High End Audio ist ein emotionales Thema. Was von Herstellern über Vertriebe, Händler, Pressevertreter bis zu den Kunden gilt. Sobald sich Veränderungen abzeichnen, wird oftmals nicht die Entwicklung sauber skizziert, sondern gerne gleich ein vorauseilendes Fazit verbreitet. So ist es gerade auf der CES 2017 wieder geschehen: die viertägige Messe hatte gerade den zweiten Tag hinter sich, als ein Online-Medium bereits einen Nachruf in Bezug auf die High-End-Exponate im Venetian veröffentlichte. Hier geht der zeitliche Druck bei der Berichterstattung – »Wir müssen Erster sein« – klar auf Kosten der Qualität. Doch was war der Anlass für diese Negativreaktion?

Fakt ist, dass die Zahl der Aussteller im »Venetian«, also dem Hotel für »High Performance Audio«, seit Jahren sinkt: 200 im vergangenen Jahr, 160 in diesem. In der Konsequenz nimmt auch die Zahl der Besucher ab, wobei es hier um ausschließlich registriertes Fachpublikum geht. Für die Aussteller ist insbesondere der Kontakt zu ausländischen Vertrieben von Bedeutung. Doch auch deren Anzahl sinkt auf ein kritisches Minimum ab. Das Geschäft mit hochwertigen Audiokomponenten wird seit Jahren auf der High End in München erledigt, die CES wirkt als reines Schaulaufen.

Ein weiterer Punkt ist die steigende Zahl von attraktiven Messen nicht nur auf dem nordamerikanischen Kontinent, als da unter anderem CEDIA, Rocky Mountain Audio Fest und die Newport Show sind. Sowohl die Termine als auch die Örtlichkeiten scheinen vielen US-Händlern besser zu passen. Zumindest bevorzugen sie in steigendem Maße diese Alternativen.

Natürlich hat sich auch die Art der Informationsvermittlung geändert. In früheren Jahren war man vor Beginn einer Show gespannt, wer mit welchen Neuheiten am Start ist. Heute twittert spätestens einen Tag vor der Messe jemand die News und stellt auf der firmeneigenen Facebook-Seite auch gleich noch ein Foto dazu ein. Neuheiten im klassischen Sinne gibt es also nicht mehr. Womit sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer Berichterstattung stellt.

Anscheinender Grund für diese Affekt-Veröffentlichungen ist offenbar die angespannte Wettbewerbssituation. So erfährt die Öffentlichkeit von Komponenten, die erst Monate später – wenn überhaupt – tatsächlich in physischer Form zur Verfügung stehen. Dafür kann man allerdings heute auch keinen Hersteller mehr alleine verantwortlich machen. Hier spielt ganz sicher auch die verlorene Qualität und Zuverlässigkeit bei den Industriepartnern eine Rolle sowie die Verlagerung der Produktionsstätten nach Fernost. Die Zuverlässigkeit für eine konkrete Lieferung ist nicht mehr gegeben.

Ein bisher unbedeutender Faktor kommt in dieser Situation auch noch zum Tragen: der Zeitpunkt. Die CES ist stets die Auftaktmesse des Jahres. Man kann sich gut vorstellen, welche Kapazitäten ein Hersteller besitzen muss, der in den umsatzstarken Monaten des vierten Quartals noch parallel dazu in der Lage ist, Neuheiten für den Januar zu produzieren. Europäische Gerätschaften müssen sich spätestens Anfang Dezember auf den Weg nach Las Vegas machen. Und immer weniger Fachbesucher scheinen den Drang zu verspüren, direkt nach Weihnachten und dem Jahreswechsel nach Las Vegas zu reisen.

Dieser Umstand erklärt sicher auch die Entscheidung von immer mehr High-End-Manufakturen, der CES fern zu bleiben. Der logistische und der monetäre Aufwand sind einfach enorm hoch. Nicht gerade attraktivitätssteigernd ist auch Entwicklung der CES als Ganzes. Mittlerweile ist diese Las-Vegas-Show eine diffuse Mischung von Autoherstellern, IT-Firmen, Medizintechnik und den noch verbliebenen Herstellern von Unterhaltungselektronik. Für den Veranstalter ist nur noch wichtig, dass er die beiden magischen Worte »record breaking« in jeder Pressemeldung verwenden kann. Wie sie zustande kommen wird nicht mehr hinterfragt. Kein Wunder also, dass sich zwischen den High-End-Ausstellern im Venetian auch eine Versicherung, ein Matratzenhersteller (Sie haben richtig gelesen) und ein Verpackungsspezialist befanden. Diese Unternehmen haben auf den Fluren des Venetian nichts zu suchen, hübschen aber die Statistik der veranstaltenden CEA auf.

Was hat sich im Jahre 2017 tatsächlich geändert? Unter dem Strich ist für unsere Redaktion klar, dass sich der Pflichttermin CES/Las Vegas mit dem Jahre 2017 erledigt hat. Ein Besuch ist jetzt optional. Die Messe ist in Bezug auf hochwertige Musikwiedergabe auf das kritische Maß von 160 Ausstellern gefallen. Immerhin befanden sich noch renommierte und global operierende Unternehmen samt ihrer starker Marken darunter. Bemerkenswert sind zudem die zahlreichen klanglich ansprechenden Vorführungen gewesen sowie eine ganze Reihe Neuheiten, die Ihnen i-fidelity.net wie gewohnt im umfangreichen Messereport anbietet.