Das schon angesprochene Uni-Q-Chassis ist das Resultat einer sehr langen Entwicklungshistorie, das patentierte Prinzip dieses Koaxialtreibers ist seit 1988 das technologische Kennzeichen von KEF schlechthin. Dessen Clou ist schnell erklärt: Der Hochtöner wird im akustischen Zentrum der Mitteltonmembran positioniert, daher kommt diese Hochmittelton-Einheit dem Ideal einer Punktschallquelle nahe. Im Falle der Q550 bringt ihr Uni-Q-Chassis die vierte Aluminium-Membran mit 13 Zentimetern Durchmesser in Spiel, sie läuft bis 2,5 Kilohertz hinauf. Darüber schließt eine ebenfalls aus Aluminium gefertigte Kalotte mit 25 Millimetern Durchmesser an, die von einer kegelförmigen Röhre bedämpft wird: Ein Gummiverschluss an deren verjüngtem Ende absorbiert den vom Hochtöner nach hinten abgestrahlten Schall, bevor er innerhalb der Chassis-Einheit mit dem Mitteltöner interferieren kann. Das Uni-Q-Chassis hat wegen seiner konzentrischen Anordnung zwei Vorteile: Die Laufzeiten von Hoch- und Mitteltöner sind weitreichend angeglichen, was eine besonders kohärente Wiedergabe ermöglicht. Zudem weist der Koaxialtreiber eine ausgeprägte Rundstrahlcharakteristik auf; um selbige bei sehr leicht ortbaren hohen Frequenzen weiter zu optimieren, ist vor der Hochtonkalotte ein »Tangerine Waveguide« genanntes Schallführungselement positioniert, dessen Lamellen den Schall horizontal und vertikal weitwinklig auffächern.

Das Statement

Dieses praxisgerechte Abstrahlverhalten fällt schon auf, während sich die Q550 noch am Audionet Watt warmläuft, Klaviernoten und Stimmen dringen merklich prägnanter als gewohnt in den Nebenraum. Auf dem Sweet Spot hörend, darf man dank der gutmütigen vertikalen Schallverteilung auch etwas tiefer in die Sofakissen rutschen, ohne in Folge dessen unter ein flächiges Klangbild abzutauchen. Eine solche legere Sitzposition stellt sich mit der Q550 recht schnell ein, denn sie spielt auf Anhieb schlüssig wirkend, frei von anstrengender Härte und vordergründigen Allüren. Dominic Miller hat für sein aktuelles Solo-Album »Silent Light« erstmalig mit ECM zusammengearbeitet und wird bei einigen Stücken von Schlagzeuger Miles Bould begleitet, mit dem er auch beim diesjährigen »Jazz In The Street«-Festival im rumänischen Cluj-Napoca auftrat. Das Werk ermahnt mit sehr stimmungsvollen, vielschichtig komponierten Stücken, ihn nicht immer gleich als den »Sting-Gitarristen« auszuweisen – sein autarkes künstlerisches Schaffen verdient zweifelsohne große Anerkennung und braucht kein helfendes Etikett. Ebenso für sich sprechen kann auch die Q550, sie zeigt bei »What You Didn’t Say« sofort auf, dass sie keinen unterstützenden Verweis auf ihr Preisschild benötigt, um zu überzeugen. Ihr gelingt die Wiedergabe der akustischen Gitarre mit sehr fein differenziertem Klangfarbenspektrum, wobei die Saitenanschläge und die Resonanz des Korpus zu einem plastischen, scharf umrissenen Abbild des Instruments zusammengefügt werden, das die richtige Größe hat. Wenn die ersten, dezenten Akzente von Miles Bould im Hintergrund einsetzen, liefert die Q550 wie selbstverständlich eine hell ausgeleuchtete, präzise gestaffelte Bühnendarstellung von bemerkenswerter Ausdehnung – manche Perkussions-Elemente erklingen weit jenseits der Stereo-Basis und meterweit hinter Dominic Miller.

»Is It Really You?« fragt die kanadische Jazz-Sängerin Diana Panton auf ihrem Album »To Brazil With Love«. Dabei wird ihre Stimme, glockenklar und zugleich voller samtiger Untertöne steckend, von der Q550 sehr nuanciert in allen Facetten aufgelöst. Doch im Gegensatz zu manchen, nicht nur sehr preisgünstigen Lautsprechern, integriert die Q550 darüber hinaus alle Detailinformationen zu einer natürlich einheitlich klingenden Reproduktion der Gesangstimme. Ihre feindynamisch agile Gangart ist gleichsam Teil eines homogenen Ganzen, sie mündet in locker fließender Spielfreude, mit der die Q550 die verträumte Atmosphäre dieses Liebeslieds in Szene setzt und mich kurz auf gedankliche Abwege bringt. Etwas Bewegung verdeutlicht übrigens, dass der Koaxialtreiber auch bei der Stabilität der räumlichen Abbildung ganze Arbeit leistet: Die wohlsortierte Platzierung von Stimme, Piano, Gitarre und Schlagzeug bleibt in einem ungewöhnlich weiten Radius um die ideale Hörposition herum perspektivisch unverzerrt.

Ganz so entspannend soll es jedoch nicht weitergehen, jedenfalls nicht für die Q550, die nun Durchsetzungskraft und Fähigkeit zu Tiefgang unter Beweis stellen soll. Mit den Drums bei »Silver Ghosts« vom Craig Taborn Trio kann sie sich prima anfreunden und stellt auch den begleitenden Kontrabass mit sonorem Charakter auf die Bretter. Elektronische Musik wie Anja Schneiders »Circle Culture« im Remix von Konstantin Sibold und Leif Müller fördert ihre straffe Abstimmung in tiefen Registern deutlich zutage und demonstriert, wie bravourös die KEF mit ihren Grenzen umzugehen weiß: Sie versucht nicht, über ihre Physis hinwegzutäuschen, konzentriert sich stattdessen auf Schnelligkeit und Ehrlichkeit. So schüttelt sie die kurzen, knackigen Synthesizer-Beats bei »Say It First« von Sam Smith locker-druckvoll aus dem Ärmel, gewinnt bei gehobenerer Lautstärke an Substanz und bleibt tonal immer auf der trockenen Seite. Mit dieser gepflegten Basscharakteristik schließt die Q550 bruchlos an ihre Transparenz in höheren Lagen an und präsentiert sich als rundum stimmiger, ausgereifter Lautsprecher, der die Grenze zwischen einem Einstiegsangebot und einer audiophilen Versuchung verwischt.