Exzellenter Phono-Eingang

Vom Melody Gardot-Album lag mir digital der Rip der CD-Version vor, die seltsamerweise auf zehn Songs begrenzt ist – weswegen ich auch die 15 Titel umfassende Vinyl-Ausgabe besitze, die jetzt für einen Check der Phono-Fähigkeiten des RV 4 an den Start geht. Schnell wird der Transrotor Dark Star angeworfen, um via SME-Arm das Hana EL durch die Rillen zu schicken. Da dieses Moving-Coil-Tonabnehmersystem eine Eingangsimpedanz im Bereich 400 bis 500 Ohm einfordert, passt es perfekt, dass der mit rauscharmen Operationsverstärkern und Subsonic-Filter ausgestattete Phono-MC-Eingang des RV 4 von Haus eine Impedanz von 470 Ohm bereitstellt. So verwundert es nicht, dass beide gemeinsam eine wunderbare Liaison eingehen.

»Bad News« ist eine großartige Adaption eines schleifenden Tom Waitsschen News-Orleans-Beerdigungs-Blues, den der RV 4 völlig von den Fesseln der Lautsprecherboxen befreit. Wieder erlebe ich diese stupende räumliche Luftigkeit gepaart mit genauer Darstellung und perfekter Gewichtung. Die große Pauke hat Volumen und Körper, der Kontrabass das richtige Maß an Knorrigkeit, und das überblasene Saxophon röhrt mit wundervoll offenbarter holziger Note solitär im Raum, während das sonstige Brass-Ensemble im Hintergrund ausgleichend das zentrale Motiv wiederholt. Der RV 4 zeigt die Großartigkeit dieser Musik in reinster Form. Dass der Magnat-Verstärker auch mit gröberen elektronischen Klangkalibern umgehen kann, musste er bei dem Titelsong aus John Grants Album »Pale Green Ghosts« beweisen. Auf diesem sinistren Dance-Track stellen die extrem crisp aufgenommenen Sequenzer-Linien der analogen Modularsynthesizer höchste Anforderungen an Impulsverarbeitung, Schnelligkeit und Tieftonmacht, die er ohne Achselzucken mühelos erfüllt. Und parallel gelingt es dem Magnat, den stark kontrastierenden Gesang des Gatten von Sinead O´Connor sehr passgenau abzubilden und einzubinden.

Röhrenbestückung bedeutet nicht »kraftlos«

Auffällig ist erneut, dass die Röhrenverstärkern gern zugeschriebene Wärme in der musikalischen Präsentation beim RV 4 nicht vorrangig im Fokus steht. Dieser Hybrid-Amp aus deutschen Landen beschönigt kein bisschen. Was absolut in Ordnung geht. Denn mitunter ist dieser »Tube«-Faktor nur eine laue Rechtfertigung für mangelnde Auflösung oder abfallenden Frequenzgang – der RV 4 hat nichts davon. Er zeichnet zwar auch diese röhren-typischen luftigen Räume, stellt ansonsten aber extrem präzise dar, ist tonal eher auf der zackig-knackigen Seite des Spektrums unterwegs und leistet sich keinerlei Einschränkungen an den Enden des Frequenzbandes. Dieses Spitzenmodell der Verstärker-Riege von Magnat versteht es, den Zuhörer gefühlsintensiv anzusprechen, aber nicht auf Kosten der Erkenntnis. Im ewigen vermeintlichen Widerspruch zwischen Gefühl oder Analyse fragt der RV 4 nur schlicht: »Wieso oder?«