In technischer Hinsicht kann der Spektor 6 also eindeutig ihre Zugehörigkeit zur HiFi-Szene nachgewiesen werden, deshalb ist es an der Zeit, das klangliche Profil dieses Preisbrechers eingehend zu ergründen. Verstärkerseitig stellt sie mit einem gutmütigen Impedanzverlauf keine besonderen Anforderungen, für besonders aussagekräftige Resultate habe ich die »Vernehmung« der Spektor 6 dennoch mit Hilfe des Audia Flight Three durchgeführt. Wegen ihres breiten Abstrahlwinkels, der für eine gleichmäßige Schallverteilung im Raum sorgt und so den Hörer nicht auf dem Sweet Spot festnagelt, ist für eine neutrale Wiedergabe die parallele Aufstellung zueinander empfohlen. Je größer die Einwinkelung nämlich ist, desto weniger Hochton kommt mit der Spektor 6 am Hörplatz an. Letztlich sind hierbei allerdings auch raumakustische Gegebenheiten zu berücksichtigen und darf persönliches Gusto entscheiden, was bei mir immer zu einer leichten Ausrichtung auf den Hörplatz führt.

In der Rolle des »Good Cop« beginne ich mit leichter Kost aus meinem Elektro-Fundus, dem 2010er-Mix des Titels »One Of These Days« von Haldolium, zu finden auf dem Album »Repainted«. Wer alt genug dafür ist, mag diese Adaption des Pink-Floyd-Klassikers als Sakrileg betrachten, aber man muss Mario Reinsch und Mark Lorenzen zumindest zugute halten, dass sie sich atmosphärisch nicht nur mit den Vokalsamples recht nahe am Original entlang bewegen. Sie steigern die unheilvolle Grundstimmung der psychedelischen Rock-Komposition durch melodische Variationen und verstörend wirkende Soundeffekte mitunter zu einem apokalyptischen Motiv, versöhnen Tanzwillige jedoch sogleich mit typischen »Gute-Laune«-Elementen ihrer stilistischen Heimat, dem Trance. Trotzdem ist dieser Track hörenswert, besonders wenn man das Werk von David Gilmour und Roger Waters schätzt. Die Prüfung für die Spektor 6 besteht hier natürlich in der Wiedergabe des Tieftonbereichs, denn wo im Vorbild Gilmour und Waters mit E-Bässen einsetzen, langen hier Synthesizer noch eine ganze Etage tiefer zu. Das beeindruckt die Spektor 6 allerdings überhaupt nicht, sie schiebt die wuchtigen Impulse ganz locker und präzise kontrolliert dem Hörer entgegen. Also bitte, dann folgt mit »Chain Reaction« von Rodriguez Jr. ein kompositorisch wesentlich reiferer Titel für erfahrene House-Connaisseure, der zugleich eine wirklich große Herausforderung in Sachen Bassreproduktion darstellt  – für beinahe jeden Lautsprecher. Dementsprechend muss die Spektor 6 bei diesen abgrundtiefen Attacken mit ihren Grenzen umzugehen wissen und sich möglichst galant aus der Affäre ziehen. Und genau das macht sie vorbildlich, die 6er bleibt sehr dynamisch, akkurat und trocken-druckvoll, ohne sich zu verheben. Reserven für Party-taugliche Pegel hält sie dabei auch bereit, und so steigt Olivier Mateu förmlich aus den Pariser Katakomben empor – eine großartige Leistung.

Feindynamisch und tonal ausgezeichnet

Dem Genuss vergleichbarer akustischer Avantgarde habe ich mich viele Nächte ungeniert hingegeben, aber die Spektor 6 hat selbstverständlich ausreichend Gelegenheit bekommen, ihr ganzes Potential zu zeigen. Die längere, 2015 abgemischte Version von Kari Bremnes' »Spor« enthält ebenfalls sehr tiefe, voluminöse Bass-Sequenzen, doch die Spektor 6 scheint die Aufmerksamkeit selbst auf ihren Gesang zu lenken, diese unverkennbare, samtige Stimme, die über einer motivierenden, zugleich etwas mystisch angehauchten Kulisse schwebt. Die Dali differenziert das vokale Spektrum feindynamisch und tonal ausgezeichnet, spürt die Atmosphäre des Songs genau auf und wahrt die Ordnung in einem komplexer werdenden Klanggeschehen. Für sein neuestes Werk »Potsdamer Platz« hat der schwedische Pianist Jan Lundgren von ihm besonders geschätzte Kollegen um sich geschart, ihnen viel Spielraum für Improvisation gelassen und deren persönliche Note zum Konzept gemacht: Saxophonist Jukka Perko, Kontrabassist Dan Berglund und Schlagzeuger Morten Lund gestalten mit ihm eine abwechslungsreiche, erfrischende Jazz-Reise entlang europäischer und amerikanischer Wurzeln, deren Etappen Lundgren mit Ausnahme des letzten Titels selbst komponiert hat. Auch hier agiert die Spektor 6 völlig integer, souverän und glaubhaft, positioniert die Musiker klar voneinander abgegrenzt auf einer großen, sehr gut überschaubaren Bühne und gibt den Instrumenten Körper. Vor allem aber involviert ihre agile Spielfreude, die Spektor 6 gefällt sich offenkundig in der Funktion eines Botschafters für Klangqualität und wird ihr vollauf gerecht.