Vier von fünf deutschen Haushalten haben im vergangenen Jahr ihr TV-Programm bereits digital empfangen. Eine nachvollziehbare Entscheidung. Schließlich sehen Krimis, Nachrichten und Sport knackscharf mit kräftigen und natürlichen Farben auf modernen Flachbildfernsehern um Welten besser aus als analoge Zuspielungen ohne Brillanz und Pep. Vom digitalen Radio DAB+ (Digital Audio Broadcasting) haben hingegen viele noch nie etwas gehört. Und das, obwohl der digitale Hörfunkstandard bereits seit August 2011 am Start ist. Digitales Radio wartet zwar mit zahlreichen praktischen Zusatzdiensten auf, trotzdem interessiert sich kaum jemand dafür.

UKW ist geliebte und gelebte Tradition

Überlegen Sie doch mal, wie viele klassische UKW-Radios Sie zu Hause haben. Da gibt es den Radiowecker neben dem Bett, die Musikanlage im Wohnzimmer, ein Radio in der Küche, ein Duschradio im Bad, mobile handliche Radios zum Joggen und für den Urlaub, eins am Smartphone, eins im Auto… Die Liste kann noch beliebig ergänzt werden. Eines haben alle Geräte gemeinsam: Sie lassen sich extrem einfach bedienen, liefern Ihnen fast überall Ihr Wunschprogramm, sind günstig in der Anschaffung und vom Funktionsumfang her auf das Wesentliche beschränkt: einschalten, Sender einstellen und los geht's. Die Frequenzen Ihrer bevorzugten Kanäle haben Sie genauso im Kopf wie die wichtigsten Seiten im Videotext, der zwar technisch ebenfalls überholt ist, sich aufgrund seiner enormen Praktikabilität aber immer noch locker gegen seinen vermeintlichen Nachfolger HbbTV (Hybrid Broadcast Broadband TV) behaupten kann.

Damit wird schon mal eines klar: Auch wenn die Industrie meint, einen neuen und aus ihrer Sicht bahnbrechenden technischen Standard im Markt implementiert zu haben, so ist sie auf die Gegenliebe beim Konsumenten angewiesen. Wenn sich dieser allerdings konsequent als Nostalgiker entpuppt und nicht im Traum daran denkt, seine komplette Radiopalette zu verschrotten oder vom geliebten Videotext die Finger zu lassen, wird es für Hersteller und Betreiber extrem schwierig. Vor einer solchen Herausforderung steht die Branche beim Thema Digitalradio. Mehr als ernüchternd sind die Absatzzahlen von »DAB+«-Geräten. Der Gesellschaft für Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik (gfu) zufolge gingen im vergangenen Jahr gerade mal 350.000 Digitalradios über die Ladentische, im Jahr zuvor waren es läppische 110.000 Stück. Zum Vergleich: Allein in Deutschland wurden im Jahr 2012 rund 7,3 Millionen analoge Hörfunkgeräte verkauft. Nicht eingerechnet in diese gfu-Statistik wurden Dockingstations und Smartphones mit UKW-Empfang. Besitzer eines Digitalradios müssen sich da schon wie Exoten fühlen.