Nachdem Bowers & Wilkins kürzlich die überarbeiteten »Signature«-Modelle seiner Referenzserie »800« eingeführt hat, profitiert nun auch die preisgünstige Linie »600« von neuen Erkenntnissen. i-fidelity.net hat den besonders kompakten Regallautsprecher 607 S3 zum Test geordert.

Dali bedient seit Langem ein relativ breites Spektrum von Preisklassen. Während die Serien Zensor und Opticon als Interpretation von Lautsprechern für das Einstiegssegment rangieren und die Linie Rubicon in high-endige Gefilde vorstößt, markieren die Epicon-Modelle die hauseigenen Referenzen. Mit der neuen Spektor-Serie durchbricht Dali nun seinen bisherigen, sicheren Boden und steigt bis in Preisgefüge herab, die für gewöhnlich nicht viel mit High Fidelity zu tun haben. Diese Strategie könnte durchaus als Alarmsignal gewertet werden: Vielleicht will man mit dieser Preisoffensive einer möglichen weiteren Entwicklung des Marktes hin zu Extremen präventiv begegnen. Immerhin zeichnet sich seit mehreren Jahren im Vergleich mit dem Absatz sehr exklusiver und sehr preisgünstiger Komponenten eine Schwächung des mittleren Segmentes ab.

Vielleicht will Dali mit den Spektor-Modellen aber ganz einfach Nachwuchsklientel auf den Geschmack bringen, die in der Regel zuerst auf den Preis und dann auf die Leistung schaut – wenn es gut läuft. Wenige Marken dominieren im unteren Preisgefüge die Orientierung einer Kundschaft, die weder mit den Kriterien noch mit den Begrifflichkeiten audiophiler Musikliebhaber allzu viel anzufangen weiß, so stark, dass subtilere Ansätze kaum mehr Gehör finden – aus einem Lautsprecher kommt eben Musik, und wenn der Lautsprecher größer ist, dann geht’s lauter und mit mehr Bass.

Symptomatisch für diese verbreitete Sicht auf ausgewachsene HiFi-Lautsprecher ist ein mit freudigem Gesicht vorgebrachter Kommentar des jungen Speditionsmitarbeiters, der mir die Spektor 6 anlieferte: »Große Boxen, für richtig Party!« Wenigstens wird so die Leistung eines Standlautsprechers irgendwie gewürdigt; doch die Schilderung solcher Beobachtungen soll keine Klischees bedienen und keine »Schuld« zuweisen, schließlich gibt es genug einsichtige Gründe dafür, dass die Achtsamkeit für guten Klang an der Wahrnehmung mancher – nicht nur junger – Menschen vorbeigeht. Häufig stellt die preisliche Hürde von vornherein ein Ausschlusskriterium dar, das hilfreichen Kontakt mit anders überzeugenden Lautsprechern verhindert.

Womöglich will sich Dali deshalb gar gegen einen Werteverfall wappnen und diesem gleichzeitig entgegenwirken, indem man demonstriert, wieviel guter Klang für so wenig Geld wirklich möglich ist – anstatt mit erhobenem Finger »Andershörende« belehren zu wollen, widrige Umstände zu beklagen und den Großen im Spiel mit den kleinen Preisen kampflos das Feld zu überlassen, lieber ein Statement setzen… Eine solche hehre Absicht setzt natürlich voraus, selbst definierte Qualitätsstandards nicht zu unterlaufen, und da stellt sich ernsthaft die Frage, wie dies vermeidbar sein kann bei einem Paarpreis, für den nicht einmal zwei Exemplare des kürzlich vorgestellten Dali Katch zu haben sind.

Zweifelsohne wird Chefentwickler Kim Kristiansen in Nørager wegen dieser Herausforderung viele schlaflose Nächte gehabt haben, denn er steht für das bedingungslos auf Musikalität ausgerichtete Klangideal ein, dem sich Dali ausdrücklich verschrieben hat. Quantifizierte Resultate motivieren dabei nicht so sehr, Dali definiert sich selbst mit einer ausgewogenen Abstimmung jenseits vordergründiger Spektakularität und versteht sich insofern als Botschafter authentischen Klangs. Diese Rolle soll auch die Spektor-Serie einnehmen, die sich mit ihren zwei Regalmodellen Spektor 1 und Spektor 2, dem Standlautsprecher Spektor 6 sowie dem Center Spektor Vokal für mehrkanalige Systeme ebenso eignet wie für stereophone Anlagen. Die unterschiedlichen Modelle arbeiten problemlos zusammen und können beliebig miteinander kombiniert werden, da für sie jeweils dieselbe Chassis-Technologie eingesetzt wird. So kann beispielsweise ein Vokal die Frontlautsprecher ergänzen, um bei Filmtonspektakeln eine bessere Sprachverständlichkeit zu erzielen – besonders wenn die Rücksicht auf familiäres oder nachbarschaftliches Miteinander nur eine geringe Lautstärke erlaubt.

Feststellung der Zielgruppe

Wir haben unsere Ermittlungen allerdings auf musikalische »Verhöre« im Stereo-Betrieb konzentriert; in meinem Fall galt es zu prüfen, inwieweit das Profil der Spektor 6 mit dem eines typischen HiFi-Lautsprechers übereinstimmt und ob sie auch nicht-audiophile Gruppierungen infiltrieren kann. Bei sehr pragmatischen Personenkreisen, die größten Wert auf eine unauffällige Integration ihrer Lautsprecher in den Wohnraum legen, hat die »6« jedenfalls schlechtere Karten als ihre kompakten Kollegen: Mit fast einem Meter Höhe ist die Säule eine vergleichsweise dominante Erscheinung. Demgegenüber nimmt sich ihre Breite mit knapp zwanzig Zentimetern jedoch dezent aus, und trotz zweier rückwärtiger Bassreflex-Öffnungen eignet sich die Spektor 6 auch für eine relativ wandnahe Aufstellung – etwa dreißig Zentimeter Distanz zur Rückwand sollten aber nicht unterschritten werden.

Gestalterisch bewegt sich die Spektor-Serie mit den Gehäuseausführungen Walnuss und Esche schwarz zwischen gediegener und zeitloser Gefälligkeit, die Schallwand ist bei beiden Varianten mattschwarz. Die Chassis-Rahmen und ein Firmenschild in Aluminiumoptik bilden auflockernde Akzente; als Zugeständnis an die äußerst knappe Kalkulation werden die soliden MDF-Gehäuse mit Vinyl laminiert, wobei die Wirkung dieser tadellos glatt und mit passgenauen Übergängen aufgezogenen Folien aus einiger Distanz betrachtet Echtholzfurnieren recht nahe kommt. Sogar schwarze Textilbespannungen gehören zum Lieferumfang, aber die Spektor sehen mit freiem Blick auf ihre Chassis sicherlich reizvoller aus, weil deren Tiefmitteltöner die für Dali charakteristische rostrote Färbung haben.

Die rührt freilich nicht von Oxidationsprozessen her, sondern entsteht, weil die Membrane aus einer Mischung aus Papier und speziellen Holzfasern gefertigt werden. Dieses von Dali patentierte Herstellungsverfahren erzeugt an der Konusoberfläche eine unebene Struktur, die Partialschwingungen und Resonanzen auf der Membranfläche minimiert. Prinzipiell ließe sich eine Profilierung auch durch die Prägung einer herkömmlichen Polypropylen-Membran erreichen, die zumeist für die kostengünstige Herstellung leichter und verwindungssteifer Konusmembrane verwendet wird. Doch die Wahl der Ausgangsmaterialien Papier und Holz trägt ganz die Handschrift von Kim Kristiansen, der den jeweiligen Materialien eine bestimmte klangliche Signatur zuschreibt und sich daher nicht mit Kunststoffen anfreunden kann. Folglich sind die Membrane hier nicht etwa als unverwechselbare Reminiszenz an die hauseigene Spezialität eingefärbt worden – die Spektor-Modelle sind tatsächlich mit dieser Membrantechnologie ausgestattet, denn Dali wählte nicht die übliche Low-Budget-Lösung, bei der Fertigung von Komponenten auf Outsourcing zu setzen. Statt dessen gingen die Verantwortlichen das Projekt andersherum an und pressten ihre Technologien durch die strikte Optimierung von Herstellungsprozessen in einen so engen Kostenrahmen.

Technik auf bekanntem Niveau

So stammen die Chassis für die Spektor-Serie nicht nur aus eigener Entwicklung und Fertigung, die Tiefmitteltöner wurden darüber hinaus in Details an die spezifischen Erfordernisse der unterschiedlichen Modelle optimal angepasst. Zu den diesbezüglichen Variationen zählen die Größe ihrer Staubschutzkappen und die konkave Biegung ihrer Konusmembran; allen Tiefmitteltontreibern gemeinsam sind effiziente Rundsicken und stabile Chassiskörbe, die zweilagige Schwingspulen und kräftige Magnetsysteme beherbergen. Die Spektor 6 ist als Zweiwege-System konzipiert, ihre beiden 165 Millimeter durchmessenden Tiefmitteltöner laufen parallel und ventilieren in ein Bassreflex-Volumen. Dessen zwei Austrittsöffnungen befinden sich rückseitig unmittelbar hinter den Chassis. Diese Positionierung reduziert Dämpfungseffekte und verhindert eine Kompression der Membran durch den von ihr nach hinten abgestrahlten Schall.

Für den Hochtonbereich ab 2,5 Kilohertz kommt eine Gewebekalotte mit 25 Millimetern Durchmesser zum Einsatz, die von einem starken Magnetsystem angetrieben wird. Die sie umgebende, trichterförmige Chassis-Frontplatte soll eine breitwinkelige Schallabstrahlung gewährleisten; ein feines Rillenprofil auf ihrer Oberfläche dient dazu, die Abstrahlcharakteristik des Hochtöners weiter zu optimieren. An zentraler Stelle profitieren die Neulinge besonders von Dalis langjähriger Erfahrung und kontinuierlicher Forschung an Membranmaterialien: Die Gewebekalotte des in der Spektor-Linie verwendeten Hochtöners wiegt lediglich 0,056 Milligramm pro Quadratmillimeter. Dank der Chassis-Fertigung im eigenen Hause können außerdem so enge Toleranzen eingehalten werden, dass ein aufwendiger Pegelabgleich nicht erforderlich ist; somit kommt die Frequenzweiche mit weniger Bauteilen aus und weist einen kürzeren Signalweg auf.

In technischer Hinsicht kann der Spektor 6 also eindeutig ihre Zugehörigkeit zur HiFi-Szene nachgewiesen werden, deshalb ist es an der Zeit, das klangliche Profil dieses Preisbrechers eingehend zu ergründen. Verstärkerseitig stellt sie mit einem gutmütigen Impedanzverlauf keine besonderen Anforderungen, für besonders aussagekräftige Resultate habe ich die »Vernehmung« der Spektor 6 dennoch mit Hilfe des Audia Flight Three durchgeführt. Wegen ihres breiten Abstrahlwinkels, der für eine gleichmäßige Schallverteilung im Raum sorgt und so den Hörer nicht auf dem Sweet Spot festnagelt, ist für eine neutrale Wiedergabe die parallele Aufstellung zueinander empfohlen. Je größer die Einwinkelung nämlich ist, desto weniger Hochton kommt mit der Spektor 6 am Hörplatz an. Letztlich sind hierbei allerdings auch raumakustische Gegebenheiten zu berücksichtigen und darf persönliches Gusto entscheiden, was bei mir immer zu einer leichten Ausrichtung auf den Hörplatz führt.

In der Rolle des »Good Cop« beginne ich mit leichter Kost aus meinem Elektro-Fundus, dem 2010er-Mix des Titels »One Of These Days« von Haldolium, zu finden auf dem Album »Repainted«. Wer alt genug dafür ist, mag diese Adaption des Pink-Floyd-Klassikers als Sakrileg betrachten, aber man muss Mario Reinsch und Mark Lorenzen zumindest zugute halten, dass sie sich atmosphärisch nicht nur mit den Vokalsamples recht nahe am Original entlang bewegen. Sie steigern die unheilvolle Grundstimmung der psychedelischen Rock-Komposition durch melodische Variationen und verstörend wirkende Soundeffekte mitunter zu einem apokalyptischen Motiv, versöhnen Tanzwillige jedoch sogleich mit typischen »Gute-Laune«-Elementen ihrer stilistischen Heimat, dem Trance. Trotzdem ist dieser Track hörenswert, besonders wenn man das Werk von David Gilmour und Roger Waters schätzt. Die Prüfung für die Spektor 6 besteht hier natürlich in der Wiedergabe des Tieftonbereichs, denn wo im Vorbild Gilmour und Waters mit E-Bässen einsetzen, langen hier Synthesizer noch eine ganze Etage tiefer zu. Das beeindruckt die Spektor 6 allerdings überhaupt nicht, sie schiebt die wuchtigen Impulse ganz locker und präzise kontrolliert dem Hörer entgegen. Also bitte, dann folgt mit »Chain Reaction« von Rodriguez Jr. ein kompositorisch wesentlich reiferer Titel für erfahrene House-Connaisseure, der zugleich eine wirklich große Herausforderung in Sachen Bassreproduktion darstellt  – für beinahe jeden Lautsprecher. Dementsprechend muss die Spektor 6 bei diesen abgrundtiefen Attacken mit ihren Grenzen umzugehen wissen und sich möglichst galant aus der Affäre ziehen. Und genau das macht sie vorbildlich, die 6er bleibt sehr dynamisch, akkurat und trocken-druckvoll, ohne sich zu verheben. Reserven für Party-taugliche Pegel hält sie dabei auch bereit, und so steigt Olivier Mateu förmlich aus den Pariser Katakomben empor – eine großartige Leistung.

Feindynamisch und tonal ausgezeichnet

Dem Genuss vergleichbarer akustischer Avantgarde habe ich mich viele Nächte ungeniert hingegeben, aber die Spektor 6 hat selbstverständlich ausreichend Gelegenheit bekommen, ihr ganzes Potential zu zeigen. Die längere, 2015 abgemischte Version von Kari Bremnes' »Spor« enthält ebenfalls sehr tiefe, voluminöse Bass-Sequenzen, doch die Spektor 6 scheint die Aufmerksamkeit selbst auf ihren Gesang zu lenken, diese unverkennbare, samtige Stimme, die über einer motivierenden, zugleich etwas mystisch angehauchten Kulisse schwebt. Die Dali differenziert das vokale Spektrum feindynamisch und tonal ausgezeichnet, spürt die Atmosphäre des Songs genau auf und wahrt die Ordnung in einem komplexer werdenden Klanggeschehen. Für sein neuestes Werk »Potsdamer Platz« hat der schwedische Pianist Jan Lundgren von ihm besonders geschätzte Kollegen um sich geschart, ihnen viel Spielraum für Improvisation gelassen und deren persönliche Note zum Konzept gemacht: Saxophonist Jukka Perko, Kontrabassist Dan Berglund und Schlagzeuger Morten Lund gestalten mit ihm eine abwechslungsreiche, erfrischende Jazz-Reise entlang europäischer und amerikanischer Wurzeln, deren Etappen Lundgren mit Ausnahme des letzten Titels selbst komponiert hat. Auch hier agiert die Spektor 6 völlig integer, souverän und glaubhaft, positioniert die Musiker klar voneinander abgegrenzt auf einer großen, sehr gut überschaubaren Bühne und gibt den Instrumenten Körper. Vor allem aber involviert ihre agile Spielfreude, die Spektor 6 gefällt sich offenkundig in der Funktion eines Botschafters für Klangqualität und wird ihr vollauf gerecht.

Lautsprecher Dali Spektor 6

Impedanzminimum: 
  4,8 Ohm @ 217 Hz

Nennimpedanz (± 20% Toleranz):   6 Ohm

Empfindlichkeit:   89 dB (2,83 V / 1m; 500-5.000 Hz)

 

Hersteller:   Dali, Dänemark

Vertrieb:   Dali Deutschland GmbH, Bensheim

Modell:   Spektor 6

Kategorie:   Standlautsprecher

Paarpreis:   598 Euro

Garantie:   5 Jahre

Konstruktionsprinzip:   Zwei-Wege-Bassreflex

Bestückung:   2 x 16,5-Zentimeter-Tief-Mitteltöner, 1 x 25-mm-Gewebekalotte

Übergangsfrequenz: 
  2.500 Hertz

Terminal:   Single-Wiring

Lieferumfang:   Bedienungsanleitung, Spikes, Gummifüße, Frontabdeckungen, Garantie-Anforderungskarte

Ausführungen:   Schwarz, Walnuss

Abmessungen (B x H x T): 
  20 x 98 x 32 cm

Gewicht:   14 kg

 

Dali GmbH
Berliner Ring 89
64625 Bensheim

Tel:   0 62 51 / 9 44 80 77
Fax:   0 62 51 / 9 44 80 75

Internet:   www.dali-deutschland.de

Facebook:https://www.facebook.com/DaliLautsprecherDeutschland

Dali schockiert zunächst geradezu mit diesem Vorstoß in eine bislang unangetastet gelassene Niedrig-Preisklasse, kann mit den Qualitäten der Spektor 6 jedoch schnell beruhigen: Sie ist sehr gut verarbeitet und erweist sich in der Praxis in jeder Hinsicht als völlig unkompliziert. Sie überzeugt mit einer wirklich neutralen Abstimmung sowie einem tonal, dynamisch und räumlich ausgeprägten Differenzierungsvermögen auf ganzer Linie. Eine bemerkenswerte Souveränität und ihre agile Spielfreude krönen eine Performance, die auch anspruchsvollere Hörer aufhorchen lässt und Novizen Lust auf HiFi machen kann. Die Preiswürdigkeit der Dali Spektor 6 markiert derzeit die Spitze des Machbaren und dürfte wohl eine ganze Weile lang unangefochten bleiben: ganz klar »Preistipp« und »Highlight« in einem!    Marius Donadello

Dali Spektor 6
Paarpreis: 598 Euro
Garantie: 5 Jahre
überragend
gut
sehr gut
sehr gut

TEST

Lautsprecher:
Dali Spektor 6
Autor:
Marius Donadello
Datum:
24.03.2017
Hersteller:
Dali