Canton hat seine Top-Lautsprecherlinie überarbeitet. Kein leichtes Unterfangen, wenn man bedenkt, dass die »Reference K«-Serie seit 2015 bis heute Maßstäbe setzt. Mit den neuen Standboxen Reference 3 begibt sich i-fidelity.net auf eine Reise in die Welt des Wohlklangs.

Energieeinsparungen, Effizienz und Hybridkonzepte sind in aller Munde, aber vor allem treffen wir bei Automobilen auf diese Termini. Das Sparen von Energie, welche durch endende fossile Brennstoffe erzeugt wird, ist sicher Konsens, aber die Art der Umsetzung dieses Zieles ist auf jeden Fall diskussionswürdig. Ein Benzinmotor mit einem Elektromotor gekoppelt, bietet auf dem Papier erstaunliche Leistungs- und Verbrauchswerte, aber wie sieht das in der Realität aus? Im Kurzstreckenverkehr, in dem vorwiegend der Elektromotor seinen Dienst verrichtet, ist dieses Konzept sicher smart, aber wie verhält sich das auf der Langstrecke? Hier hat der Benzinmotor auch noch mit dem Zusatzgewicht des Elektroantriebes zu kämpfen und dann läuft der edle Saft ganz ordentlich durch die Einspritzdüsen. Ich persönlich präferiere bei meiner hohen Kilometerleistung mit circa zwei Drittel Autobahnanteil einen vernünftigen Diesel mit zwei Liter Hubraum – der sorgt für ordentliche Fahrleistungen bei geringem Verbrauch, und das in jeder Lebenslage.

Aber was hat das mit HiFi im Allgemeinen und dem Burmester-Vollverstärker 101 im Besonderen zu tun? Bei HiFi geht es mir wie bei meinem Auto. Am liebsten habe ich ein vernünftiges klassisches Verstärkerkonzept mit ordentlichem Netzteil, gerne einem leicht erhöhten Ruhestrom, solid state oder stabiles PP-Röhrendesign, schnell, stabil und musikalisch. Dem Verstärker sollte egal sein, was vorne und hinten dranhängt, solange es gut genug ist. Verstärkermimosen sind nicht so mein Ding.

Und nun steht Burmesters Einstiegsvollverstärker 101 vor mir, und mir fällt als Erstes Franz Xaver Kroetz ein – nicht Fisch, nicht Fleisch. Ein Hybrid-Design mit konventionellem Netzteil, »analoger« Vorstufe und Class-D-Endstufe. Mein erster Gedanke – was soll denn das, kann so etwas funktionieren? Dieter Burmester hat sich meinen Fragen in einem Telefonat gestellt und versuchte, meine Skepsis zu vertreiben.

Class D, also Pulsweitenmodulation (PWM), scheint mir ein veritables Teufelszeug zu sein, gut genug für Billigheimer, aber bei High End bitte nicht. Was ich bislang an Class D gehört hatte, hat mich zu umgehendem Abschalten verleitet. Wieso geht Burmester einen solchen Weg, ein Downsizing der bewährten Konzepte – kleineres Netzteil, weniger Kapazitäten, weniger Leistungstransistoren hätte es für den Einsteiger doch auch getan.

Dieter Burmester hat mir erklärt, dass er auf der Suche nach einem multifunktionalen Konzept war, welches in Mehrkanal- sowie room-to-room-Endstufen gleichermaßen einsetzbar ist wie in immer stärker nachgefragten »versteckten«, das heißt im Mauerwerk unsichtbar integrierten HiFi-Lösungen. Ein weiterer Antrieb, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen, war für Burmester die Nachfrage nach innovativen Produkten, um auch in für die Berliner neuen und prosperierenden Märkten reüssieren zu können.

Innovation »Made In Berlin«

Drei Jahre haben die Berliner, bei denen immerhin 13 der 50 Mitarbeiter als Entwicklungsingenieure tätig sind, an der Aufgabenstellung gearbeitet. Anfangs sollte es ein Konzept mit zugekaufter Class-D-Endstufe und Schaltnetzteil im Burmester-Umfeld werden. Was die Jungs auch anstellten, Dieter Burmester war nicht zufrieden. Die Musikalität, der Aufbau des Klanges auf einem stabilen, warmen Bassfundament war nicht hinzubekommen. Dann wurde entschieden, die Class-D-Endstufe selbst zu entwickeln und ihr eine maßgeschneiderte Umgebung zu spendieren.

Es kam dabei eine wirklich kompakte Endstufeneinheit (68 x 110 x 27 Millimeter) heraus, die immerhin gut 240 Watt an 4 Ohm an die Lautsprecherklemmen wuchten kann. Das Umfeld dagegen ist von klassischer Natur. Ein gekapselter Ringkerntrafo, den man eher in einer ausgewachsenen Endstufe erwarten würde, und perfekt gemachte Platinen in vorwiegender SMD-Bestückung für die Vorstufe und den Kopfhörerverstärker. Die Behausung besteht aus Aluplatten und -profilen mit amtlichen Wandstärken und ist sehr hochwertig verarbeitet. Und die Frontplatte ist burmestertypisch verchromt. Apropos Frontplatte – auf dieser tummeln sich neben einem Schalter, der den Verstärker aus dem Stand-by zum Leben erweckt, ein massiver Lautsprecherdrehknopf, fünf Tasten für die Quellenwahl, eine Smooth-Taste sowie ein Kopfhöreranschluss für 6,3-Millimeter-Klinke.

Als Zubehör ist dem Verstärker ein Netzkabel, welches nach meiner Einschätzung besser im Karton verbleiben sollte, sowie eine Fernbedienung aus wertigem Alu beigelegt. Eigentlich bin ich ja ein Fernbedienungsverweigerer, aber dieses Teil liegt mit angenehmem Gewicht einfach super in der Hand, und es verschont die schöne verchromte Frontplatte von hässlichen Fingerabdrücken, welche es sogar CSI-Novizen leicht machen würden, den »Übeltäter« mit bloßem Auge zu identifizieren.

Die bewährte Symmetrie

Wenn man sich dem Burmester von seine Rückseite nähert, entdeckt man als Erstes vier mächtige Lautsprecherklemmen, die man, ihrer Form sei Dank, auch mit ordentlich Schmackes anziehen kann, um Kabelschuhen ordentlichen Kontakt zu gewährleisten. Des Weiteren stehen drei Paar XLR-Buchsen sowie zwei Paar RCA-Buchsen für die Eingänge bereit, ein XLR-Vorverstärker-Ausgang sowie ein harter Netzschalter. Die Signale der RCA-Eingänge werden symmetriert, da der 101 intern die Signale vollsymmetrisch verarbeitet.

Geht dieser technische Ansatz auf und der Verstärker klingt wirklich musikalisch oder war das nur ein schöner Versuch, der in den Analen der HiFi-Geschichte untergehen wird? Vor dem ersten klanglichen Kontakt zum 101 habe ich den Verstärker gut drei Stunden warmlaufen lassen und mich dann erwartungsfroh in meinen Hörsessel gesetzt. Nach dem zweiten Lied habe ich mir dann ein gutes Buch geschnappt und einen Leseabend eingelegt. Quod erat demonstrandum – Class D und High End kann nicht funktionieren. Aber so schnell schießen die Preußen auch wieder nicht – diese Fehleinschätzung des österreichischen Feldquartiermeisters (General) Ludwig von Benedek war mit ein Grund für die österreichische Niederlage bei Königgrätz 1866 – auf mich angewendet bedeutet dieser Spruch, dass ich die Flinte nicht so schnell ins Korn werfe.

In der Folge habe ich den Verstärker durchgehend laufen lassen, weil ich das mit allen Geräten meiner Kette ebenfalls praktiziere. Die Kosten für diesen Stromluxus belaufen sich bei mir auf rund zehn Euro im Monat, und das ist mir mein Hobby auf jeden Fall wert. Ein schlechtes Gewissen wegen Stromverschleuderung und dem Verbrauch von fossilen Brennstoffen brauche ich mir auch nicht machen, da mein regionaler Stromversorger 82,6 Prozent seines Stroms per Wasserkraft produziert und nur einen Anteil von weniger als 8 Prozent bei einem Gaskraftwerk zukauft – der Rest wird durch andere regenerative Quellen erzeugt.

Nach der Aufwärmphase

Nach etwa einer Woche Dauernuckeln am Stromnetz und Spielen von Internet-Radio und Weihnachtsmusik kam der Verstärker langsam in die Gänge. Legte seine Hüftsteifigkeit ab und es gelang ihm auch zu swingen. Tag für Tag steigerte sich seine Performance, und nach zehn Tagen schien er seine Wohlfühlzone erreicht zu haben. Was sich dann musikalisch tat, hatte aber rein gar nichts mehr mit dem ersten Erlebnis zu tun. Hier spielte die Musik auf einem sehr hohen Niveau, und beim Hören hatte ich den Gedanken, dass da ja »nur« ein Class-D-Verstärker spielt, vergessen.

Dass sich ein Verstärker in dieser Preisklasse tonal keine Schnitzer erlaubt, ist eigentlich eine Grundvoraussetzung, aber der Burmester schafft es absolut präzise, klar und sauber zu spielen ohne nüchtern oder gar überanalytisch zu klingen. Für meinen Geschmack war die Vorstellung an meinen kleinen Monitoren jedoch zu akademisch und viel zu eingeengt, um wirklich Spaß zu machen. Nach dem Wechsel auf den größeren Monitor, eine impedanzlinearisierte Zweiwegekonstruktion, ging jedoch die Sonne auf. Jetzt zeigte der 101 audiophile Qualitäten. Für Dieter Burmester, dem ersten Kunden seiner Produkte, muss ein Verstärker seine klangliche Performance auf einem vollen, warmen und trotzdem präzisen Tieftonfundament aufbauen. Und genau das passierte jetzt. Auf der Platte »Lunático« von Gotan Project zelebrieren Nini Flores am Bandoneon und Cristina Villalonga die dunkle, melancholische Seite des Tango auf eine Art und Weise, die unter die Haut geht. Christinas Stimme, die auch einer Fado-Sängerin gut zu Gesicht stehen würde, wird vom 101 mit der ihr innewohnenden Inbrunst wiedergegeben, dass es einem eiskalt den Rücken runterläuft. Die Stimmlagen sind so klar und präsent, so intensiv – das schafft nur ein Verstärker, der in den Mitten und Höhen nicht mit Überlagerungseffekten zu kämpfen hat, sondern den ganzen Frequenzbereich perfekt sauber reproduziert.

Was mich jedoch an diesem Verstärker am meisten fasziniert hat, ist seine Fähigkeit, auch die kleinste Kleinigkeit, die auf der Aufnahme verewigt ist, ans Licht zu bringen, ohne die Musik zu sezieren – nein, die Musik bleibt immer und in jeder Lage in sich geschlossen und organisch. Auch die räumliche Darstellung hat mit dem Wechsel des Lautsprechers massiv gewonnen – nicht überbordend, aber in der Breite und Tiefe großzügig. Am besten konnte das der Burmester bei »Brick House« auf Sarah K.s Platte »Hobo« unter Beweis stellen. Jedes der einzelnen Perkussion-Instrumente, eine Stimme aus dem Off, Sarah at her best – alles war deutlich zu hören, schwebend, flirrend und trotzdem geschlossen und intensiv.

Hier ist vielleicht die einzige Einschränkung des 101 zu finden – braucht das Class-D-Konzept doch eine leicht zu treibende Last, um zur vollen Stärke auflaufen zu können? Ich kann es nicht abschließend beantworten, da mir nur die beiden Lautsprecher zur Verfügung gestanden haben.

Es ist die wahre Freude

Zum Abschluss habe ich noch versucht, den Burmester mit Bombast-Rock aus den 70ern aus der Reserve zu locken. Carl Palmers »Fanfare Of A Common Man« auf dem Epos »Works« von Emerson, Lake & Palmer mit gehobenen Pegel, nein ehrlich gesagt mit Vollgas, war eine wahre Freude. Der 101 lässt sich nicht in die Knie zwingen, er knallt die Drums und die Bläser in den Raum, dass das Grinsen in meinem Gesicht immer breiter wurde – ich musste den Song noch ein zweites und drittes Mal anhören. Der 101 besitzt eine »smooth«-Taste, welche eine abgeschwächte Loudness für ganz leise Stunden zur Verfügung stellen soll – ich habe sie ehrlich gesagt nicht ausprobiert, dafür aber den Kopfhörerausgang. Dieser treibt auch einen guten, niederohmigen Hörer zu Höchstleistungen an – well done. 

Messwerte Vollverstärker Burmester 101

Leistung:
Nennleistung @ 4 Ohm (1% THD):   245 W
Nennleistung @ 8 Ohm (1% THD):   135 W

Verzerrungen:
Klirrfaktor (THD+N, 10 Watt @ 4 Ohm):   0,024 %
IM-Verzerrungen SMPTE (5 Watt @ 4 Ohm):   0,010 %
IM-Verzerrungen CCIF (5 Watt @ 4 Ohm):   0,040 %
 
Störabstände:
Fremdspannung (- 20 kHz):   -81,0 dB
Geräuschspannung (A-bewertet):   -84,8 dB
 
Sonstige:
Obere Grenzfrequenz (-3dB / 10 W @ 4 Ohm):   66 kHz

Kanaldifferenz:   0,2 dB

Eingangswiderstand:   9,2 kOhm

DC-Ausgangs-Offset:   4,5 mV

Stromverbrauch:
Stand-by:   < 1 W
Leerlauf:   22 W

 

Hersteller:   Burmester Audiosysteme GmbH, Berlin

Modell:
   101

Kategorie:   Vollverstärker

Preis:   5.500 Euro

Garantie:   bis zu drei Jahren

Leistung @ 4 Ohm:   245 W

Leistung @ 8 Ohm:
   135 W

Eingänge:   3 x XLR, 2 x RCA

  • Symmetrischer Vorverstärkerausgang
  • Kopfhörerausgang
  • Fernbedienung


Abmessungen (B x H x T):   48,2 x 10 x 35 cm

Gewicht:   12 kg

 

Burmester Audiosysteme GmbH
Wilhelm-Kabus-Straße 47
10829 Berlin

Telefon:   0 30 / 7 87 96 80
Fax:   0 30 / 78 79 68 68

E-Mail:   mail(at)burmester.de
Internet:   www.burmester.de

Der 101 ist ein Burmester durch und durch. Die Verarbeitung innen wie außen ist über jeden Zweifel erhaben; klanglich ist das eine ganz feine Angelegenheit und optisch, trotz verchromter Front, klassisch und edel. Wählen Sie einen Lautsprecherpartner aus, welcher dem 101 entgegenkommt und genießen Sie fortan nur noch entspannt Musik auf sehr hohem Niveau. Class D und High End Audio? Mit Burmester funktioniert das!   Stephan Schmid

Burmester 101
Preis: 5.500 Euro
Garantie: bis zu 3 Jahren
sehr gut
gut - sehr gut
gut - sehr gut
überragend
sehr gut

TEST

Verstärker:
Burmester 101
Autor:
Stephan Schmid
Datum:
22.01.2014
Hersteller:
Burmester