu Dalis Markenzeichen avancierte rostbraune Färbung auf. Die ist allerdings rein organischen Ursprungs: Für die Herstellung der Membran wird zunächst ein Papierbrei angerührt, dem dann feine Holzfasern beigemischt werden – die dabei entstehende ungleichmäßige Verteilung der Fasern ist beabsichtigt. Die Fasern erhöhen auch die Steifigkeit der Membran, sollen in erster Linie jedoch Resonanzen an ihrer Oberfläche reduzieren und so Verzerrungen minimieren. Damit die Konusmembran lange Hübe ungehindert vollziehen kann, ist sie in einer weichen Rundsicke aufgehängt. Der nach hinten abgestrahlte Schall des Treibers tritt über eine rückseitige, strömungsoptimierte Bassreflexöffnung aus. Die Bassreflex-Abstimmung dient hier nicht allein dazu, einen kleinen Treiber zu unterstützen, der mit wenig Volumen arbeitet: Besonders mit Blick auf eben dieses geringe Innenvolumen hilft das offene Gehäuse auch, Kompressionseffekte zu vermeiden. Um den Treibern darüber hinausgehend optimale Arbeitsbedingungen zu verschaffen, wird mit Ausnahme der Rückwand an allen Innenseiten des MDF-Gehäuses Dämmstoff angebracht.

Feinheiten materieller Art

Mit einem weiteren, ebenfalls nicht von außen sichtbaren Kennzeichen vieler Dali-Lautsprecher heben sich die Modelle der Oberon-Serie von den Spektor-Schallwandlern ab: der selbst entwickelten Schlüsseltechnologie namens »SMC«. Sie wurde seinerzeit mit den Lautsprechern der Referenzserie Epicon eingeführt und konnte dank der hauseigenen Entwicklungstiefe nach und nach in günstigere Serien transferiert werden. SMC soll in Antriebssystemen von Konustreibern den magnetischen Fluss optimieren und wird bei der Oberon 1 folglich im Antrieb des Tiefmitteltöners eingesetzt, der mit einem Ferritmagneten ausgestattet ist. Auf der ebenfalls aus Eisen hergestellten Basis des Polstücks – genau im Zentrum des Arbeitsbereichs der vierlagigen Schwingspule – sitzt eine zehn Millimeter dicke Scheibe. Das Besondere hierbei ist das verwendete Material: Die Scheibe wird aus einem magnetischen, nicht elektrisch leitenden Pulver, dem sogenannten »Soft Magnetic Compound« (SMC) geformt. Es hat im Wesentlichen die Aufgabe, vom Ferritmagneten und von der Ferritbasis des Polstücks ausgehende Wirbelströme abzuschirmen, die das Magnetsystem zu Schwingungen anregen und somit zu Verfärbungen führen können.

Für die erste Phase der Hörtests habe ich die Oberon 1 nach alter Schule auf Stativen und mit mehr als eineinhalb Metern Abstand zu den Seitenwänden aufgestellt; zur Rückwand habe ich anfangs eine Distanz von siebzig Zentimetern eingehalten. Eine solche freie Aufstellung begünstigt natürlich in der Regel vor allem eine ausgedehnte räumliche Abbildung, aber ob auch dieser »Schuhkarton« davon profitiert, soll von musikalischer Seite das Album »Forever Young« zeigen, das Gitarrist Jacob Young zusammen mit dem Saxophonisten Trygve Seim und dem Marcin Wasilewski Trio eingespielt hat. So wie sich das Klavier während des ersten Titels »I Lost My Heart To You« jetzt präsentiert, kann die Positionierung nach klassischen Faustregeln nicht verkehrt sein. Die Oberon 1 bildet den Korpus des Instruments klar umrissen ab und lässt die Noten bemerkenswert natürlich klingen: im Grundton warm-holzig und bis zu den höchsten Tönen hinauf glockenklar; voller Prägnanz und doch frei von jeglicher Schärfe.

Der Winzling hat Fundament

Mit der gleichen schlafwandlerischen Sicherheit trifft die Oberon 1 bei »Bounce« auch das Timbre des Saxophons exakt auf den Punkt und verleiht dem Spiel von Trygve Seim unaufdringliche Strahlkraft. Zudem gelingt ihr eine glaubhaft ausgedehnte Bühnendarstellung samt akkurater Sortierung der Musiker. Mit Blick auf tiefe Register steht die Oberon 1 jetzt zwar nicht auf verlorenem Posten, aber der Kontrabass von Slawomir Kurkiewicz wirkt tonal doch etwas beschnitten – kein Wunder angesichts ihrer Physis. Mit nur dreißig Zentimetern Abstand zur Rückwand stellt sich die Sache allerdings wesentlich anders dar: Der Winzling hat Fundament, spielt bis an seine Grenzen straff und zieht sich vor einer wabbeligen Überschreitung derselben galant aus der Affäre – hervorragend!

Das bisher Gehörte hat richtig Lust auf eine weitere ausgezeichnete Produktion gemacht: »To The Bone«. Steven Wilson hat als autodidaktischer Multi-Instrumentalist und Producer für sein fünftes Studioalbum wieder selbst Hand an den Mixer gelegt und mit tonmeisterlicher Unterstützung von Paul Stacey weitläufige, vielschichtige Klangpanoramen geschaffen, die musikalisch an seine Vorbilder (unter anderem Pink Floyd) erinnern, aber aus deren Schatten hervortreten. »Pariah« steckt trotz seiner melancholischen Grundstimmung voller Energie, und daran hat die israelische Ausnahme-Sängerin Ninet Tayeb großen Anteil. Die Oberon 1 kann indes die faszinierende Ausdrucksstärke ihrer rauen Stimme voll zur Geltung bringen und transportiert mit feinzeichnend-atmosphärischer Spielweise den emotionalen Tiefgang dieses Titels. Gegen Ende des Songs entlädt ein sirrendes Gitarrenriff wie aus dem Bilderbuch die zuvor angestaute Spannung und die Oberon 1 spielt jetzt gleichsam entfesselt – das geht wirklich »bis auf die Knochen« durch.

Lautsprecher Dali Oberon 1

Impedanzminimum:   4,2 Ohm @ 202 Hz

Nennimpedanz (± 20% Toleranz):
   4 Ohm

Empfindlichkeit:   86,5 dB (2,83 V / 1m; 500-5.000 Hz)

Hersteller:   Dali A/S, Nørager / Dänemark

Vertrieb:   Dali GmbH, Bensheim

Modell:   Oberon 1

Paarpreis:   398 Euro

Garantie:  5 Jahre

Kategorie:   Kompaktlautsprecher

Prinzip:   Zweiwege, passiv, Bassreflex

Chassisbestückung

  • 1 x 29-Millimeter-Gewebe-Kalotte
  • 1 x 130-Millimeter-Holzfaser-Konus


Trennfrequenz:   2,8 Kiloihertz

Lieferumfang

  • Textilbespannungen
  • Gummifüße
  • Bedienungsanleitung
  • Garantieanforderungskarte


Ausführungen:   Eiche hell, Walnuss dunkel, Weiß, Esche schwarz

Abmessungen (H x B x T):   27,4 x 16,2 x 23,4 cm

Gewicht:   4,2 Kg

Dali GmbH
Berliner Ring 89
64625 Bensheim

Tel:   0 62 51 / 9 44 80 77
Fax:   0 62 51 / 9 44 80 75


Internet:   www.dali-deutschland.de

Facebook:   www.facebook.com/DaliLautsprecherDeutschland?fref=ts

Mission erfüllt: Dali hat einmal mehr eindrucksvoll bewiesen, dass Musikalität keine Frage der Größe oder des Budgets allein sein muss. Mehr noch: Die Oberon 1 übertrifft die Erwartungen angesichts ihrer dezenten Physis deutlich und legt die klangliche Messlatte für Lautsprecher dieser Preisklasse einfach ein ganzes Stück höher. Die Dali Oberon 1 spielt ausgewogen, sehr feinzeichnend sowie energiegeladen und trifft atmosphärisch immer den richtigen Nerv.   Marius Donadello

Dali Oberon 1
Paarpreis: 398 Euro
Garantie: 5 Jahre
sehr gut
gut
sehr gut
sehr gut
sehr gut

TEST

Lautsprecher:
Dali Oberon 1
Autor:
Marius Donadello
Datum:
01.04.2019
Hersteller:
Dali