Seit 1979 ist jedoch eine Menge passiert. Der ehemals eigenständige amerikanische Boxenhersteller Boston Acoustics, ansässig in der Nähe der gleichnamigen Stadt an der Ostküste der USA, fertigt heute unter dem Dach der D&M Holding – der auch die Marken Denon, Marantz und McIntosh angehören – neben Lautsprechern für das Wohnzimmer auch In-Wall-Lautsprecher, Tischradios mit und ohne iPod-Dock sowie Outdoor- und Car-HiFi-Boxen.
Mit der neuen A-Serie will Boston an die Erfolge von damals anknüpfen. Die Voraussetzungen jedenfalls sind gut, denn mit der A-Serie ließen die Amerikaner ihre Lautsprecher erstmals in Europa entwickeln. Was natürlich nicht heißen soll, dass die US-Ingenieure keine Boxen entwickeln könnten, doch nachdem Boston bislang vornehmlich für den amerikanischen Markt produziert hatte, geht man nun neue Wege: Durch die globale Ausrichtung unter D&M musste ein bestmöglicher Kompromiss gefunden werden, der sowohl optisch als auch klanglich möglichst alle Augen und Ohren dieser Welt anspricht.
So durfte kein Geringerer als der umtriebige Lautsprecher- und Chassis-Entwickler Karl-Heinz Fink den Klang designen, während das Gehäuse in England entworfen und entwickelt wurde. Einzig die Chassis werden nach den Vorgaben Finks in China gefertigt. Schaut man auf die milchig, leicht durchsichtigen Membranen, fühlt man sich an die 70er- und 80er-Jahre erinnert. In jener Zeit waren weiche Polypropylen-Membranen im Trend. Und das nicht zu Unrecht, denn mit diesem Membranmaterial konnte man Chassis entwickeln, die mit steigender Frequenz einen immer kleineren Membranradius zum Schwingen brachten.
Dank der hohen inneren Dämpfung der Membranen konnten diese Partialschwingungen zudem ohne ausgeprägte Resonanzen realisiert werden. So wurden trotz recht großer Membranen Zweiwege-Lautsprecher entwickelt, die auch im Mitteltonbereich ein breites Abstrahlverhalten an den Tag legten. Dank neuester Simulationsprogramme und besserer Fertigungstechnik will es Karl-Heinz Fink nun gelungen sein, diese Eigenschaften noch zu toppen.
Dazu verwendet er Polypropylen-Membranen mit einer optimierten Geometrie, die mit Glas- und Keramik-Fasern verstärkt sind. Auch der Antrieb wurde genauestens untersucht. Ein Simulationsprogramm, das die Magnetfeldsymmetrie berechnet, zeigte dem Entwickler, dass eine speziell geformte Polplatte neben verbesserter Symmetrie auch einen verlängerten Luftspalt mit sich brachte, welcher der Schwingspule und mithin der Membran mehr Bewegungsfreiheit erlaubt. Dieses »Deep Chanel Design« (DSD) soll außerdem für eine bessere Kühlung der filigranen Schwingspule und somit auch für eine höhere Dauerbelastbarkeit sorgen.
Zum Test hat sich i-fidelity.net das größte Modell der A-Linie, die brandneue A360, bestellt. Assoziationen zum gigantischen Fluggerät A380 von Airbus sind durchaus erlaubt, auch wenn dieser in der Typenbezeichnung noch 20 drauflegt. Ob die A360 tatsächlich ein solcher Überflieger wie der Riesen-Airbus ist, muss der Test zeigen.
In der neuen Boston arbeiten zwei 16 Zentimeter große Tieftöner der oben beschriebenen Machart sowie ein neun Zentimeter Mitteltöner. Letzterer schwingt von etwa 700 Hertz bis drei Kilohertz. Darüber kommt eine Gewebekalotte mit 25 Millimeter Durchmesser zum Einsatz. Der Hochtöner wurde so eng wie möglich über dem Mitteltöner platziert, um Interferenzeffekte zwischen den Chassis so gering wie möglich zu halten. In ausreichender Hörentfernung kommt diese Einheit somit dem Ideal einer Punktschallquelle sehr nahe.
Auch beim Gehäuse hat Boston Acoustics nichts dem Zufall überlassen. Äußerlich sorgen Hochglanzwangen und Lederoptik an den übrigen Gehäusewänden für ein modernes Erscheinungsbild. Auffällig ist hier die glatte Front ohne jegliche Unebenheiten, was der ungehemmten Schallausbreitung zugute kommt. Erst ein Blick ins Innere des schlanken Lautsprechers zeigt, welcher Aufwand für den guten Ton betrieben wurde. Diverse Versteifungsbretter beruhigen das Gehäuse weitestgehend. Selbst der relativ kleine Gehäusedeckel bekam eine klangverbessernde Maßnahme verpasst: Eine von innen aufgeklebte, runde MDF-Platte verdoppelt die Wandstärke und sorgt für eine Art Sandwich-Konstruktion. Das Resonanzverhalten soll auf diese Weise minimiert respektive in Bereiche verschoben werden, die die beiden Tieftöner gar nicht erst anregen. Schöner Nebeneffekt: Die runden Platten sind sozusagen der Verschnitt, der bei der Herstellung der beiden Öffnungen für die Tieftöner entsteht.
Der Mitteltöner wurde evakuiert, er arbeitet also unbeeinflusst von Tieftondruckschwankungen in einem eigenen Gehäuse. Selbst die Position des Bassreflexrohres wurde hinterfragt. Sie liegt rückseitig genau zwischen den beiden Tieftönern, um ihre Wirkung zu optimieren. Um ihre Standfestigkeit zu erhöhen, spendierten die Konstrukteure der schlanken Standbox zudem zwei Ausleger.
Mit über einem Meter Bauhöhe bekommt der Käufer der A360 eine ganze Menge Holz, und das für gerade einmal 800 Euro pro Paar. »Teuer kann jeder«, erläutert Karl-Heinz Fink das Konzept, die Herausforderung für ihn lautete daher »preiswert und gut«. Doch bei aller Materialschlacht zählt am Schluss die Abstimmung der Komponenten, und die wird per Gehör ermittelt. Sind für den amerikanischen Hörgeschmack Dynamik und Pegel wichtige Kriterien, legten die Entwickler bei der A360 auch großen Wert auf bestmögliche Räumlichkeit und Staffelung, ganz nach den europäischen Hörgewohnheiten. Ken Ishiwata, seines Zeichens »Klang-Guru« und Markenbotschafter für Marantz, ließ es sich nicht nehmen, bei der Abstimmung der neuen Serie mitzuwirken. Und das Ergebnis kann sich wirklich hören lassen.
Patricia Barbers Companion mit »Let It Rain« ist eine tendenziell hell timbrierte Einspielung. Lautsprecher, die hier zuviel des Guten an Höhendosis dazumischen, klingen schnell zischelig und überpräsent. Nicht so die Boston A 360, sie bewahrte den Glanz, ohne die hohen Frequenzlagen überzustrapazieren. Beeindruckend ist auch das Tieftonfundament, das der Lautsprecher bietet.
Bei »If This Isn´t Jazz« werden die akustischen Bass-Saiten sauber voneinander getrennt und mit dem richtigen Pegelmaß wiedergegeben. Auch die Applaus-Szenen sind hörenswert. Die A 360 transportiert das Raumgefühl der Aufnahmeumgebung sehr schön in den Hörraum. Und wie immer auch hier der Hinweis: Die vertikale Ausrichtung ist essentiell für die korrekte tonale Wiedergabe. Sitzt man zu tief, klingen die A 360 dunkel timbriert, sitzt man zu hoch, wird´s etwas dünn und höhenbetont. Die richtige Ohrhöhe ist etwa auf Höhe des Mitteltöners.
Bei Peter Wenigers »Half-Life« müssen sich die vier Bässe mächtig ins Zeug legen. Wirkt der E-Bass auf diesem Stück über viele andere Boxen etwas plump und schwammig, vermag die Boston den enormen Bassdruck sauber differenziert in den Hörraum zu spielen.
Mit »What We Want« der britischen Soul-Sängerin Alice Russell kann man es auch richtig grooven lassen. Hier geht es weniger um die korrekte Darstellung einzelner Instrumente als vielmehr um Soul und Rhythmus. Das kommt klasse – partytauglich. Mit Diana Kralls »Departure Bay« wird es wieder ruhiger. Die Stimme besitzt einen klaren Charakter. Schön lösen die Lautsprecher die gut differenzierte Instrumentierung auf. Ob das feine Zischeln des Besens am Becken oder das Schwingen der Bass-Saiten, die Boston kann in jeder Tonlage überzeugen. Auch wenn »September When It Comes« von Rosanne Cash klanglich nicht perfekt eingespielt wurde, so ist die ruhige Ballade nicht zuletzt dank der Mitwirkung von Vater Johnny Cash doch ein mehr als hörenswerter Song. Auch hier überzeugte die A 360 vollends. Und das ist ein gutes Zeichen, denn Lautsprecher werden nicht nur mit exzellenten Aufnahmen gespeist, nein, sie müssen auch mit aufnahmetechnischem Mittelmaß zurechtkommen.
Boston Acoustics A360
Konstruktionsprinzip: Drei-Wege-Bassreflex
Bestückung: 2 x 16,5-cm-Tieftöner, 1 x 9-cm-Mitteltöner, 1 x 25-mm-Kortec-Kalottenhochtöner
Anschluss: Single-Wiring-Terminal
Ausführungen: schwarz, kirsche
Abmessungen (B x H x T): 28 x 106 x 28 cm
Gewicht: 20 kg
Paarpreis: 798 Euro
Garantie: 5 Jahre
Boston Acoustics Deutschland GmbH
E-Mail: info(at)bostona.eu
Internet: www.bostona.eu
Das Bündeln der globalen Kräfte durch den D&M-Konzern wird sich bezahlt machen. Vor allem für die Kunden, denn die mussten für die Qualität einer A360 bisher deutlich tiefer in die Tasche greifen. So lautet denn das einmütige Redaktions-Fazit, dass wir keine Standbox dieser Größe und Ausstattung kennen, die für so wenig Geld soviel guten Klang bietet. Wir sind überzeugt, dass diese Lautsprecher ihren Weg in viele heimische Wohnzimmer machen werden. i-fidelity.net dient die Boston A360 ab sofort als Referenz bei Standlautsprechern unter 1.000 Euro! Michael Jansen
Boston Acoustics A360 |
Paarpreis: 798 Euro |
Garantie: 5 Jahre |