Doch zum Testexemplar

Die Redaktion erhielt ein Pärchen G Four in Weiß. Wenn man den stromlinienförmigen Korpus aus dem Karton zieht, weiß man sofort, warum die Genelec-Lautsprecher dieser Generation in der Studiowelt mit dem Spitznamen »Gummibärchen« belegt sind. Doch die organisch wirkende Form ist kein Design-Gag, sondern folgt strikt dem Motto »Form Follows Function«. Und die Funktion, die aus dieser Form folgen soll, ist die Vermeidung jedweder Kantenreflexion. Auch der eingearbeitete, sanfte, geschwungene Trichter um die Alu-Hochtonkalotte ist weder Gag noch ein Horn– er soll vielmehr im Übergangsbereich zwischen Hoch- und Tieftöner für eine homogene Abstrahlung und damit auch einen gleitenden Phasenübergang sorgen. »Directivity Control Waveguide« nennen die Finnen das. Beides ist wichtig für eine homogene Raumabbildung. Das Gehäuse selbst besteht aus zwei Aluminium-Gussteilen mit Dutzenden internen Versteifungen. Der Klopftest an den Gehäusen bestätigt mit einem stumpfen »Tock« und einem schmerzenden Knöchel: Hier vibriert nichts, was nicht vibrieren soll. Die Oberfläche besteht aus einer wahlweise schwarzen oder, wie beim Testpärchen, weißen Pulverbeschichtung. Die wirkt optisch eher wie Porzellan als Lack. Edel – und mal etwas anderes.

Die Chassis halten sich sehr versteckt, die Schutzgitter lassen sich nicht abnehmen. Außer mit ein paar kryptischen Marketingbegriffen hält Genelec sich auch mit genaueren Angaben über Materialien und Prinzipien zurück. Was von der Elektronik zu sehen ist, ist da schon imposanter, auch wenn es optisch zunächst unspektakulär erscheinen mag: Das Anschlussfeld sitzt vertikal im Gehäuse, und so zeigen alle Kabel und Stecker senkrecht nach unten, wo sie unauffällig hinter der Box verschwinden. Das ist vor allem für die Wandmontage perfekt. Drei Anschlüsse gibt es: Strom, Cinch- und XLR-Audio. Über dem Terminal befindet sich eine ganze Reihe Mikroschiebeschalter, der Fachmann sagt auch »Mäuseklavier«. Hier lässt sich in feinen Stufen der Lautsprecher an seine akustische Umgebung und seine Verwendung anpassen. Das Mäuseklavier der G Four bietet Filtereinstellungen für Bass und Tiefbass getrennt, eine Grenzflächen-Entzerrung (Tabletop) und eine Hochton-Anpassung. Damit lässt sich stets die korrekte Balance finden, egal ob die Box nun frei oder in einer Ecke steht, an der Wand hängt oder auf einem Sideboard ruht. Ebenso lassen sich asymmetrische Aufstellungen ausgleichen.

Wichtiger Exkurs

An dieser Stelle sei einmal mehr daran erinnert, was das Interessante an Aktiv-Lautsprechern ist. Aktiv bedeutet nicht, auch wenn das in der Regel der Fall ist, dass die Verstärker in den Lautsprecher eingebaut sind. Aktiv bedeutet, dass die Frequenzweiche vor der Verstärkung liegt. Beim gängigen Passivkonzept braucht man eine hochwertige Endstufe, die auf ein Filternetzwerk arbeitet, die Frequenzweiche, und die verteilt dann das Signal auf die verschiedenen Chassis. Ein Problem stellen dabei elektrisch komplexe Rückwirkungen durch die Weiche auf den Verstärker dar. Also muss man eine Weiche aus riesigen Bauteilen konstruieren, die die gesamte Verstärkerleistung auch vertragen. Eine Aktiv-Frequenzweiche kommt vor der Verstärkung und liegt im Kleinsignalweg. Man kann sie aus viel präziseren Bauteilen herstellen, ohne klangliche Probleme auch variabel gestalten und sogar digital realisieren. Erst am Ausgang der Frequenzweiche kommen dann die Endstufen. Die treiben nun nur noch direkt die Lautsprecherchassis an. Die elektrischen Rückwirkungen der Schwingspule sind leicht beherrschbar, daher kommt man mit wesentlich einfacher konstruierten Verstärkern ans Ziel. Das ist auch der Grund, weshalb Aktivlautsprecher trotz zwei oder drei integrierter Endstufen oft erstaunlich preiswert sind – in der Regel bei ähnlicher klanglicher Performance jedenfalls fast immer preiswerter als Endstufen plus Passivlautsprecher.