Mit dem D3 präsentieren die Digital-Audio-Spezialisten von Lumin eine neue Version ihres erfolgreichen Streamers D2. Wieviel mehr Lumin-Qualität bietet das aufgefrischte Einstiegsmodell?

Es gibt viele Wege, um in die Thematik hochwertiger Musikwiedergabe einzusteigen. Avid-Gründer Conrad Mas hatte jedenfalls als Teenager nicht die Absicht, später einmal seinen Lebensunterhalt damit zu verdienen. Dass es anders kam, verdankt er einem Klassenkameraden, der ihn eingeladen hatte, um ihm seinen neuen Plattenspieler vorzuführen. Doch Mr. Mas konnte gar nicht richtig zuhören, denn jedes Mal, wenn ein Zug über eine Brücke in der Nähe rollte, reagierten die Tieftöner mit heftigem Hin- und Herschwingen. Sicher hätte ein Subsonic-Filter hier schon Linderung schaffen können, aber der Ehrgeiz des jungen Mannes war auf jeden Fall geweckt.

Während er diese Geschichte erzählt, sitzt Conrad Mas am Kopfende eines Tisches in seiner Firma. Einmal gestartet, ist er anscheinend nicht mehr zu bremsen. Wobei überhaupt nicht der Eindruck entsteht, den Worten eines Besessenen zu lauschen. Vielmehr beeindruckt sein Engagement, auch noch die kleinsten Teile eines Laufwerks fortwährend zu variieren, zu prüfen, zu optimieren. Dabei werden Materialien getauscht, Geometrien leicht geändert und schließlich jedes Mal gehört, was dabei herauskommt. Und so versteht man nachdrücklich, dass Avid-Produkte für Elektrofachmärkte nicht geeignet sind, sondern in die Hände kompetenten Personals gehören.

Angesichts des verbauten Know-hows ist der Verkaufspreis des Ingeniums inklusive eines Pro-Ject-Tonarms mit rund 1.700 Euro hart kalkuliert. Da langen andere Hersteller sehr viel tiefer in die Taschen ihrer Kunden. Als das Laufwerk in der Redaktion eintrifft, bitten wir den Fahrer noch einmal zu schauen, ob da nicht noch ein zweiter Karton zur Lieferung gehört. Des Rätsels Lösung: Der Ingenium passt in einen Karton, dessen Abmessungen kleiner als die einer LP sind. Möglich ist das, weil dieser Avid keine Holzzarge besitzt, die den Teller bei den meisten Plattenspielern umrahmt. Zunächst gilt es dann, den Inhalt sorgfältig zu sortieren, das erleichtert die Montage erheblich.

Übersetzt man den Namen des Produkts, bleibt unweigerlich das Wort »Erfindungsgabe«. Und das ist für diesen Plattenspieler absolut zutreffend. Basis ist eine unterarmstarke Metallkonstruktion anstelle eines günstigen Kunststoff- oder Holzrahmens. Auf ihrer Unterseite besitzt sie drei Aussparungen für Füße aus dem dämpfenden Material Sorbothane. Allein diese Präzision beim Zusammenfügen dieser Teile bedeutet High End. Und es geht gerade so weiter mit dem Einsetzen des Lagers auf die Kugel, in deren Entwicklung so viele Stunden Arbeit stecken. Dann kommt der Riemen, der um die Spindel des ebenfalls per Entkopplungsring aufgestellten Motors läuft. Durch Abstandsveränderungen kann hier Einfluss auf die Geschwindigkeit genommen werden. Das lässt sich per Stroboskopscheibe oder ganz einfach mit der App »Turntubulator« überprüfen.

Klangqualität ist die Maxime

»Very british« ist das Ein- und Ausschalten des Motors über einen im Netzkabel befindlichen Schalter, was eher an eine Nachttischlampe erinnert. Aber einmal eingeschaltet und die Drehzahl überprüft, dann ist das Thema vergessen. Wenn der nur mit minimalem Eigenklang versehene Teller rotiert, fällt die aufgeklebte Korkmatte auf. Sie ist auch nicht das Resultat einer Kosten- und Leistungsrechnung, sondern vielmehr der akribischen Mas-Berechnungen.

In puncto Tonarm haben Kunden die Möglichkeit, jedes Modell einzusetzen, das ihnen klanglich zusagt. Der Ingenium ist übrigens als kleinstes Familienmitglied der einzige, bei dem neben den klassischen Neun-Zoll-Tonarmen auch eine 12-Zoll-Variante möglich ist. Angesichts der vorzüglichen Eigenschaften des mitgelieferten Pro-Ject 9 cc fragt man sich allerdings, ob es wirklich einen anderen Arm braucht. Er lässt sich mit Genuss montieren, einfach weil es an jeder Stelle des Ingeniums nach metallverarbeiteter Präzision riecht. Sind Armhöhe und Auflagegewicht korrekt eingestellt, fehlt nur noch die finale Überprüfung des von i-fidelity.net verwendeten Benz-Micro MC-Tonabnehmers ACE, dann kann der Auftritt im Hörraum beginnen.

Die Verstärkung der kleinen Tonabnehmerströme übernahm der zuverlässige Lehmannaudio Decade. Als Erstes rotierte »The Inevitable End« des norwegischen Duos Röyskopp auf dem Teller. Mit »Skulls« macht der Ingenium bereits deutlich, dass er sich nicht mit dem Klassendurchschnitt zufrieden gibt. Er packt in den unteren Oktaven sehr viel beherzter zu, und das bei klarerer Konturiertheit. Zudem arbeitet er die pulsierende Rhythmik zu einhundert Prozent frei heraus, da bleibt nichts in der Rille zurück. Im Gegensatz zur ebenfalls vorhandenen CD klingt das Vinyl organischer, lebendiger.

Der Musik verpflichtet

Wenn Porticos neuer Longplayer »Living Fields« aufliegt, erklingt sphärische elektronische Musik. Dabei öffnen sich weite Flächen im Stereofeld der Lautsprecher, die nirgends an Grenzen stoßen, also ganz anders als das, was oft bei digitaler Kost passiert. Beeindruckend ist die Harmonie in der inneren Struktur der Musik, die nach außen eine geschlossene Hülle aufweist und einmal mehr die Qualität analoger Musikwiedergabe bestätigt. Es wirkt so, als ob sich der Hörer tatsächlich in freier Natur befindet und alles um sich herum unvermittelt erleben kann – und nicht so, als ob er in einem vollklimatisierten Raum sitzt und sich nur Bilder aus der Natur anschaut.

Erstaunlich ist aber das enorme klangliche Vermögen des Laufwerks. Ein Eindruck, der sich mit zunehmender Spieldauer nachhaltig festigt und dem Avid die Pole-Position in dieser Klasse sichert. Unabhängig von der aufgelegten LP ist der Eindruck, dass er vollkommen trägheitslos agiert. Er swingt, spielt leicht und locker auf und bietet damit der abgetasteten Musik die notwendige Freiheit zur Entfaltung. Woran uns das erinnert? An die Eigenschaften unseres siebenmal so teuren Clearaudio Anniversary, der bei allen klanglichen Kriterien zwar die Nase vorne, aber dennoch Schwierigkeiten hat, den Preisunterschied wirksam zu belegen. Da werden die größeren Avid-Laufwerke sicher zu einer großen Herausforderung.

Wenn Banks dann schließlich noch »Begging For Thread« intoniert, weiß auch der letzte Musikhörer sicher, dass Vinyl klangliches Potential besitzt. Die Stimme wirkt so realitätsnah, man kann die teils schnoddrigen Lippenbewegungen genau hören. Keyboards, die im Pegel abrupt variiert werden, kommen tief und druckvoll zur Geltung – das ist purer Genuss. Angesichts der großen Auswahl bei aktuellem Vinyl, der hier gebotenen Klangqualität und der daraus entstehenden Zufriedenheit steht der Entscheidung für einen Ingenium nichts im Wege.

Hersteller:   Avid Audio England

Vertrieb:   IDC Klaassen, Lünen

Modell:   Ingenium

Kategorie:   High-End-Analog-Laufwerk

Preis:   1.900 Euro

Garantie:   2 Jahre

Geschwindigkeiten:   33,3 und 45 (Änderung durch Umlegen des Riemens)

Gewicht Plattenteller:   2,5 kg

Tonarm:   Pro-Ject 9 cc

Optionen für andere Tonarme 9 und 12 Zoll sind gegeben

Abmessungen ( B x H x T):   54 x 36 x 22 cm

Gewicht:   6 kg

IDC Klaassen
International Distribution & Consulting oHG
Am Brambusch 22
44536 Lünen

Internet:   www.idc-klaassen.com

E-Mail:   info@mkidc.eu

Telefon:   02 31 / 98 60 - 285

Der Avid Ingenium ist konsequent bis zu Ende gedacht und handwerklich überragend gemacht. Entsprechend wird die klangliche Qualität mit dem i-fidelity.net-Highlight-Status belohnt. Der Preis ist in Relation zur Leistung wirklich sehr niedrig. In dieser Klasse gibt es nichts, aber auch wirklich gar nichts, was diesem Briten in die Quere kommen könnte. Mit seiner Vorbildfunktion hat er das Zeug, viele mündige Hörer zum Vinyl zurückzubringen oder zum Neueinstieg zu verführen.   Olaf Sturm

Avid Ingenium
Preis: 1.900 Euro (inklusive Tonarm)
Garantie: 2 Jahre
überragend
sehr gut
überragend
überragend

TEST

Audiophiles:
Avid Ingenium
Autor:
Olaf Sturm
Datum:
15.05.2015
Hersteller:
Avid