Der »Aufhänger« zu diesem Bericht spazierte eines Tages in Form eines Besuchers durch die Tür meines Arbeitszimmers – ein entfernter Bekannter, HiFi-infiziert und selbst Besitzer bester Gerätschaften. Er kam zum ersten Mal in mein Reich und taxierte sofort mit neugierigem Blick das Rack: Irgendwelche exklusiven Geräte? Vielleicht sogar ein spannender Exot?

Die Enttäuschung hätte auf seinem Gesicht nicht deutlicher stehen können, als er die schlichte, schwarze Arcam-Kombination aus dem Vollverstärker A 38 und der Stereo-Endstufe P 38 erblickte. Lange währte der Trübsinn jedoch nicht, und es stellte sich eine gewisse Schadenfreude ein. Da schwärmt ihm der Herr Tester immer wieder von den wunderbarsten Komponenten vor, von den herrlichen, zumeist spätnachts erlebten Musikstunden, und nun kommt die Wahrheit ans Licht: ein kleines Arcam-Doppel aus Vollverstärker und Endstufe. Meine Beteuerung, dass es sich um die Topmodelle der britischen Firma handele, konnte auch nichts mehr zum Guten wenden.

Da bei mir in highfideler Sicht wohl nichts zu holen war, schwenkte er thematisch zur Musik, um mich wenigstens auf diesem Gebiet angemessen zu belehren. Denn – das stellte sich sehr schnell heraus – wer mit einer so kümmerlichen Anlage hört, kann von der Musik selbst auch nicht viel Ahnung haben. Die nun folgende Diskussion dauerte nicht lange, nahm einen eindeutigen Verlauf, und nach nur kurzer Zeit hatte ich mein Reich wieder für mich allein. Und ein Thema für diesen Artikel!

Erstrebenswerter Luxus

Wie gut muss eine Anlage sein, damit man Musik wirklich erfassen kann?
Ich persönlich bin der Meinung, dass die Komponenten eine gewisse Souveränität und Durchlässigkeit mitbringen sollten, damit man die auf dem Tonträger gespeicherten Informationen auch sauber und entspannt hören kann. Das schaffen die ganz günstigen Angebote nicht, aber ab einer von vielen High-Endern noch nicht wahrgenommenen Klasse ist das durchaus schon möglich. Und ich mache mir bestimmt nicht zu viele Freunde, wenn ich behaupte, dass jede weitere Qualitätssteigerung ein wunderbarer, vielleicht auch erstrebenswerter Luxus ist – sicherlich aber keine Notwendigkeit, um Musik wirklich erleben zu können. Wenn Ihnen jemand erzählen möchte, dass Sie viel mehr Geld ausgeben müssen, um überhaupt Musik richtig hören und erfassen zu können, dann lächeln Sie charmant und wissend. Vielleicht sind das die Menschen, die so wenige Informationen aus der Musik selbst hören können, dass sie ihr »musikalisches« Erlebnis aus einem präzise dargestellten Stuhlknarren ganz weit hinten schräglinks generieren müssen. Oder aus dem lebenswichtigen Vergleich zweier Pressungen miteinander. Der Besitz einer teuren Anlage lässt jedenfalls keine Schlüsse auf die musikalische Kompetenz des Besitzers zu. Das eine hat mit dem anderen schlicht nichts zu tun.

Zum Musikerleben braucht man …

Wenn schon nicht die teuersten Anlagen automatisch einen tiefen und kompetenten Zugang zur Musik verschaffen, was denn dann? Ganz einfach: Es sind die beiden Ohren und die Masse dazwischen, die entscheiden, was wir von dem Gehörten überhaupt verstehen. Keine Sorge, ich spreche jetzt nicht von einem gottgegebenen Talent wie dem »absoluten Gehör«, sondern von einer Fähigkeit, die man trainieren kann. Und so schwer ist es gar nicht. Ein Journalistenkollege hat mir kürzlich einen guten Einstieg geliefert: »Wer liest, hört mehr.« Ein solider Informationshintergrund ist also schonmal die Basis, wenn es darum geht, hinter den Sinn der schönen Klänge zu kommen. Denn jedes Werk wurde vor einem sozialen und geschichtlichen Hintergrund geschaffen, der natürlich auf den Inhalt Einfluss hatte. Wenn man also mehr über das Umfeld weiß, kann man das Werk auch besser einordnen.